Ein halbes Dutzend Frauen verklagen Tesla. Der Elektroauto-Pionier habe eine Kultur der sexuellen Belästigung gefördert, in der weibliche Angestellte anzügliche Kommentare, intime Berührungen und Diskriminierung erlebt hätten.
Die sechs Frauen, die sechs separate Klage erhoben haben, schilderten sowohl in Gesprächen mit der «Washington Post» als auch in den Klageschriften eine Reihe ähnlicher Erfahrungen. Fünf der Frauen arbeiteten im Tesla-Werk in Fremont, Kalifornien, eine weitere war in einem Service Center bei Los Angeles beschäftigt.
Laut den Anwälten berichteten die ehemaligen Mitarbeiterinnen von einem Umfeld, «in dem es normal ist, dass man ihnen nachpfeift, sie begafft, unangemessen berührt und ihnen Avancen macht». Die Frauen beschrieben unter anderem Situationen, in denen männliche Kollegen sie zu sexuellen Handlungen aufgefordert hätten.
Mehrere Frauen sagen, sie hätten sich nicht getraut, mit der Personalabteilung zu sprechen, weil ihre Vorgesetzten an den Belästigungen beteiligt waren. Andere meldeten sich, sagten aber, es habe sich nichts geändert. Eine der Klägerinnen, Jessica Brooks, gab zu Protokoll, dass sie von ihrem Arbeitsplatz versetzt worden sei, nachdem sie sich beschwert hatte.
Mehrere Frauen gaben Depressionen und Angstzustände an und sagen, sie hätten bewusst weite Kleidung getragen, um sich vor weiteren Belästigungen zu schützen. Brooks, die im Tesla-Werk in Kalifornien arbeitete, sagte, sie habe Flanellhemden um die Taille gebunden, um ihren Hintern zu verbergen und Männer davon abzuhalten, anzügliche Bemerkungen zu machen.
Samira Sheppard, eine weitere Klägerin, sagte, dass der Job sie mit Scham, Angst und emotionaler Belastung zurückliess.
Alize Brown bezeichnete ihre Erfahrungen im Tesla-Werk in Fremont als «lebendigen Albtraum».
Erst im November hatte eine andere ehemalige Mitarbeiterin eine Klage wegen andauernder sexueller Belästigungen eingereicht. «So viele ähnliche Erfahrungen zeigen, dass es sich um ein systemisches Problem bei Tesla handelt», sagte Anwalt William Jhaveri-Weeks. Bereits vor diesen sieben Klagen gab es mindestens vier weitere Klagen wegen der Förderung einer Kultur, die rassistische Belästigung und Diskriminierung zulasse.
Die Klagen dürften nur die Spitze des Eisberges zeigen: Tesla verlangt von vielen seiner Beschäftigten die Unterzeichnung obligatorischer Schiedsvereinbarungen, wie aus den Gerichtsakten hervorgeht. Dies bedeutet, dass Streitigkeiten am Arbeitsplatz aussergerichtlich beigelegt werden müssen.
Tesla reagierte laut «Washington Post» nicht auf die neuesten Anschuldigungen.
Auch bei Elon Musks Raumfahrtkonzern SpaceX erheben Frauen schwere Vorwürfe: Ashley Kosak, die das Unternehmen im November verlassen hat und neu bei Apple arbeitet, schreibt in einem Artikel, dass Kollegen sie ohne ihren Willen berührt und mehrmals in der Nacht angerufen hätten. Die Personalabteilung habe auf ihre Beschwerden nicht reagiert. Vielmehr sei ihr nahegelegt worden, solche Angelegenheiten seien zu privat, um die männlichen Kollegen damit offen zu konfrontieren.
Fünf weitere Mitarbeiterinnen werfen dem Raumfahrtkonzern eine frauenfeindliche Firmenkultur vor. Eine der Frauen sagte, dass ein alkoholisierter Kollege versucht habe, nachts bei ihr einzudringen. Kosak berichtete, dass SpaceX mehreren gemeldeten Fällen von sexueller Belästigung nicht nachgegangen sei. Sie schildert SpaceX als «Unternehmen, das so sehr von Sexismus geprägt ist, dass die einzige Abhilfe darin besteht, dass Frauen es verlassen».
SpaceX reagierte nicht auf eine Anfrage zur Stellungnahme, schreibt das Technologie-Portal «The Verge», das die neusten Anschuldigungen publik machte.
Mehrere Tesla-Klägerinnen stellen eine direkte Verbindung her zwischen dem Missbrauch, den sie laut Eigenaussage erlebt haben, und dem Verhalten von Tesla-Chef Elon Musk. Dieser ist für seine schlüpfrigen Tweets bekannt. Er bezieht sich häufig auf die Zahl 69 und benannte scherzhaft eine fiktive Universität mit dem Akronym T.I.T.S..
Eden Mederos, die seit 2016 in einem Tesla Service Center beschäftigt war, sagte, dass Musks Kommentare das Verhalten ihrer männlichen Kollegen direkt negativ zu beeinflussen schien und «ihr schlechtes Verhalten nur noch weiter anstachelte». David Lowe, der Anwalt der Klägerinnen, sprach von einer «Einstellung an der Spitze», die ein «Muster allgegenwärtiger sexueller Belästigung und Vergeltung» ermögliche.
Als sie Flirtversuche und Umarmungen eines Managers abgewiesen habe, habe dies ihre Karriere bei Tesla beendet. «Ich war stolz darauf, dort zu arbeiten, als ich den Job bekam», sagte sie im Gespräch mit der «Washington Post». «Als ich ging, war ich einfach am Boden zerstört.» Der Stress, in diesem sexistischen, feindseligen Umfeld zu arbeiten, sei zu gross geworden.
Tesla sah sich schon zuvor mit Klagen wegen den Arbeitsbedingungen konfrontiert: Im Oktober hat ein kalifornisches Gericht einem schwarzen Ex-Mitarbeiter einen Schadenersatz zugesprochen, weil das Unternehmen anhaltende rassistische Belästigungen ignoriert hatte.
Im Frühjahr wurde Tesla wegen unlauterer Arbeitspraktiken gerügt. Es ging unter anderem um Verhöre von Mitarbeitern wegen mutmasslicher Gewerkschaftspläne und der Androhung des Verlusts von Aktienoptionen, wenn sie sich gewerkschaftlich vertreten liessen. Im März 2021 stufte die US-Arbeitnehmerschutzbehörde die Entlassung eines Mitarbeiters als illegal ein, der sich für die Gründung einer Gewerkschaft eingesetzt hatte.
In diesem Kontext zeigen sich Parallelen zu anderen Musk-Unternehmen: Die frühere SpaceX-Ingenieurin Kosak wirft Musk vor, dass er seine Ingenieure als Ressource sehe.
Musk ist am Montag vom US-Magazin «Time» zur «Person des Jahres» gekürt worden.