Vor zehn Jahren machte Apple mit Google Schluss und stampfte eine eigene Karten-App aus dem Boden. Als Apple Maps herauskam, war die Begeisterung allerdings schnell verflogen und die haarsträubenden Darstellungsfehler sorgten für negative Schlagzeilen (und neue Kunstformen).
Doch Apple war zum Erfolg verdammt. Zu gross war die Abhängigkeit vom grossen Silicon-Valley-Rivalen geworden. Und viel zu wichtig war schon damals alles, was mit mobilen Kartendiensten und Geodaten zu tun hatte.
Seit 2012 hat Apple kontinuierlich Fehler behoben, Schwachstellen ausgemerzt und seine Karten-App weiterentwickelt. Und tatsächlich ist es den Kaliforniern gelungen, den Vorsprung von Google grösstenteils wettzumachen.
Neue Funktionen werden traditionell zuerst im Heimatland, den USA und weiteren grossen «Märkten» lanciert, doch nun ist endlich auch die Schweiz dran. Seit Donnerstag (15. Dezember) ist ein grosses Upgrade verfügbar.
Apple hat seinen Kartendienst technisch überarbeitet und aufgemotzt. Die App umfasst nun viel eigenes Kartenmaterial sowie neue Funktionen für die Schweiz und Liechtenstein, Belgien, Luxemburg und die Niederlande.
Das neue Apple Maps bietet unter anderem detailliertere Strasseninformationen, eine verbesserte Navigation, bekannte Sehenswürdigkeiten in 3D sowie Wegbeschreibungen «in natürlicher Sprache». Das (aus Sicht des Redaktors) spannendste Feature ist die «Look Around»-Funktion – das ist das Pendant zu Google Street View (dazu unten mehr).
Das «Rollout» startete am Donnerstag (15. Dezember). Es ist keine Aktualisierung erforderlich über den App-Store. Spätestens am Freitag sollten alle User die neuen Karten sehen und die neuen Funktionen ausprobieren können.
Im Gegensatz zu Google Maps funktioniert Apple standardmässig nicht in Webbrowsern, sondern nur als App auf Apple-Geräten (iPhone, iPad, Mac). Wer ein Android-Gerät oder Windows-Tablet nutzt, kann zwar über die datenschutzfreundliche Suchmaschine DuckDuckGo.com auf die Apple-Maps-Karten zugreifen, jedoch sind die neuen Features dort noch nicht verfügbar, wie ein Augenschein (am Freitag) ergab.
«Look Around» ausprobieren und sich umsehen. Insbesondere lohnt es sich, das eigene Zuhause und andere persönlich wichtige Adressen virtuell zu besuchen und zu schauen, ob man mit den Aufnahmen einverstanden ist.
Praktisch alle öffentlichen (befahrbaren) Strassen der Schweiz, des Fürstentum Liechtensteins und der drei Benelux-Staaten sind neu mit Apples 3D-Ansicht erkundbar. Die Funktion kann in der Karten-App über ein automatisch angezeigtes Feldstecher-Symbol aufgerufen werden.
Anders als bei Googles «Street View» wird bei der Nutzung nicht statisch von Bild zu Bild gewechselt. Die Aufnahmen in Apple Maps sind dreidimensional aufbereitet, sodass man sich mit Doppel-Tippen geschmeidig bewegen kann.
Zum Schweizer Start hat sich Apple auf die Strassenansichten fokussiert, zum Teil können aber auch schon Fussgängerzonen mit «Look Around» erkundet werden.
Apple positioniert sich auch mit Blick auf die Datenkrake Google als Unternehmen, das möglichst wenig persönliche Daten zu den Nutzerinnen und Nutzern sammelt.
Man erfasse keine persönlichen Daten, die mit der Verwendung der Karten-App in Verbindung gebracht werden können, heisst es, «ausser du sendest Informationen über ‹Bewertungen & Fotos› ein oder meldest ein Problem».
Die von Apples Kamera-Autos und mit speziellen Kamera-Rucksäcken erfassten Personen und Autonummern sind durch Verpixelung anonymisiert worden.
An den von watson besuchten Orten funktioniert das perfekt – ganz im Gegensatz zu den Anfängen von Googles «Street View», das 2009 aufgeschaltet wurde und wegen ungenügender Anonymisierungen juristischen Ärger verursachte.
Wer die Verpixelung eines Gesichts, Nummernschildes oder des eigenen Hauses beantragen will, kann sich gemäss Apple-Webseite auch per E-Mail ans Unternehmen wenden.
Apple Maps bietet eine einfach verständliche Turn-by-Turn-Navigation für Autofahrten, den öffentlichen Verkehrs (ÖV) sowie Fussgängerinnen und Fussgänger an. Für einen ausführlichen Test hat's watson (noch) nicht gereicht.
Neu sollen die Sprachanweisungen im Verkehr deutlich einfacher gehalten sein. Siri berücksichtigt den Kontext und sagt zum Beispiel: «Bei der nächsten Ampel rechts abbiegen.»
Die Velo-Navigation soll laut Apple möglichst bald folgen. Das stehe weit oben auf der Prioritätenliste, heisst es.
Auf dem iPhone und Co. werden dann Zusatzinformationen eingeblendet. In der Schweiz gibt es diese Augmented-Reality-Routen allerdings vorerst nur in den drei grossen Städten Zürich, Basel und Genf, aber zum Beispiel (noch) nicht in der Landeshauptstadt Bern, in St.Gallen oder Lugano.
Die (nicht abschliessende) Liste umfasst:
Apple verwendet nun eigenes Kartenmaterial.
Das Unternehmen hat dafür seit Sommer 2021 mit speziell ausgerüsteten Autos wiederholt Aufzeichnungen von den hiesigen Strassen und Wegen erstellen lassen. Und auch mit Kamera-Rucksäcken wurden Kartendaten erfasst.
Das neue Kartenmaterial ist seit Anfang November von ausgewählten Schweizer Usern getestet worden.
Apple führt aber auch die langjährige Kooperation mit TomTom fort, wie aus den Quellenangaben zum Kartenmaterial (und der Einblendung in der App) hervorgeht.
Ein Offline-Modus wie bei Google Maps.
In Zeiten der Klimakrise würde es Apple Maps auch gut anstehen, die sparsamsten und umweltfreundlichsten Routen anzuzeigen, so wie es der grosse Rivale bereits tut.
Für alle Apple-Geräte, auf denen die aktuelle Karten-App installiert ist: iPhone, iPad, Mac, Apple Watch, iPod Touch.
Wie watson erfahren hat, wird Apple seinen Kartendienst in den kommenden Monaten weiter ausbauen und die App mit zusätzlichem Kartenmaterial ergänzen.
Die Aufholjagd geht also weiter.