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Wie gut ist das neue Horror-Game «Agony» geworden?

Hölle, Hölle, Hölle! Diese Kreatur und andere Geschöpfe sorgen für gruselige Momente.
Hölle, Hölle, Hölle! Diese Kreatur und andere Geschöpfe sorgen für gruselige Momente.bild: zvg

Ekelhaft und pervers: Das Horror-Game «Agony» braucht viele Nerven

Ein neues Survival-Horror-Spiel mit verstörenden Bildern und ganz viel Blut? Her damit! Doch nach der grossen Vorfreude folgt leider die grosse Enttäuschung.
05.06.2018, 20:03
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Survival-Horror ist mein Ding. Oder anders ausgedrückt: Mit diesem Genre verbindet mich seit Jahrzehnten eine besondere Leidenschaft. Bei keiner anderen Stilrichtung klebe ich dermassen intensiv am Fernseher und haue mir die Nächte um die Ohren. Egal ob die kultige «Resident Evil»-Reihe oder eigenständige Werke wie «Eternal Darkness» oder das legendäre «Alone in the Dark» aus den 90ern, es gibt nichts Schöneres, als sich in einem dunklen Raum in der Nacht vor dem Bildschirm zu gruseln. Bester Survival-Horror-Titel ist und bleibt übrigens der Mindfuck «Silent Hill 2». Aber das ist eine andere Geschichte …

Auf «Agony» habe ich mich also sehr, sehr gefreut. Die ersten Bewegtbilder sahen vielversprechend und vor allem sehr verstörend aus. Mitten in der Hölle nach einem Ausweg suchen, sich an nichts erinnern und sich vom Wahnsinn regelmässig auf die Schultern klopfen lassen, das klang nach intensivem Spielspass. Doch schon nach ein paar Spielminuten sank die Motivation nach unten.

Ist das bereits der Ausgang? Spoiler: Nein!
Ist das bereits der Ausgang? Spoiler: Nein!bild: zvg

Raus aus der Hölle!

Wer ich bin oder einmal war, das weiss ich zu Beginn nicht. Aber ich muss wohl ein schlechter Mensch gewesen sein, wenn ich schon in dieser ewigen Hitze dahin vegetieren und Qualen ertragen soll. Aber statt es mir gemütlich zu machen, begebe ich mich auf die Suche nach meiner Vergangenheit und nach einem Ausweg aus dieser uncoolen Umgebung. Um den ewigen Flammen zu entkommen, muss die Rote Göttin fallen, ein mystisches Wesen mit Sexappeal. Warum ich die Dame zur Strecke bringen muss, bleibt irgendwie aber vorerst total ungeklärt.

Immer wieder trifft man auf verlorene Seelen, die ganz schön aggressiv reagieren.
Immer wieder trifft man auf verlorene Seelen, die ganz schön aggressiv reagieren.bild: zvg

Wo zur Hölle muss ich hin?

In der Ego-Perspektive wandere ich denn durch finstere Areale. Dabei ist wandern wortwörtlich zu nehmen. Wenn ich nicht gerade auf Knopfdruck rennen kann, so schlendere ich herum. So langsam bewegte sich zuletzt der Dhalsim aus dem Prügelspiel «Street Fighter 2» in der Super NES-Version. Ich treffe dabei auf andere gefangene, ziemlich verstörte Seelen, die mich bedrohen oder mich auch einfach zutexten. Ich kann denen dann zuhören und auf sie eingehen oder sie auch einfach zu Matsch verarbeiten.

Ansonsten schleiche ich mich Luft anhaltend an Dämonen vorbei, löse Rätsel, lese alte Texte und Briefe, sammle Gegenstände, um sie irgendwo zu platzieren oder brenne mir mit Fackeln diverse Wege frei. Und ständig frage ich mich, wo ich eigentlich bin und wo ich eigentlich hin muss. Auf Knopfdruck kommt dann zwar so ein blauer Leuchtstreifen aus mir heraus, der mir den Weg weisen soll, die Orientierung missfällt aber regelmässig. In der Hölle, in diesem verdammten Labyrinth, ist es übrigens wirklich sehr, sehr dunkel. Also besser von Beginn an die Helligkeit bis ganz nach oben schrauben.

In der Hölle ist ganz schön was los!
In der Hölle ist ganz schön was los!bild: zvg
«Ist es sehr blutig? Ja! Ist es auch abartig? Ja! Und ist es auch ein bisschen pervers? Ja!»

Bluteffekte aus der Hölle

Ist es sehr blutig? Ja! Ist es auch abartig? Ja! Und ist es auch ein bisschen pervers? Ja! Die digitale Hölle ist genau so, wie man es sich vorstellt: Überall ist Blut, literweise wird der rote Saft verspritzt. Innereien und Körperteile liegen herum. Manchmal schön drapiert, manchmal tauchen sie auch in sehr kuriosen Momenten auf.

Monster, Menschen, Seelen oder was auch immer laufen meistens nackt durch die Areale, kopulieren auch mal und auch Geschlechtsteile dürfen bestaunt werden. Es wird geschrien, gestöhnt, sich vermehrt, Körpersäfte ausgetauscht und diverse Tabus gebrochen. Ja, alles sehr schön. Nur, hat man diese extravaganten, teils schockierenden Stilmittel nach ein paar Stunden gesehen und es verkommt alles zum optischen Schaubudenzauber, um von der schwächelnden Technik abzulenken.

In der Hölle fallen regelmässig die Hüllen und man gibt sich seinen Gefühlen hin.
In der Hölle fallen regelmässig die Hüllen und man gibt sich seinen Gefühlen hin.bild: zvg

Optik aus der Hölle

Dass sich die Spielfigur langsam bewegt, ist mit der Zeit zu verkraften. Aber die Ruckler, die in regelmässigen Abständen auftauchen und den Sog unterbrechen, nerven dann einfach nur noch. Diese technischen Mängel wären nicht so schlimm, wenn da diese gruselige Optik nicht wäre. Grobpixelig, verwaschene Texturen, minimalistische Farbpalette. Es ist, also ob man einen Ego-Titel aus der Playstation 2-Ära spielen würde. Wäre diese minimalistische Grafikspielerei ein Stilmittel, könnte ich das verstehen und durchwinken. Aber in Zeiten wo jedes noch so schlechte Spiel mindestens eine schicke Optik hat, schüttle ich nur den Kopf.

Wie bereits schon weiter oben erwähnt: In der Hölle geht es ganz schön ab!
Wie bereits schon weiter oben erwähnt: In der Hölle geht es ganz schön ab!bild: zvg

Spielspass aus der Hölle

Es tut meinem Survial-Horror-Herz weh, aber «Agony» macht einfach keinen Spass und wird je länger man es spielt mehr zur Qual. Schon nach der ersten Stunde hatte ich keine grosse Lust mehr. Dabei stimmen ja eigentlich die Atmosphäre und die Tatsache, dass man im Dunkeln gelassen wird und auf die Suche nach sich selbst geht. Hallo, Selbstreflektion! Aber «Agony» macht spieltechnisch auf die Dauer keinen Spass.

Dass ich von anderen Dämonen und gequälten Seelen Besitz ergreifen kann, um mich durch die Hölle zu wursteln, ist interessant, nützt sich aber schnell ab, weil dem Spiel ein klarer narrativer Faden fehlt, der einem eine bestimmte Motivation schenkt. Auch die Rätsel kosten Nerven, weil man zu oft alleine gelassen wird, durch Gänge stolpert und nur durch zufälliges Ausprobieren die nächste Pforte öffnen kann. Das kann durchaus eine Herausforderung sein, aber ein bisschen mehr Hinweise in den oft sehr dunklen Umgebungen wären nett gewesen. Und wer zur Hölle hat denn bitte diese fiesen Rücksetzpunkte gesetzt?

Was passiert genau mit mir und wo muss ich eigentlich hin? Man weiss es nicht genau.
Was passiert genau mit mir und wo muss ich eigentlich hin? Man weiss es nicht genau.bilD: ZVG

Spielen auf eigene Gefahr

Fazit: Mit den teilweise übertriebenen Gore-Effekten und mit diversen Tabubrechern, die einem aufs Auge gedrückt werden, um besonders originell herüberzukommen, wird «Agony» mit Sicherheit sein Publikum finden. Wer nach literweise Blut und plakativen Elementen lechzt, wird sehr gut bedient werden. Doch dieser Survival-Titel bleibt auf weite Strecken auch einfach nur stumpf und seelenlos. Hat man sich mit den technischen Mängeln, der groben Optik und der Motivationslosigkeit abgefunden, gibt es immerhin gegen Ende ein paar storytechnische Überraschungen und immer wieder mal obligate Schockmomente, wo das Herz in die Hose rutscht. Ansonsten wird «Agony» (zu Deutsch: Qual) seinem Namen leider mehr als gerecht.

«Agony» ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC. Freigegeben ab 18 Jahren.

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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züristone
05.06.2018 22:27registriert August 2015
Puuhhh, ich habe mir den Trailer angeschaut und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen weshalb man sich freiwillig Stunden in dieser Illusion befinden will? Das soll jetzt keine Kritik sein, jeder soll machen was er will. Ich würde ganz ehrlich gerne verstehen, was daran so reizvoll ist und fühlt man sich nach Stunden in einem solchen Game nicht total deprimiert, traurig, schreckhaft oder agressiv? Kann man dabei irgendwie Freude empfinden? Will mann da nicht einfach so schnell wie möglich wieder raus?!
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