«Dass ich von Facebook und Instagram abgestraft werde, fühlt sich schrecklich an»
Ihre Fotos erreichen im Internet ein Riesenpublikum, bei Facebook und Instagram folgen ihr fast eine Million Menschen. Doch am Sonntag wies die wohl populärste Street-Art-Künstlerin im deutschsprachigen Raum auf ein Problem hin, das ihre Arbeit massiv beeinträchtige und viele Social-Media-Nutzer betrifft. Barbara schreibt*:
* Ihr fast ungekürzter offener Brief ist am Ende dieses Beitrags zu finden. Er stammt von Barbaras Facebook-Seite.
Um solche Postings geht es:
Wie die FAZ festhält, handelt es sich um harmlose Beiträge. Ein Verkehrsschild hat Barbara mit einem Bikini verziert, eine rechtsextreme Schmiererei veralbert, ebenso ein Parkverbotsschild. Die Einladung zur Feier von Hitlers Geburtstag, unterschrieben von einem Bernd H., lässt tatsächlich an den AfD-Politiker Bernd Björn Höcke denken, mehr aber auch nicht.
Barbara nimmt Stellung
Wer hinter dem Pseudonym Barbara steckt, ist nicht bekannt. watson hat via Facebook Kontakt aufgenommen und relativ beruhigende Antworten erhalten. Offenbar ist der Social-Media-Riese zurückgekrebst. Barbara schreibt uns via Chat:
Auf die Frage, ob sie einen Plan B habe, also eine alternative Plattform für Veröffentlichungen, falls ihre Arbeit weiterhin durch willkürliche Löschungen behindert werde, schreibt sie:
Barbara ist im ganzen deutschsprachigen Raum bekannt, darum liegt die Frage auf der Hand, ob sie auch mal hierzulande ein Zeichen gegen Hass und rechtsextreme Hetze setzen will.
Sie schreibt uns:
Laut Spiegel Online hat sich Facebook mittlerweile auch bei der Künstlerin entschuldigt.
Barbara hat die Kontaktaufnahme bestätigt.
Bleibt zu hoffen, dass sie ihre zum Nachdenken anregenden Botschaften, die sie heimlich im öffentlichen Raum platziert, auch weiterhin über Social-Media-Dienste mit uns teilt.
Verdächtiger Zeitpunkt
Dass Facebook ausgerechnet in den ersten Wochen des neuen Jahres gegen Veröffentlichungen der Street-Art-Künstlerin vorging, lässt Kritiker aufhorchen. Seit dem 1. Januar 2018 ist in Deutschland ein höchst umstrittenes Gesetz in Kraft: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), auch schon als Facebook-Gesetz bezeichnet.
Demnach könnten die Löschungen ein Kollateralschaden im (sinnvollen) Kampf gegen die Verbreitung von Hass-Postings sein. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht, wie der deutsche Justizminister am eigenen Leib erfuhr.
Neu müssen Facebook und andere Plattformen wie Twitter oder YouTube Beiträge, die gegen Strafbestände verstossen, innerhalb von 24 Stunden entfernen. Falls sie dies nicht tun und man ihnen systematisches Vorgehen, respektive Versagen nachweist, drohen Strafen in mehrstelliger Millionenhöhe.
Leidtragende sind Satiriker, weil Facebook und Co. kritische Inhalte nun vorschnell löschen lassen. So hat beispielsweise Twitter auch schon einen Tweet des Satire-Magazins «Titanic» gelöscht.
Nachfolgend geben wir Barbaras bei Facebook veröffentlichten Offenen Brief praktisch ungekürzt wieder:
In den letzten Wochen haben Facebook und Instagram zahlreiche Beiträge von mir gelöscht, weil sie angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen. Dabei wurde mir gedroht, dass mein Account gelöscht wird, wenn das nochmal passiert.
Es waren (aus meiner Sicht) völlig harmlose Beiträge, die sich gegen rechtsradikale Schmierereien und diskriminierende Schilderbotschaften gerichtet haben, ihr kennt meine Arbeit. (...)
Über das Löschen von Beiträgen entscheiden irgendwelche Angestellte von privaten Firmen im Auftrag von Facebook und Instagram, die im Schnellverfahren entscheiden und nicht einmal irgendwelche Gründe für das Löschen nennen.
Ich sehe die Freiheit im Internet dadurch mehr als nur bedroht, sie wird aus meiner Sicht dadurch ruiniert.
Wie soll Satire im Internet funktionieren, wenn die Satiriker dem Urteil von privaten Firmen ausgesetzt sind, die sich als Richter aufspielen.
Um das klar zu sagen: Ich bin auch der Meinung, dass etwas unternommen werden musste, um Hass und Gewaltandrohungen im Internet einzudämmen. Wenn zum Beispiel etwas strafrechtlich relevant ist, dann gibt es dafür das Strafrecht.
Aber Satire kann in den sozialen Netzwerken unter den gegebenen Umständen nur noch zensiert stattfinden.
Es beginnt schon mit der Zensur im Kopf. Ich muss mir jetzt gut überlegen, ob ich einen Beitrag poste oder nicht, denn die Gefahr, dass meine Seite komplett gelöscht wird, ist allgegenwärtig.
Das war auch vorher schon so, bezog sich aber meistens auf die Darstellung von Nacktheit, dem prüden amerikanischen Verständnis davon, dass ein weiblicher Nippel etwas Schreckliches ist, nichtmal eine stillende Mutter durfte gezeigt werden. Auch der weltberühmte David von Michelangelo durfte nicht gezeigt werden, weil man seinen Pipimann sehen konnte. (Stand sogar in den FB-Gemeinschaftsstandards).
Damit musste und konnte ich irgendwie leben, aber willkürliche Zensur meiner Arbeit durch Privatfirmen, die offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Satire haben, empfinde ich als unwürdig und es erstickt meinen Schaffenswillen im Hinblick auf die sozialen Netzwerke.
Ich kann und werde auf der Straße weiterhin meine kleinen Zettelbotschaften kleben, aber ich werde mir genau überlegen, wie ich mit dem veröffentlichen von Fotos auf Facebook und Instagram umgehe.
Beuge ich mich der Zensur und poste nur noch völlig unverfängliche Love-Messages, die keinen möglicherweise verfänglichen Interpretationsspielraum offen lassen und sende damit ein verfälschtes Gesamtbild meiner Arbeit in die Welt, oder lasse ich es ganz und konzentriere mich auf die Straße, wo ich wirklich frei bin?
Ich werde die Entwicklungen beobachten, bewerten und irgendwann eine Entscheidung dazu fällen.
Ich habe ständig versucht dem Hass im Internet mit meinen Botschaften etwas entgegenzusetzen, habe dafür super viel positives Feedback bekommen, nicht zuletzt sogar den Grimme online Award. Dass ich jetzt von den Plattformen Facebook und Instagram dafür abgestraft werde, fühlt sich schrecklich und unwürdig an. Ich liebe die Freiheit und kann auf Dauer nur dort agieren, wo ich sie leben kann.
Facebook war mal so ein Ort und ich werde genau hinschauen in welche Richtung sich das alles entwickelt.
In Liebe und der Hoffnung, dass sich die Sache zum Guten wendet,
Eure Barbara.
