Kabellose Kopfhörer und Nachhaltigkeit sind oft ein Widerspruch. Apples beliebte AirPods beispielsweise sind spätestens nach ein paar Jahren Elektroschrott, weil sie schlicht nicht reparierbar sind. Sie sind laut den unabhängigen Reparaturprofis von iFixit so konstruiert, dass sie beim Öffnen unweigerlich kaputtgehen. Auch der Akku lässt sich folglich nicht austauschen. Fairphone will es nun besser machen.
Bei den neuen Fairbuds können Ladegehäuse und Kopfhörer spielend leicht geöffnet werden. Unser Test zeigt: Der Akku im Ladegehäuse lässt sich mit einem Schraubenzieher in weniger als einer Minute auswechseln, und die kleine Batterie im Ohrhörer ist mit minimal mehr Aufwand ebenfalls rasch ersetzt.
Die Fairbuds zeichnen sich dadurch aus, dass sie wie das Fairphone modular aufgebaut und vom Nutzer oder der Nutzerin selbst reparierbar sind. Kopfhörerbatterien und einzelne Kopfhörer, sollte einer verloren gehen, können auf der Fairphone-Webseite nachbestellt werden.
Auch die äussere Schale des Ladebehälters, der innere Gehäusekern und der Akku im Gehäuse lassen sich separat nachkaufen und mit wenigen Handgriffen austauschen. Ein Ersatzakku kostet 13 Euro, zwei Kopfhörer-Batterien 10 Euro und ein neuer Fairbud 50 Euro.
Die Fairbuds funktionieren mit allen Apple- und Android-Geräten sowie anderen Bluetooth-fähigen Geräten wie Laptop oder Fernseher. Sie seien zu über 70 Prozent aus fair gewonnenen Rohstoffen und recycelten Materialien sowie «Elektromüll-neutral» produziert, sagt das niederländische Unternehmen. Das heisst, für jeden hergestellten Kopfhörer wird die gleiche Menge Elektromüll recycelt. Ferner zahle man den Arbeiterinnen und Arbeitern in der Produktion einen Zuschuss, um die Lücke zwischen dem Mindestlohn und einem existenzsichernden Lohn zu schliessen.
Das Ladegehäuse aus weissem Kunststoff mag auf den ersten Blick billig wirken. Spätestens in der Hand hat mich die angenehm matte Oberfläche haptisch aber positiv überrascht. Selbst der gedämpfte Sound beim Zuklappen überzeugt. Da scheppert nichts. Ein Detail, welches das Gehäuse sofort wertiger wirken lässt.
Aber: Aufgrund des modularen und reparierbaren Designs sind Ohrhörer und vor allem Ladegehäuse deutlich grösser und dicker als etwa Apples AirPods, die auf Miniaturisierung getrimmt sind. Mich stört das nicht, aber der Fakt soll nicht unter den Teppich gekehrt werden. Für enge Jeanstaschen ist das Fairbuds-Ladecase nichts (die Masse und technischen Daten folgen am Ende des Artikels).
Was mich auch nach gut einer Woche im Alltag nervt, ist das im Vergleich zu den AirPods viel mühsamere Herausgrübeln und wieder einsetzen der Ohrhörer aus dem bzw. in das Ladegehäuse. Meiner Meinung nach lassen sich In-Ear-Kopfhörer in Stäbchenform generell viel besser greifen, aber vielleicht bin ich auch nur unglaublich ungeschickt.
Fairphone verzichtet auf die von zahlreichen Herstellern genutzte Stäbchenform, um sie reparierbar zu bauen. Das ist gut, allerdings leidet darunter etwas der Tragekomfort.
Denn wie viele andere setzt auch Fairphone für optimales Noise Cancelling auf kleine Schaumstoff-Aufsätze. Diese liegen in vier verschiedenen Grössen bei. Das Problem: Die rund 160 Franken teuren Fairbuds sitzen damit – zumindest bei mir – nie komplett unauffällig im Ohr. Ich spüre sie stets, und in einem Ohr sitzen sie trotz mehrerer Aufsätze nicht perfekt (ein Problem, das ich bei allen nicht stäbchenförmigen In-Ears habe.) Dennoch konnte ich die fünf Gramm leichten Fairbuds im Büro problemlos längere Zeit am Stück tragen, ohne dass sie unangenehm drückten.
Wie klingen die Fairbuds denn nun? Dem Preis angemessen, würde ich meinen. Überraschend druckvoll und angenehm warm. Sie erreichen nicht ganz den satten und runden Klang der 250 Franken teuren AirPods Pro 2, klingen aber um Welten besser als manche billige In-Ear-Kopfhörer im Bereich von 100 Franken oder darunter.
In Kürze will Fairphone eine Fairbuds-App in Googles Play Store und Apples App Store anbieten. Damit soll sich das in der Voreinstellung ausgewogene Klangbild den persönlichen Vorlieben anpassen lassen. Für diesen Test stand mir die App leider noch nicht zur Verfügung.
Zumindest für mich ausreichend ist auch die aktive Geräuschunterdrückung. In der S-Bahn dämpft sie den monotonen Zuglärm angenehm, ohne das extrem effektive Noise Cancelling von deutlich teureren Modellen zu erreichen.
Im Freien überzeugt die gute Windgeräuschreduzierung. Wer in einem lauten Grossraumbüro vollkommene Stille wünscht, sollte hingegen keine Wunder erwarten. Die Fairbuds dämpfen zwar die typische Büro-Klangkulisse, aber Gespräche von Bürokollegen oder das Tastatur-Geklimper in unmittelbarer Nähe bleiben hörbar.
Zusätzlich gibt es einen Ambient-Modus, in dem die Umgebungsgeräusche durch die Mikrofone der Kopfhörer an die Ohren weitergeleitet werden. In der Stadt prasselt so der Klangteppich der Strasse ins Ohr, und im Büro brauchte ich den Transparenz-Modus schlicht nicht, da mich die Kopfhörer nicht vollständig von der Umwelt abkapseln.
Fairphone gibt die Akkulaufzeit mit bis zu sechs Stunden an (bzw. bis zu fünf Stunden mit aktivierter Geräuschunterdrückung). Mit dem Ladegehäuse seien bis zu 26 Stunden Musikwiedergabe möglich. Klar, diverse Kopfhörer laufen teils deutlich länger, aber für die allermeisten dürfte die Laufzeit ausreichend sein. Zudem lässt sich in 10 Minuten Energie für weitere 90 Minuten nachladen. Ein USB-C-Ladekabel wird konsequenterweise nicht mitgeliefert.
Per Klick auf den Ladecase-Button zeigt ein LED-Licht neben dem USB-C-Anschluss den ungefähren Akkustand. Das vollständige Laden von Gehäuse plus Kopfhörer dauert zwei Stunden. Das ist verglichen mit anderen Anbietern gemächlich, dürfte aber eine bewusste Entscheidung sein, um die Gesundheit der Akkus zu verlängern.
Apropos verlängern: Die Fairbuds kommen mit einer auf drei Jahre verlängerten Garantie, ein Jahr mehr als die gesetzliche Garantiefrist.
Die Steuerung über die Touch-Fläche der Ohrhörer diverser Marken hat mich in den vergangenen Jahren bisweilen zur Verzweiflung gebracht. Auch hier ist sie nicht perfekt, aber zumindest nutzbar. Für Play/Pause tippt man einmal auf die Sensorfläche, für den nächsten Song zweimal und für den vorherigen dreimal. Einfaches und doppeltes Tippen werden perfekt erkannt, das dreifache Tippen hingegen führt häufig zu Fehlerkennungen und strapaziert mal wieder die Nerven.
Längeres Berühren aktiviert zuverlässig das Noise Cancelling. Mit einem Wisch nach oben oder unten wird die Lautstärke reguliert, was theoretisch reibungslos klappt, da die Sensorfläche auf leichte Berührung gut reagiert. In der Praxis muss man meist mühsam mehrfach wischen, um die Lautstärke spürbar zu ändern, weil eine Bewegung nur eine minimale Änderung bewirkt. Uff.
Und sonst? Die Fairbuds haben eine Ohrerkennung. Sie stoppen folglich die Audiowiedergabe automatisch, wenn man einen Stöpsel aus dem Ohr nimmt und setzen die Wiedergabe fort, wenn man ihn wieder einsetzt. Sie unterstützen zudem Multipoint-Bluetooth, können also mit mehreren Geräten gekoppelt bleiben, um nahtlos zwischen zwei Abspielgeräten – etwa Smartphone und Laptop – zu wechseln. Bei mir hat das tadellos geklappt. Wer viel Sport macht oder im Regen unterwegs ist, freut sich über den Spritzwasserschutz. Nicht an Bord ist induktives Laden des Ladegehäuses.
Während andere Marken mit schickem Design locken und klanglich in audiophile Sphären vorstossen, glänzt Fairphone bei der Reparierbarkeit. Die Fairbuds sind nicht die besten Kopfhörer der Welt, aber vielleicht die besten für die Welt. Denn während grosse Hersteller Meister im Minimieren ihrer Technologie und Maximieren des Profits sind, minimiert Fairphone lieber den Schaden für die Umwelt.
Allerdings ist es nicht so, dass die Niederländer das Rad neu erfunden haben. Es ist keineswegs so, dass kabellose Ohrhörer wie bei Apple Wegwerfprodukte sein müssen. Dass es besser geht, beweisen beispielsweise Samsung mit den Galaxy Buds Live oder Sonys Ohrhörer mit der kryptischen Bezeichnung WF-1000XM3 schon lange.
Abschliessend lässt sich sagen: Fairphone hat mit der zweiten Fairbuds-Generation die Kurve gekriegt. Die ersten Fairbuds von 2021 waren ein Griff ins Klo. Sie bestanden zwar teils aus recyceltem Plastik, aber der Sound war enttäuschend und reparieren liess sich daran genau nichts. Fairphone hat sie inzwischen aus dem Sortiment genommen. Mit den Over-Ear-Kopfhörern Fairbuds XL bewiesen die Niederländer zwei Jahre später, dass man's doch kann und dass Reparierbarkeit und guter Klang kein Widerspruch sein muss. Nun gibt es von Fairphone auch In-Ear-Ohrhörer, die ihr Geld wert sind.
Die Wahl muss jeder für sich treffen. Ich bleib die nächsten Jahre bei den Produkten von Fairphone. ✌️