Still und leise entert der weltweit zweitgrösste Smartphone-Hersteller BBK Electronics die Schweiz. Unter dem Dach des chinesischen Tech-Giganten vereint sind die primär im asiatischen Raum bekannten Handy-Marken OnePlus, Realme, Vivo und eben Oppo. Zusammen verkaufen sie beinahe gleich viele Smartphones wie Samsung und liegen deutlich vor Huawei und Apple.
Im Frühling hat Swisscom ihr neues 5G-Netz mit Oppo lanciert und so nach Huawei und Xiaomi einem dritten grossen Player aus China die Tür zum Schweizer Markt aufgestossen. Das optisch und technisch attraktive Oppo Reno 5G konnte in unserem Test durchaus gefallen. Das Preisschild von 1000 Franken dürfte aber viele potenzielle Kunden abgeschreckt haben.
Nun versucht es Oppo mit einem halb so teuren Modell. Und so viel sei bereits verraten: Das Reno 2 für knapp 500 Franken dürfe den Massengeschmack weit besser treffen.
Oppo deckt mit seiner noch jungen Marke Reno die Preisspanne von 200 bis 1000 Franken ab und bietet dabei vergleichbare Qualität wie Samsung und Huawei. Das Reno 2 für knapp 500 Franken schliesst die Lücke zwischen den Budgetmodellen und dem 1000 Franken teuren Oppo Reno 5G (Swisscom-exklusiv).
Der wichtigste Satz dieses Reviews: Obwohl das Reno 2 die Hälfte des Reno 5G oder anderer Top-Smartphones kostet, ist es (fast) gleich gut: Es hat eine Top-Kamera, einen brandneuen, stromsparenden Prozessor, einen ausdauernden Akku und beim Design muss sich Oppo vor niemandem verstecken.
Wo es im Alltag überzeugt und warum es trotzdem nicht perfekt ist, zeigt der Erfahrungsbericht.
Das Reno 2 richtet sich an Kunden, die sich zwar ein sehr gutes Smartphone wünschen, aber nicht bereit sind, die inzwischen teils exorbitanten Preise mitzugehen. Dafür bekommt man fast alles, was ein sehr gutes Smartphone ausmacht, muss aber auf (für viele Nutzer unwichtige) Extras wie 5G oder kabelloses Laden verzichten.
Laut einer aktuellen Umfrage von Comparis wollen Schweizer im Schnitt 447 Franken für ein neues Smartphone zahlen. Bei den 18 bis 35 Jährigen sind es 494 Franken. Das Reno 2 für knapp 500 dürfte somit für viele zur Option werden. Mit dem Reno 2Z gibt es zudem eine leicht abgespeckte Version, die rund 380 Franken kostet.
Das Reno 2 besitzt ein in die Länge gezogenes OLED-Display im 20:9-Format. Mit diesem Kniff hat es ein sehr grosses Display und bleibt trotzdem einigermassen schmal, sprich handlich. Wer explizit ein kleines Handy sucht, liegt hier trotzdem falsch, auch wenn man sagen muss, dass es durchaus breitere, klobigere und schwerere Smartphones gibt. Zum Vergleich: Die Displaydiagonale ist gleich gross wie beim iPhone 11 Pro Max, das Gerät selbst ist aber etwas schmaler und deutlich leichter.
Die längere Antwort: Dass wir es hier nicht mit einem typischen Mittelklasse-Modell zu tun haben, zeigt sich auch beim sehr soliden Display. Oppo setzt nicht etwa auf ein günstiges LCD-Display, sondern auf einen zeitgemässen, energiesparenden OLED-Screen. Oppo behauptet, die OLED-Technologie würde den Energieverbrauch um 6 Prozent reduzieren. Kann sein, was weit mehr ins Auge sticht: Filme und Fotos wirken auf einem OLED-Screen mit knackigeren Farben und mehr Kontrast schlicht besser als auf einem LCD-Display.
Oppo bietet in den Systemeinstellungen zudem mehrere Optionen, um etwa die Wärme des Display zu konfigurieren. Wenn man das Haar in der Suppe suchen will: Die maximale Displayhelligkeit ist mit etwas über 500 Nits gut, aber nicht überragend gut. Die neusten Top-Modelle von Apple und Samsung drehen die Helligkeit im direkten Sonnenlicht auf über 1000 Nits hoch, was beispielsweise beim Fotografieren nützlich sein kann.
Teurere Smartphones haben einen noch schnelleren Prozessor, in der Praxis merkt man davon allerdings nichts. Ich habe das Reno 2 zwei Wochen als Hauptgerät im Alltag benutzt und dabei mit dem Galaxy S10 5G von Samsung (kostet aktuell rund 1200 Franken) verglichen. Bei der Performance hält das knapp 500 Franken teure Reno 2 problemlos mit dem mehr als doppelt so teuren Spitzengerät mit.
Das Reno 2 läuft ohne den kleinsten Ruckler und Apps (abgesehen von Games) starten unverzüglich. Möglich macht's Qualcomms neuer, zukunftssicherer Prozessor Snapdragon 730G, der erst in ganz wenigen Smartphones zu finden ist. Das G steht für Performance-Version, die gegenüber dem normalen Snapdragon 730 15 Prozent mehr Leistung bringt. Normalerweise braucht man dies nicht, aber bei aufwändigen 3D-Games taktet die G-Version hoch und liefert (im besten Fall) etwas schönere Grafik.
Das Fazit zur Kamera: Bei Tageslicht ist die 48-MP-Kamera auf Flaggschiff-Niveau, sprich exzellent. Sie kombiniert jeweils vier Pixel zu einem, was im Endeffekt leicht schärfere 12-MP-Fotos ermöglicht. Was mir besonders gefällt: Die Fotos sind im Automatikmodus gut belichtet und zeigen meist realistische Farben. Ambitioniertere Fotografen können sich mit dem erstaunlich guten Zoom, der Ultraweitwinkel-Kamera und diversen Modi austoben. Die wichtigsten werden im Folgenden kurz beschrieben:
Im Portrait-Modus gelingen selbst Laien verblüffend gute Portrait-Aufnahmen mit Tiefenunschärfe (verwaschener Hintergrund). Dieser Bokeh-Effekt lässt sich stufenlos regulieren. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die vierte Hilfskamera, die ausschliesslich schwarz-weiss fotografiert. Sie ermöglicht besonders kontrastreiche schwarz-weiss Portraits. Alles in allem beherrscht das Reno 2 Potrait-Aufnahmen vergleichbar gut wie 1000 Franken teure Handys.
Beim Zoom (2x optisch, 5x hybrid, bis 20x digital) ist die Kamera weit überdurchschnittlich. Doppelte Vergrösserung ist ohne Qualitätsverlust möglich, fünffache Vergrösserung führt zu geringem Detailverlust (auf dem Handy-Display kaum sichtbar) und selbst die zehnfache Vergrösserung liefert dank Software-Tricks brauchbare Resultate. Alles darüber gehört in die Abteilung Gimmick.
Etwas gespart hat Oppo bei der Ultraweitwinkel-Linse, die merklich schlechtere Fotos als die Hauptkamera liefert. Dafür ermöglicht sie mit dem Autofokus Nahaufnahmen aus kürzester Distanz (Makromodus), was aktuell nur sehr wenige Smartphones beherrschen.
Der Nachtmodus enttäuscht ebenfalls nicht. Man sollte keine Wunder erwarten, aber wenn in der Dunkelheit noch etwas Licht vorhanden ist, werden die Fotos recht passabel.
Die Selfie-Kamera fällt im Vergleich zur Vierfach-Kamera etwas ab, hübsche Potrait-Fotos mit Tiefenunschärfe sind aber auch so möglich.
Video: Schlecht für ambitionierte Filmer: 4K-Videos werden nur mit 30 Bildern pro Sekunde aufgenommen, immerhin geht das auch im Ultraweitwinkel-Modus. 60 FPS wären nur mit einem schnelleren Prozessor (Snapdragon 845 und aufwärts) möglich. Alles in allem gibt es für Hobbyfilmer deutlich bessere Handy-Kameras.
Die Gesichtsentsperrung funktioniert auch in komplett dunklen Räumen reibungslos. Auf eine besonders sichere Entsperrung per 3D-Scan muss man jedoch verzichten. Diese Option bieten nach wie vor nur die Top-Geräte von Apple, Google und Huawei.
Auf der Pop-up-Kamera sammelt sich schnell Staub an. Dies könnte zum Problem werden, falls der Staub ins Gerät eindringen kann (was ich nicht weiss). Wer oft Selfies macht, muss die Linse auf jeden Fall regelmässig reinigen.
Davon abgesehen funktioniert die motorisierte Pop-up-Kamera wie bereits beim Reno 5G tadellos. Ich habe sie während zweier Wochen täglich rund 50 Mal benutzt (jup, ich entsperre mein Handy offenbar ziemlich oft). Oppo behauptet, die Frontkamera sei darauf ausgelegt, 200'000 Mal aktiviert zu werden. Bei mir würde es somit nach elf Jahren kritisch. Ob sie tatsächlich beständig ist, kann nur die Zukunft zeigen.
Die Pop-up-Kamera bleibt nur geöffnet, wenn man ein Selfie macht. Fällt das Handy just in diesem Moment aus der Hand, zieht sie sich im Fallen automatisch ein. Das Video liefert allerdings den Beweis: Fällt das Smartphone aus Hüfthöhe bzw. rund einem Meter auf den Boden, reicht die Zeit knapp nicht, damit sich die Kamera vollständig einziehen kann. (Da das Reno 2 im Video auf ein 20 bis 30 cm dickes Kissen fällt, wurde es etwas über Hüfthöhe fallen gelassen.)
Knipst man ein Selfie, befindet sich das Smartphone für gewöhnlich in etwas grösser Höhe als im Video. Dann ist es wahrscheinlicher, aber nicht garantiert, dass die Pop-up-Kamera beim Aufprall komplett eingefahren ist.
Bisherige Fingerabdruck-Sensoren unter dem Display fielen vor allem dadurch auf, dass sie langsam, unzuverlässig und vor allem unsicher sind. Oppos optischer In-Display-Fingerabdrucksensor der dritten Generation ist noch immer einen Tick langsamer als konventionelle Fingerprint-Scanner. Verglichen mit Samsung, Huawei oder Nokia hat Oppo aber den mit Abstand schnellsten und vor allem zuverlässigsten In-Screen-Scanner. Bereits die Version im Reno 5G war eine Klasse besser als bei der Konkurrenz, im Reno 2 ist er gefühlt nochmals besser.
Ein kleiner Nachteil des optischen Sensors von Oppo im Vergleich zu Samsungs Ultraschall-Sensor soll nicht verschwiegen werden: Mit nassen Fingern funktioniert er nicht.
Wer Wert auf eine ordentliche Akkulaufzeit und zügiges Laden legt, macht hier nichts falsch. Der 4000-mAh-Akku ist fast gleich gross wie im doppelt so teuren Reno 5G und ganz allgemein gesagt auf Flaggschiff-Niveau. Bei meinen Testgeräten diverser Marken hält der Akku meist eineinhalb bis knapp zwei Tage. Beim Reno 2 ist die Akkulaufzeit leicht überdurchschnittlich, wenn auch nicht überwältigend.
Wichtig ist aber nicht nur die Akkugrösse, sondern auch der Verbrauch. Auch hier gibt es gute Nachrichten: Oppo hat als einer von wenigen Herstellern bereits den neuen Prozessor Snapdragon 730G verbaut, der, so scheint es, eine gute Balance zwischen Leistung und Energieverbrauch bietet.
Mit der Schnellladefunktion via USB-C hat der Akku nach einer halben Stunde am Kabel knapp genug Energie für einen Tag. Die noch immer verbreitete Angst, dass die Schnellladefunktion dem Akku schadet, ist übrigens weitgehend unbegründet. «Für Quick Charge kommen nur Smartphones mit speziell dafür entwickelten Akkus infrage», erklärt das deutsche Fachmagazin «Connect». Um den Akku zu schonen, wird die Schnellladung nach etwa 50 Prozent stetig reduziert, ab 70 bis 80 Prozent wird nur noch langsam geladen. Aus diesem Grund geben die Hersteller auch meist die Lademenge nach den ersten 30 Minuten an – und eben nicht die komplette Ladedauer.
Erwähnenswert: Die mitgelieferten, kabelgebundenen Ohrhörer sind mit die besten, die ich bislang gesehen gehört habe. Enttäuscht bin ich hingegen vom Mono-Lautsprecher. Dieser ist keine Katastrophe, aber es gibt definitiv besseres auf dem Markt.
Dem Reno 2 fehlt eine IP-Zertifizierung, die es als wasserdicht kennzeichnen würde. Ich vermute die Öffnungen für die Pop-up-Kamera und die Ohrhörer könnten diesbezüglich ein Problem sein. Denkbar wäre auch, dass sich Oppo die Kosten für die Zertifizierung sparen wollte. So oder so: Regenspritzer sind sicher kein Problem, aber Tauchgänge sollte man besser unterlassen.
Wer ein Reno 2 kauft, muss sich zudem entscheiden, ob er eine Nano-SIM-Karte plus microSD-Speicherkarte oder zwei Nano-SIM-Karten nutzen möchte. Zwei SIM-Karten plus Speicherkarte geht also nicht.
Oppos Benutzeroberfläche wirkt teils ein wenig altbacken, ist aber übersichtlich, leicht zu bedienen und bietet alle Funktionen, die man von einem Android-Gerät erwartet. Die Benutzeroberfläche lässt sich Android-typisch individualisieren und bietet diverse Navigations-Möglichkeiten.
iPhone-User, die mit einem Wechsel spekulieren, werden sich ebenfalls rasch zuhause fühlen. ColorOS sieht nicht nur wie ein iOS-Klon aus, auch fast jede Wischgeste ist von Apple abgekupfert. Fairerweise muss man sagen, dass sich Android und iOS grundsätzlich nur noch in Details unterscheiden und alle Hersteller nützliche Feature gegenseitig kopieren, was zuletzt dem User zugute kommt.
Das Handy lässt sich wie jedes andere Android-Smartphone per Navi-Buttons oder Wischgesten bedienen. Viel mehr lässt sich dazu nicht sagen, zumal Android 10 vor der Tür steht und die neue Betriebssystem-Version eine überarbeitete Wischsteuerung einführen wird.
Oppo hat Ende November ColorOS 7 basierend auf Android 10 mit einem systemweiten Dark-Mode vorgestellt. Das Reno 2 soll das Betriebssystem-Update auf Android 10 im Dezember 2019 erhalten, schreibt die Firma auf Twitter.
Das ist erfreulich, unklar ist jedoch, wie es mit den Updates weitergeht. Die Marke Reno ist noch sehr jung, es fehlen schlicht die Erfahrungswerte. Oppo baut mit die beste Hardware, aber erst die nächsten zwei, drei Jahre werden zeigen, ob die Update-Politik schritthalten kann. Wer auf Update-Sicherheit grössten Wert legt, ist wohl vorderhand bei Apple, Google oder Nokia besser aufgehoben.
Zu den Google-Apps kommen Oppos eigene Apps wie Mail, Fotos, Videos sowie ein Datei-Manager und eine simple Video-Editor-App. Auch der Opera-Browser ist bei Oppo jeweils als Alternative zu Chrome vorinstalliert.
Akku gut. Leistung gut. Kamera gut. Preis vernünftig. Das Reno 2 bietet fast alles, was man Ende 2019 von einem Spitzengerät erwarten würde. Fast, da es mutmasslich nicht wasserdicht ist, nicht kabellos lädt und 5G fehlt (letzteres bietet das kommende Reno 3 Pro 5G und das bereits erhältliche Reno 5G). Nicht empfehlen kann ich das Reno 2 allen, die ein kleines Handy möchten oder speziellen Wert auf Update-Sicherheit und den schnellstmöglichen Prozessor legen.
Klar, Prozessor-Vergleichstests werden für das Reno 2 schlechtere Werte als für ein iPhone 11 oder Galaxy S10 ausspucken. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen: In der Praxis ist das so gut wie irrelevant.
Abschliessend sei gesagt: Im gedrängten Mittelklasse-Segment den Überblick zu behalten, ist schier unmöglich. Ich werde mich daher hüten zu behaupten, das Reno 2 sei das beste Mittelklasse-Handy des Jahres (aber es ist vermutlich verdammt nah dran).
Was ich sicher sagen kann: Oppo liefert mit dem Reno 2 ein ausgewogenes Smartphone mit vielen Stärken und wenig Schwächen. Insbesondere die vielseitige Kamera macht Spass und die Bildqualität gehört mit zum Besten was Smartphones heutzutage bieten.
😁