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Vermasselt Israel Kamala Harris den Sieg?

Vermasselt Israel Harris den Wahlsieg? Kamala Harris vor Israelflagge mit Wahlplakat von Benjamin Netanyahu im Hintergrund
Im Fokus: Kamala Harris und Benjamin Netanjahu.Bild: watson/keystone
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Vermasselt Israel Kamala Harris den Sieg?

Es läuft gut für die Vize-Präsidentin, doch Benjamin Netanjahu könnte ihr einen Strich durch die Rechnung machen.
24.09.2024, 10:07
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Kamala Harris hat eine weitere gute Woche hinter sich. Die Fed hat die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte gesenkt. Für die Demokraten ist dies gleichbedeutend mit Manna vom Himmel. Auch die jüngsten Umfragen zeigen, dass das Momentum nach wie vor bei Harris liegt. In einer Umfrage der TV-Station NBC liegt sie nun fünf Prozentpunkte vor Donald Trump. Selbst wenn diese Umfrage – da national – mit Vorsicht zu geniessen ist, dürfte sie die Nerven der Demokraten beruhigen.

Ist somit alles im grünen Bereich? Nicht ganz. Die grösste Gefahr für Harris stellen derzeit nicht Trump und die Grand Old Party dar, sondern Benjamin Netanjahu und seine rechtsradikalen Minister Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich. Sie schüren weiterhin der Krieg im Nahen Osten und sorgen so dafür, dass dieses Pulverfass in die Luft fliegen könnte.

FILE - Israeli right wing Knesset member Itamar Ben Gvir, left, and Bezalel Smotrich look on during the swearing-in ceremony for Israeli lawmakers at the Knesset, Israel's parliament, in Jerusale ...
Die beiden rechtsextremen Scharfmacher in der israelischen Regierung: Itamar Ben Gvir (links) und Bezalel Smotrich.Bild: keystone

Eine Ausweitung des Krieges im Nahen Osten hätte für Harris gleich doppelt negative Folgen. Zunächst würde das einmal mehr den Ölpreis in die Höhe treiben und damit auch den Benzinpreis. Damit würde der Erfolg im Kampf gegen die Inflation der Biden-Regierung und der amerikanischen Notenbank wieder weitgehend zunichtegemacht. «Es würde Trump auch die perfekte Gelegenheit bieten, zu argumentieren, dass unter Joe Biden und Harris die Welt in Flammen aufgeht», stellt Edward Luce in der «Financial Times» fest.

So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass die Biden-Regierung alles daran setzt, eine Ausdehnung des Konflikts im Nahen Osten zu vermeiden. Die USA warnen jetzt Israel öffentlich davor, sich auf einen offenen Krieg mit der Hisbollah im Libanon einzulassen. John Kirby, der Sprecher des nationalen Sicherheitsrats, hat in einem Interview mit dem TV-Sender ABC betont, dass es bessere Mittel als den Krieg gebe, um den aus den Grenzgebieten evakuierten Bürgern Israels die Möglichkeit zu verschaffen, wieder nach Hause zu gehen. Es handelt sich dabei um rund 60’000 Menschen.

«Wir sind nicht der Meinung, dass ein militärischer Konflikt im besten Interesse Israels ist, und wir teilen dies der israelischen Regierung auch mit», so Kirby. Auch der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin betonte einmal mehr, wie wichtig eine diplomatische Lösung des Konflikts sei.

epa11619381 Mourners carry the coffin of commander of Hezbollah Ibrahim Akil, who died in an Israeli strike on 20 September, during the funeral procession in Beirut, Lebanon, 22 September 2024. At lea ...
Demonstranten mit dem Sarg des von Israel getöteten Hisbollah-Führers Ibrahim Akil. Bild: keystone

Ob die Amerikaner damit Erfolg haben, ist jedoch zweifelhaft. Premierminister Netanjahu hat ein grosses Interesse daran, den Krieg zu schüren, denn ein Frieden würde wahrscheinlich auch bedeuten, dass er seinen Job los sein und eventuell gar ins Gefängnis wandern würde. Nach wie vor ist gegen ihn ein Strafverfahren wegen Korruption im Gange. Aktionen wie die jüngsten Pager-Explosionen kommen in der Bevölkerung auch gut an.

Netanjahu befindet sich zudem in Geiselhaft seiner rechtsextremen Minister Ben Gvir und Smotrich. Beide verfolgen hartnäckig ihr Ziel, die Palästinenser aus dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland zu vertreiben und die Araber in Israel zu entmündigen. Will Netanjahu an der Macht bleiben, ist er auf die Unterstützung der beiden angewiesen; und die beiden Rechtsextremisten haben bereits mehrfach bewiesen, dass sie weder auf die Interessen der USA noch auf die Meinung der Weltöffentlichkeit Rücksicht nehmen.

Innenpolitisch hingegen können die Demokraten davon profitieren, dass Trump die Republikaner immer mehr ins Chaos stürzt. «Wir haben ein Übermass an wilden Storys in jeden News-Zyklus», stöhnt David Kochel, ein langjähriger Wahlstratege der GOP in der «New York Times». «Die Menschen sind überwältigt und können den politischen Ereignissen nicht mehr folgen.»

Das kann man laut und zweimal sagen. Hier die wichtigsten Ereignisse der letzten Tage im endlosen Chaos der Republikaner:

  • Der Skandal um Mark Robinson weitet sich aus. Der Mann, der Gouverneur von North Carolina werden will und dabei von Trump unterstützt wird – wenigstens vorläufig noch –, wird beschuldigt, auf einer schwarzen Pornoseite Posts abgesetzt zu haben, in denen er sich als «schwarzen Nazi» rühmt und die Wiedereinführung der Sklaverei begrüsst. Inzwischen hat sich bis auf den Leibwächter sein gesamtes Wahlkampf-Team verabschiedet. Doch Trump hält weiter zu Robinson und gefährdet damit einen Sieg im Bundesstaat North Carolina, den er vor vier Jahren nur knapp gewonnen hat.
  • Der Skandal um Robinson reiht sich nahtlos an denjenigen um die rechtsextreme Aktivistin Laura Loomer. Trump hatte die 9/11-Leugnerin ausgerechnet an eine Gedenkfeier dieses Attentats mitgeschleppt.
  • Sollte er die Wahlen verlieren, wären die Juden daran schuld, erklärte Trump jüngst an einer Wahlkampfveranstaltung. Diese antisemitische Äusserung ist sehr schlecht angekommen, ebenso die Äusserung «I HATE TAYLOR SWIFT», die Trump auf seiner Plattform Truth Social gepostet hat.
  • Obwohl der republikanische Bürgermeister von Springfield und der republikanische Gouverneur des Bundesstaates Ohio Trump beschwören, nicht in die Kleinstadt zu kommen und seine absurde Behauptung zu wiederholen, wonach Immigranten aus Haiti Haustiere verzehren würden, hält der Ex-Präsident an diesem Plan fest und leitet damit einen weiteren Skandal ein.

Damit hat Trump erreicht, was seine Wahlstrategen vermeiden wollten. Er wird wieder zum Mittelpunkt des Wahlkampfes. «Er hat überproportional davon profitiert, dass die Menschen die schlimmen Dinge seiner ersten Amtszeit vergessen und sie durch die rosarote Brille betrachtet haben», stellt Navin Nayak, ein Wahlstratege der Demokraten, in der «New York Times» fest. «Jetzt werden die Menschen wieder daran erinnert, weshalb sie ihn gefeuert haben.»

Während Trump immer weiter im Loch versinkt, das er selbst gegraben hat, könnte ihm Netanjahu eine rettende Leiter zur Verfügung stellen. Im schlimmsten Fall zieht der Ex-Präsident wieder ins Weisse Haus ein, weil der israelische Premierminister einen grossen Krieg im Nahen Osten anzettelt.

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139 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dom_audio
23.09.2024 12:05registriert September 2021
Das wäre die grösst mögliche Katastrophe. Der eine Verbrecher, der gerade Regierungschef ist, verhilft dem anderen Verbrecher zur erneuten Präsidentschaft.
Das absolute Horrorszenario!!
20035
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Tugium
23.09.2024 12:15registriert Oktober 2017
Einfach mal aufhören Waffen nach Israel zu liefern, dann lenkt Bibi schnell ein.
Kann ja nicht sein, dass er den nahen Osten ins Chaos stürzt nur um sich an der Macht zu halten😒
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JonSerious
23.09.2024 12:10registriert Februar 2015
Biden/Harris müssten mehr als nur mahnende Worte finden. Sie müssten Netanjahu klar machen, dass es bei einer weiteren Eskalation fertig wäre mit der US-Unterstützung. Aber das wird nicht passieren.
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