Matthias Dantone, 32, Co-Gründer und CEO des ETH-Spin-offs Fashwell. Dantone hält einen Doktortitel in Computer-Vision und hat mit seinem Team Algorithmen entwickelt, die Outfits auf Fotos und Screenshots erkennen sowie Kaufvorschläge liefern. Damit landete das Startup 2017 auf Platz 30 des Top 100 Swiss Startup Awards. In der Firma arbeiten Machine-Learning-Ingenieure sowie Fashion- und E-Commerce-Experten.
... aus dem Südtirol, Italien, sitzt aber nun in einer zum Büro umfunktionierten Jugendstilwohnung am Zürcher Helvetiaplatz, direkt über einem Cabaret mit Namen Red-Rose. Hier erzählt Dantone von den Anfängen seines Unternehmens und wie ihn seine Sneaker-Obsession (er besitzt über 150 Sportschuhe) zum erfolgreichen Firmengründer gemacht hat: «Immer wenn ich auf Fotos in Magazinen, auf Instagram oder auf der Strasse coole Schuhe gesehen habe, wollte ich sie haben und ärgerte mich, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich sie kaufen kann.» Nach vielen Gesprächen mit Freunden war er überzeugt, mit der Lösung dieses Problems eine Marktlücke zu bedienen.
... mit seinen 15 Mitarbeitern nun Algorithmen, die Kleidungsstücke auf Bildern erkennen. Diese Technologie lizenziert sein Start-up an Retailers, Marken und Fashion-Magazine. «Zu unseren Kunden zählen Bonprix, InStyle und Zalando.» Der deutsche Online-Modegigant investiert seit 2014 in Fashwell. Seither können Zalando-Nutzer Kleidungsstücke mit der Smartphone-Kamera erkennen lassen – und dann die gleichen oder ähnliche Klamotten bestellen.
Die Fashwell-Algorithmen üben sich auch als Stylisten: Sie geben Tipps ab, womit man ein gewisses Kleidungsstück am besten kombiniert. «Dazu analysiert die Technologie die Warenkörbe vorheriger Kunden», erklärt Dantone.
... von seinen Programmen, dass sie sich selbst etwas beibringen. «Machine Learning» nennt sich das. In der Anfangszeit von Fashwell waren Dantone und sein Team hauptsächlich damit beschäftigt, die Software mit Daten zu füttern; also tausende von Bildern und Kriterien hochzuladen. «Viele der beteiligten Geeks wissen nun besser was eine Chloé-Handtasche ausmacht als so mancher Fashionista», grinst Dantone. Anhand dieses grossen Datenkorpus' erkennt die Technologie heute Muster selbst und kann auch unbekannte Daten wahrnehmen, analysieren und filtern. «Heute haben viele unserer Algorithmen ein besseres Stilgefühl als wir.»
... die Zukunft rosig. Fashwell ist zwar nicht die einzige Firma mit schlauen Algorithmen zur Kleidererkennung auf dem Markt, doch jene mit der höchsten Genauigkeit in der Produkterkennung. Das Startup hat seit 2014 diverse Awards gewonnen und sogar das renommierte Wirtschaftsmagazin Forbes berichtete über die Firma, die die «visuellen Ansprüche der Modebranche und ihren Konsumenten löst».
Mit Zalando im Kundenstamm gelang den Zürchern ihr erster grosser Coup. In den nächsten Wochen wird ein führender multinationaler Modekonzern die Zusammenarbeit mit Fashwell ankündigen. Ausserdem haben Dantones Algorithmen fleissig dazugelernt: Bald ist eine Zusammenarbeit mit einem grossen Schweizer Möbelunternehmen geplant.
Um der rapiden Entwicklung nachzukommen, hat das Start-up im Frühjahr ein Büro in New York eröffnet. «Ein Standort im Zentrum der Mode und Modetechnologien wurde nötig», so Dantone. Denn er hat eine grosse Vision: In Zukunft sollen wir unsere Wunsch-Produkte finden, indem wir nach einem Bild suchen. Die Textsuche will er bis zum Jahr 2020 überflüssig machen.
... mit allen mithalten. Zu Dantones Job gehören Meetings mit Luxuslabels – und dort trifft er Stil auf höchstem Niveau. «Wenn du mit einem Louis-Vuitton-Manager lunchen gehst, kannst du es vergessen, so elegant wie er gekleidet zu sein. Das schaffst du nie.» Anstatt es zu versuchen, bleibe ihm seine Authentizität. «Ich ziehe dann wie immer Shorts und ein unifarbenes T-Shirt an.»
Trotz simplem Outfit würde ihn die Branche ernst nehmen, sagt Dantone. Denn besonders Labels im Luxussegment hätten ein Interesse daran, ihre Produkte schnell zu verkaufen. «Oft bleibt eine Handtasche nur eine Saison lang im Sortiment. Da ist es wichtig, dass Interessierte sofort wissen, wo sie die Tasche shoppen können.»
Ausserdem nehmen sich viele Menschen Stars als Stil-Vorbild. «Tragen diese auf einem Foto ein Kleidungsstück der Marke XY, wird dieses schnell zum It-Piece, das sich verkauft wie warme Brötchen – vorausgesetzt, die Kunden wissen, von welchem Modehaus das Teil stammt.»
... dass Mode und Informatik keine unvereinbaren Begriffe sind. Und wer denkt, die Technologie begeistere in erster Linie Frauen, liegt auch falsch. Analysen zeigten, dass gleich viele Frauen und Männer die Bildsuche brauchen, sagt Dantone. Unterscheiden würden sich die zwei Geschlechter hingegen im Kaufverhalten: «Während Frauen oft nur das gesuchte Produkt in den Warenkorb legen, kaufen Männer kurzerhand das ganze Outfit, dass das Model des Kleiderhändlers trägt.»
... dass er beim Lesen stottert. Zum Prompter oder Spickzettel greift er bei Vorträgen an Tech-Events deshalb nicht.