Ende Juni schwor Facebook seine Mitarbeiter auf «ernste Zeiten» und «heftigen Gegenwind» ein. Änderungen beim Datenschutz würden sich spürbar auf das Anzeigengeschäft auswirken.
Die düstere Prognose hat sich bewahrheitet.
Mark Zuckerbergs Meta-Imperium bestehend aus Facebook, Instagram und WhatsApp schwächelt. Zum ersten Mal überhaupt muss Meta einen Umsatzrückgang hinnehmen. Konjunkturängste, starke Konkurrenz durch TikTok und Apples strengere Datenregeln für iOS-Apps entfalten Wirkung.
Zuckerbergs Problem: App-Entwickler wie Facebook müssen iOS-User seit einiger Zeit ausdrücklich um Erlaubnis fragen, wenn sie ihre Aktivitäten quer über verschiedene Apps hinweg nachverfolgen wollen, um ihnen massgeschneiderte Werbung anzuzeigen. Viele Nutzer lehnen dies ab und das trifft Meta – aber auch kleinere Werbeplattformen – ins Mark.
Im Februar sagte Zuckerberg voraus, dass Apples Datenschutz-Offensive Meta allein in diesem Jahr 10 Milliarden Dollar Umsatz kosten werde. Der Konzern verlor darauf auf einen Schlag rund ein Viertel seines Werts und der Aktienkurs ist in der Zwischenzeit weiter gefallen.
Apples Tracking-Schutz bekommen Meta, aber auch Snapchat und viele andere mit voller Wucht zu spüren. Ihr Hauptproblem: Da sie weniger Daten erhalten, können sie ihre Werbekunden weniger genau über die Erfolgsquote der geschalteten Anzeigen informieren.
Fast zeitgleich mit der Einführung der neuen Datenschutz-Regelung begann Apple damit, das eigene Werbegeschäft im App Store auszubauen. App- und Spiele-Anbieter schalten dort Werbung, um auf ihre Anwendungen aufmerksam zu machen.
Werbetreibende setzen für App-Werbung im App Store vermehrt auf Apples Werbenetzwerk, da Apple nun die besseren Daten als die Werbenetzwerke von Google, Meta und Co. liefert. Analysten gehen deshalb davon aus, dass Apple im laufenden Jahr bereits fünf Milliarden Dollar mit Werbung einnehmen wird und dass dieser Wert bis 2026 auf 20 Milliarden anwachsen könnte, sofern Apple sein Werbenetzwerk weiter ausbaut. Der grosse Leidtragende dürfte Meta sein.
Apples Datenschutz-Regelung «App Tracking Transparency» (ATT) habe den Rest der Werbeindustrie im iOS-Universum «blind» gemacht, konstatierte die «Financial Times» bereits im Oktober 2021. Apple habe den Markt für App-Werbung in kürzester Zeit komplett umgekrempelt. Analyst Ben Thompson von Stratechery sprach von einem der «atemberaubendsten wettbewerbsfeindlichen Schachzüge in der Tech-Geschichte».
Als Hintergrund: Vor Jahren haben Apple und Google mit den gerätebezogenen Werbe-IDs in iOS und Android, die Tracking über sämtliche Apps hinweg ermöglichen, das perfekte Werkzeug für Meta, alle anderen Werbeplattformen und sich selbst erschaffen. Nun erschweren sie den Rivalen das Tracking, verkaufen dies der Öffentlichkeit und der Politik als Datenschutz-Massnahme – was grundsätzlich stimmt – und stärken so nebenbei ihre eigene Position im Werbemarkt.
Kaum.
Apple stört Metas Werbegeschäft massiv, völlig zerstören ist aber illusorisch.
Erstens ist es ja nicht so, dass Meta keine eigenen Ressourcen hätte. Schliesslich gehören Zuckerberg Plattformen wie Facebook, Instagram, WhatsApp und Messenger mit Milliarden Nutzern. Solange Meta in der Lage ist, diese Nutzerdaten zu erfassen und zu monetarisieren, wird es eine wichtige Werbeplattform bleiben.
Zweitens vergessen wir nicht: Metas Werbe-Tracker sind in Hunderttausenden Webseiten, ja auch in dieser, integriert. Wenn also Apple und bald auch Google gegen App-Tracking vorgehen, erhält Meta weniger Daten. Das hindert den Social-Media-Giganten nicht, auch künftig zielgerichtete Werbung zu verkaufen. Metas Problem ist eher, dass es seinen Werbekunden weniger gute Daten liefern kann, wie effektiv die Werbung ist.
Drittens wäre es naiv zu glauben, dass Apple und Google Tracking auf ihren Plattformen völlig unterbinden und auf das milliardenschwere Werbegeschäft verzichten. Das bedeutet, dass auch ein Stück vom Kuchen für Meta und weitere Werbenetzwerke abfällt.
Für Meta, Snapchat und Co. wird die Luft dünner und ihr Geschäftsmodell könnte bald noch etwas schwieriger werden: Google plant für Android eigene Massnahmen, die App-Anbietern das Sammeln von Nutzerdaten einschränkt. Wer profitiert davon? Die User – und natürlich Google.
Google und Apple sind die einzigen relevanten Anbieter mobiler Betriebssysteme und sie haben jedes Interesse, auf ihrer jeweiligen Plattform das dominante Werbenetzwerk zu bleiben (Google), respektive zu werden (Apple).
Die Tech-Giganten spüren seit geraumer Zeit den Atem der Datenschutzbehörden im Nacken. Apple und Google versuchen daher, personalisierte Werbung und Datenschutz unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig ist das Einschränken von App-Tracking die ideale Gelegenheit, die Konkurrenz zurückzubinden und sich einen Wettbewerbsvorteil im Werbemarkt zu verschaffen. Dies wiederum ruft die Wettbewerbshüter auf den Plan, da Apple und Google selbst im Werbegeschäft tätig sind.
Die Kartellbehörden in mehreren Ländern untersuchen derzeit, ob Apple und Google ihre Marktmacht missbrauchen, sprich versuchen, Konkurrenten wie Meta auszuschalten. Apple und Google beteuern, es gehe bei den Anti-Tracking-Massnahmen nicht um den eigenen Vorteil, sondern darum, den Wunsch nach Privatsphäre zu erfüllen.
Daran zweifeln Kartellwächter und natürlich Rivalen wie Meta. Sie werfen Apple vor, dass sich der Konzern von den Anti-Tracking-Regeln ausnehme. Apple bestreitet dies.
Mit ein Grund für die Skepsis waren solche Warnhinweise von Apple.
Dies zeigt beispielhaft Apples Macht. Tim Cook lässt Mark Zuckerberg ins offene Messer laufen.
Als User muss man sich dennoch bewusst sein. Die Quasi-Monopolisten Apple und Google schränken Meta und die übrigen Werbeplattformen wohl kaum einfach aus Sorge um die Privatsphäre ein. Es geht darum, ein Werbegeschäft zu erhalten, das möglichst viel Geld in die eigene Tasche fliessen lässt und doch von der Gesellschaft akzeptiert wird. Dies, indem man das grenzenlose Tracking, das man selbst jahrelang ermöglicht hat, anderen App-Anbietern erschwert.
Man könnte auf den ersten Blick meinen, dass sich Apple für den Datenschutz seiner Kunden einsetzt, aber sie machen das genau gleiche mit ihren Produkten.
Wahrscheinlich muss die EU wieder mal regulierend eingreifen, damit wir wenigstens in Europa nicht ganz gläsern werden.