Ohio ist eine Art USA im Kleinformat. Auch deshalb war der Bundesstaat im Nordosten bei nationalen Wahlen lange der Swing State schlechthin. Wer in Ohio gewann, zog fast sicher ins Weisse Haus ein. Barack Obama schaffte das zweimal knapp, doch in letzter Zeit ist Ohio nach rechts abgedriftet. Donald Trump besiegte Joe Biden 2020 klar.
Manche Demokraten hatten Ohio schon aufgegeben. Seit Dienstag müssen sie über die Bücher. Anlass war eine Volksabstimmung, bei der es indirekt um ein Thema ging, das die USA seit einem Jahr bewegt wie kaum ein anderes: den Schwangerschaftsabbruch. Sie bescherte dessen Befürwortern einen spektakulären, national beachteten Erfolg.
Im Juni 2022 hatte die konservative Mehrheit des Obersten Gerichtshofs in Washington ein fast 50 Jahre altes Urteil aufgehoben, das Abtreibungen landesweit legalisiert hatte. Die Republikaner reagierten sofort und erliessen in den von ihnen beherrschten Bundesstaaten reihenweise Gesetze, die das Abtreibungsrecht massiv einschränkten.
So auch in Ohio, wo heute Aborte bis zur 22. Schwangerschaftswoche erlaubt sind. Das neue Gesetz will die Frist auf sechs Wochen verkürzen, wenn viele Frauen noch nicht wissen, dass sie schwanger sind. Es ist durch eine Klage blockiert. Gleichzeitig wurde eine Volksinitiative eingereicht, die die heutige Regelung in der Verfassung verankern will.
Damit wäre sie vor Anfechtungen politischer und juristischer Art geschützt. Über die Initiative wird im November abgestimmt. Die Republikaner, die in Ohio Regierung und Parlament kontrollieren, wollten dem Votum zuvorkommen. Sie liessen das Stimmvolk am Dienstag über eine Vorlage abstimmen, die für Verfassungsänderungen ein Quorum von 60 Prozent verlangt.
Umfragen in Ohio zeigen, dass die Abtreibungs-Initiative von einer Mehrheit des Stimmvolks befürwortet wird, aber die 60-Prozent-Marke verfehlen dürfte. Die Vorlage der Republikaner war somit ein Trick, um die Abtreibungsbefürworter auszubremsen. Und um die Trickserei noch zu steigern, beschlossen sie einen Abstimmungstermin mitten im Hochsommer.
Sie erhofften sich damit eine niedrige Stimmbeteiligung. Doch wie schon vor einem Jahr bei einer ähnlichen Abstimmung im Bundesstaat Kansas ging der Schuss nach hinten los. Die Beteiligung war höher als erwartet und die 60-Prozent-Vorlage wurde mit 57 Prozent Nein abgelehnt. Damit gilt die Annahme der Abtreibungs-Initiative im November als gesichert.
Das Votum in Ohio sorgte bei den Demokraten für Begeisterung. «Es gab einige Bedenken, ob Abtreibungen als Motivation weniger wirksam sind – das ist definitiv nicht der Fall», sagte die demokratische Meinungsforscherin Celinda Lake der «Washington Post». Das Thema sei ein Erfolgsrezept, um die Wählerschaft im nächsten Jahr zu mobilisieren, meinte sie.
Bei den Republikanern herrscht deswegen Alarmstimmung. Die Abtreibungsfrage sei «Raketentreibstoff» für Joe Bidens Kampagne, sagte Bill Stepien, ein ehemaliger Wahlkampfleiter von Donald Trump, auf Fox News. Abtreibungsgegner hingegen fordern die Partei nach dem Motto Augen zu und durch auf, jetzt erst recht für mehr und härtere Verbote zu kämpfen.
Es ist ein fast auswegloses Dilemma für die Republikaner. Lockern sie ihre Haltung in der Abtreibungsfrage, vergraulen sie einen erheblichen Teil ihrer Basis. Bleiben sie hart, treiben sie gemässigte Wähler und vor allem Wählerinnen in die Arme der Demokraten. Denn für viele Frauen geht es ums Prinzip: das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper.
Die Präsidentschaftskandidaten der Partei vollführen bei diesem Thema deshalb einen Eiertanz. Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, unterzeichnete ein Gesetz, das Abtreibungen in seinem Bundesstaat ab der sechsten Schwangerschaftswoche verbietet, am späten Abend hinter verschlossenen Türen. Nur ja kein Aufsehen erregen.
Ex-Präsident Donald Trump, dessen drei Ernennungen für den Supreme Court das Urteil vom letzten Jahr erst ermöglicht hatten, duckt sich beim Schwangerschaftsabbruch weg, so gut er kann. Eine zu harte Haltung in der Abtreibungsfrage mache es für die Republikaner «sehr, sehr schwer, eine Wahl zu gewinnen», klagte er gemäss der «New York Times».
Immer mehr zeigt sich, dass der Oberste Gerichtshof den Republikanern mit seinem Urteil einen Pyrrhussieg beschert hat. Während die faktische Delegierung des Abtreibungsrechts in die Kompetenz der Bundesstaaten den Demokraten unerwartete Möglichkeiten eröffnet. Das gilt besonders für jene 18 US-Gliedstaaten, in denen Volksinitiativen möglich sind.
Neben Ohio gehören dazu unter anderem Arizona und Florida. In beiden Staaten befinden sich Volksinitiativen in der Pipeline. Jene in Arizona, wo Joe Biden 2020 unter denkwürdigen Umständen gesiegt hatte, wurde am Dienstag lanciert. Ziel ist eine Abstimmung im November 2024, zeitgleich mit der Präsidentschafts- und der Kongresswahl.
Die Wahlarithmetiker bei den Demokraten reiben sich die Hände. Können sie Arizona halten und vielleicht sogar Ohio und Florida zurückholen, die beide zunehmend nach rechts tendierten, hätten sie die Präsidentschaftswahl praktisch sicher gewonnen. Auch im Senat, wo sie einige wackelige Sitze verteidigen müssen, könnten sie mit Abtreibungen punkten.
Schon bei den Zwischenwahlen im letzten November waren sie ein wesentlicher Faktor, warum die in den Umfragen vorhergesagte «rote Welle» für die Republikaner ausgeblieben war und die Demokraten viel besser abschnitten als erwartet. Nun spricht so gut wie alles dafür, dass sich dieser Trend bis zu den Wahlen 2024 fortsetzen wird.
Daran ändern auch die vor allem in Europa stark beachteten Umfragen nichts, die Donald Trump gleichauf mit Joe Biden zeigen. Denn sie erfassen die Bedeutung des Themas Schwangerschaftsabbruch nicht oder zu wenig. Es könnte am Ende wichtiger sein als die Bedenken wegen Joe Bidens Alter. Und wichtiger als Donald Trumps Prozesse.
Wir haben uns zwar für unser Kind entschieden aber es hätte auch in die ‚andere Richtung‘ gehen können.
Ein Kind ist eine grosse Verantwortung und ich finde es besser das Kind nicht zu bekommen als dazu gezwungen zu werden und danach in grosse Schwierigkeiten zu geraten.
Ich würde sowieso die Demokraten wählen und in dem Punkt wäre es noch ein Grund mehr …
„Sei vorsichtig, was Du Dir wünschst, es könnte Dir erfüllt werden.“