Ohne Feindbilder geht bei Donald Trump nichts. Die Brics-Staaten nehmen dabei eine Art Ehrenplatz ein. Sie wollen die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom US-Dollar als Leitwährung überwinden, was den US-Präsidenten triggert. Kurz nach seiner Vereidigung im Januar drohte er ihnen mit Zöllen bis 100 Prozent, falls sie an diesem Plan festhalten.
Zum diesjährigen Brics-Gipfel am Sonntag und Montag im brasilianischen Rio de Janeiro legte Trump nach. Auf Truth Social drohte er jedem Land, das sich «der antiamerikanischen Politik der Brics anschliesst», mit einem zusätzlichen Zoll von zehn Prozent. Zuvor hatten die Brics «ernsthafte Bedenken» gegen Trumps Handels- und Zollpolitik geäussert.
Trumps Furor wirkt wie so oft überzogen. Im Prinzip ist die 2009 von Brasilien, Russland, Indien und China gegründete Gruppe (2011 kam Südafrika hinzu) ein mächtiger Player. Sie repräsentiere mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, wie Brasiliens Präsident Lula da Silva zur Eröffnung des Gipfels betonte.
Am letztjährigen Treffen im russischen Kasan stiessen Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate hinzu. Dieses Jahr folgte Indonesien. Saudi-Arabien ist eingeladen, hat seine Mitgliedschaft aber nicht formalisiert. Auf dem Papier ist es eine beeindruckende Ansammlung gewichtiger Staaten vor allem aus dem Globalen Süden.
Die Brics verstehen sich als Gegengewicht zu westlich dominierten Bündnissen wie den G7. Sie streben eine «multipolare» Weltordnung an, in der nicht mehr die USA als Hegemon den Ton angeben. Soweit die schöne Theorie. In der Realität kämpfen die Brics-Staaten oft mit sich selbst. «Die Luft ist raus aus den Brics», meint der «Spiegel» etwas polemisch.
Das äussert sich durch gewichtige Absenzen in Rio. Im Fall von Wladimir Putin ist dies nachvollziehbar. Brasilien anerkennt den Internationalen Strafgerichtshof und müsste den zur Verhaftung ausgeschriebenen russischen Machthaber festnehmen und nach Den Haag ausliefern. Doch auch Xi Jinping nimmt erstmals nicht persönlich an einem Brics-Gipfel teil.
Der chinesische Staatschef hat stattdessen Ministerpräsident Li Qiang nach Südamerika geschickt. Über die Gründe für Xis Fernbleiben wird gerätselt. Die Vermutung liegt nahe, dass er keine grossen Erwartungen an das Treffen hatte und deshalb gar nicht anreisen wollte. Dabei gilt China als treibende Kraft dieser vermeintlichen Alternative zum Westen.
Die Neuzugänge aber machen sie nicht schlagkräftiger, im Gegenteil. «Die vielen Mitgliedstaaten blockieren sich selbst», so der «Spiegel». Ein Treffen der Brics-Aussenminister im April endete erstmals ohne gemeinsame Abschlusserklärung. Und am Sonntag wurden die Luftangriffe auf Iran verurteilt, ohne Israel und die USA namentlich zu nennen.
Das illustriert das Grundproblem: Die Brics sind eine heterogene Gruppe, die anders als die G7 nur wenige Gemeinsamkeiten besitzen. Russland und China sind Diktaturen, die eine dezidiert antiwestliche Politik verfolgen. Brasilien, Indien und Südafrika sind mehr oder weniger gut funktionierende Demokratien, die sich alle Optionen offen halten wollen.
Hinzu kommen interne Spannungen, allen voran zwischen den «Giganten» China und Indien. Die Neumitglieder Ägypten und Äthiopien streiten um die Nutzung des Nils (der ägyptische Machthaber Abdel Fatah al-Sisi fehlt in Rio). Argentiniens Präsident Javier Milei lehnt eine Brics-Mitgliedschaft wohl auch wegen seiner Abneigung gegen Lula da Silva ab.
Eine gewisse Einigkeit gibt es bei der Ablehnung der Dollar-Dominanz, doch eine taugliche Alternative haben sie nicht. Eine gemeinsame Brics-Währung ist utopisch, zu gross sind die Unterschiede in der Wirtschafts-, Finanz- und Geopolitik. Der chinesische Renminbi wäre grundsätzlich ein Kandidat, doch Peking kontrolliert nach wie vor den Wechselkurs.
Realistischer ist deshalb ein anderes Projekt, der Aufbau einer Alternative zum westlich dominierten Zahlungssystem Swift. Sie wird besonders von Russland vorangetrieben, das nach dem Überfall auf die Ukraine von Swift ausgeschlossen wurde. Auch der hart sanktionierte Iran hat ein grosses Interesse an dem auch Brics Pay genannten System.
In anderen Brics-Staaten aber ist die Begeisterung überschaubar. Selbst Wladimir Putin musste nach dem letztjährigen Gipfel einräumen, dass die Swift-Alternative nicht viel mehr ist als eine Idee. Sich aus etablierten Strukturen zu lösen, ist bei allen Ressentiments gegen die westliche und vor allem amerikanische Dominanz leichter gesagt als getan.
Denn auch die G7 bleiben trotz Donald Trumps Disruption nicht untätig. Seit einigen Jahren laden sie zu ihren Gipfeltreffen auch die Repräsentanten anderer bedeutender Staaten ein. Zu den «Stammgästen» gehören Narendra Modi, Lula da Silva und Cyril Ramaphosa – und damit die Staats- und Regierungschefs von drei der fünf Brics-«Kernländer».
Eine gemeinsame Verurteilung der Russen ist nie zustande gekommen.
Das kann ja lustig werden.