Die Bilder des Flughafens in Kabul kommen vielen Menschen in den Kopf, wenn sie an die Krisen im Jahr 2021 denken: Tausende Menschen, die zu fliehen versuchten, während die Taliban die afghanische Hauptstadt eroberten. Doch kurz nach dem vollständigen Abzug der westlichen Soldaten verschwand das Land weitgehend aus den Weltnachrichten. Es war wie so oft: Gewöhnt man sich an eine Krise, schaut bald kaum noch jemand hin.
Das Leid aber bleibt, wie der neue Report «Suffering in Silence» der Hilfsorganisation «Care» zeigt. Care wertet jedes Jahr aus, welche zehn Krisen im vergangenen Jahr am stärksten in Vergessenheit geraten sind. «Natürlich kann der Report nur einen Trend in der Berichterstattung aufzeigen», heisst es dazu in dem Bericht. Er gebe aber Aufschluss über die globale Aufmerksamkeit, die humanitären Krisen in den weltweiten Online-Medien zukommt.
Bandenkriminalität gehört in dem lateinamerikanischen Land zum Alltag, seit Jahren gibt es hier eine der höchsten Mordraten. Auch die Korruption verunsichert die Einwohner. Immer mehr Menschen, oft Männer, verlassen das Land in Richtung USA, Frauen und Kinder bleiben zurück. Sie sind nicht nur überdurchschnittlich von Armut betroffen, sondern auch von Gewalt: Honduras gilt als eines der gefährlichsten Länder für Frauen.
Von einer traurigen Premiere spricht Care. Das südafrikanische Land ist zum ersten Mal auf der Liste. Wie sein Nachbarland Sambia ist Simbabwe hart von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Die Ernte reicht in vielen ländlichen Gebieten nicht mehr für die Grundversorgung. In den Städten verloren viele in der Corona-Pandemie ihr Einkommen. Gleichzeitig stiegen die Nahrungspreise. Die Folge: 5,7 der knapp 15 Millionen Einwohner fehlt es an Nahrung.
«Es ist ein schweres Leben. Das Essen ist jeden Tag knapp», sagt eine Frau den Helfern von Care. Für sie reicht es nur für eine Mahlzeit am Tag. Die Ernährungskrise trifft auch die Kinder: Fast die Hälfte der Unter-Fünf-Jährigen ist chronisch unterernährt. Die Gründe sind auch hier abwechselnde Dürren und Überschwemmungen sowie bewaffnete Konflikte. Letztere trieben mehr als 300'000 Menschen in dem Land auf die Flucht.
Extremwetter, Unruhen, Flucht und Hunger: Die Ursachen für die unsichere Lage in Burundi sind besonders vielfältig. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung leben von einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft, doch der Klimawandel schädigt immer weitere Teile. Immer mehr Menschen müssen wegen Dürren, Überflutungen und Erdrutschen ihre Wohnorte verlassen. Jeder Sechste leidet unter Hunger – noch mehr sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
2016 wurde nach fünf Jahrzehnten Bürgerkrieg Frieden geschlossen, auch wirtschaftlich geht es dem Land immer besser. Doch die Corona-Pandemie hat hier eine Ernährungskrise ausgelöst, von der vor allem indigene Gruppen und die 1,8 Millionen Geflüchteten aus dem Nachbarland Venezuela betroffen sind. Zudem sind besonders viele Frauen von Gewalt bedroht. Eine Umfrage von Care in der abgelegenen Stadt Ocana zeigte, dass zwei von drei Frauen körperlich misshandelt wurden.
Zwar hat das kleine mittelamerikanische Land eine starke Volkswirtschaft, doch die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind enorm. Das Land gilt als besonders unsicher: Die Mordrate ist im internationalen Vergleich sehr hoch, Tendenz steigend. Auch Migranten auf dem Weg in die USA werden immer wieder Opfer krimineller Banden. Seit 2015 sorgen zudem Dürren für Ernteausfälle, die eine grosse Nahrungsmittelkrise ausgelöst haben.
Überfälle, Entführungen und Menschenrechtsverletzungen: Seit 2012 herrscht hier ein Bürgerkrieg, zahlreiche Menschen sind auf der Flucht. Zwar einigten sich Regierung und Rebellen im Oktober auf einen Waffenstillstand. Bei vorherigen Versuchen aber wurde die Hoffnungen auf Frieden immer wieder zerstört. Die Corona-Krise und Nahrungsknappheit erschweren das Leben zusätzlich. Kinderarbeit ist weit verbreitet, im Schnitt gehen sie weniger als vier Jahre in die Schule.
40'000 Menschen fliehen pro Jahr aus ihren Heimatorten in andere Teile des Landes, weil der Klimawandel ihre Lebensgrundlage zerstört. Zwar gebe es Massnahmen, um sich anzupassen – jedoch können sich die meisten Menschen das nicht leisten. Fast 70 Prozent leben von weniger als 2 Franken pro Tag. Die Dürren, Überflutungen und verheerenden Wirbelstürme verschärfen zusätzlich die Ernährungssituation. Bereits jetzt sind fast 40 Prozent der Kinder unter fünf Jahren unterernährt.
Eine 420 Kilometer lange «Kontaktlinie» trennt in der Ostukraine das von der Regierung kontrollierte Gebiet von dem der pro-russischen Separatisten. An dieser Linie ist das Leben besonders gefährlich: Landminen, Rückstände von Kriegsmunition und Schusswechsel bringen die Menschen täglich in Lebensgefahr – und es gibt kaum mehr Möglichkeiten, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Mehr als 3,4 Millionen Menschen sind nach Schätzungen der UN auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Der südafrikanische Staat ist bekannt für die beeindruckenden Victoria-Wasserfälle an der Grenze zu Simbabwe. Dennoch leidet das Land unter langanhaltender Dürre. Mehr als 1,2 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen – fast sieben Prozent der Bevölkerung. Die steigenden Nahrungsmittelpreise und Einkommensverluste wegen der Corona-Krise verschärfen das Problem.
Die Hilfsorganisation Care wurde 1945 in den USA gegründet, um die europäische Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg zu versorgen. Heute setzt sie sich für Menschen in mehr als einhundert Ländern weltweit ein.
Noch nicht.