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Ukraine-Krieg: Wie viel wäre ein Deal von Trump mit Putin wert?

Russian President Vladimir Putin gestures during his interview with Russian journalist Pavel Zarubin at the Novo-Ogaryovo state residence outside Moscow, Russia, Monday, Feb. 24, 2025. (Mikhail Metzel ...
Wladimir Putin bot den USA am Montag einen eigenen Rohstoff-Deal an.Bild: keystone
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Drei Jahre Krieg: Wie viel wäre ein Deal mit Putin wert?

Russland ist nach drei Jahren Krieg in der Ukraine auf dem Vormarsch. Trotzdem gibt es Gründe, warum Wladimir Putin an einer diplomatischen Lösung interessiert sein könnte.
25.02.2025, 16:5725.02.2025, 17:33
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Drei Jahre nach Beginn des russischen Überfalls sieht es für die Ukraine düster aus. An der Front stehen die Streitkräfte unter enormem Druck. Kiew tut sich schwer damit, Soldaten zu mobilisieren. Gleichzeitig finden Luftangriffe auf die Energie-Infrastruktur und andere Ziele statt, mit denen der Aggressor die Zivilbevölkerung zermürben will.

Und als wäre die militärische Lage nicht belastend genug, mussten die Ukrainer in den letzten Tagen erleben, wie ihnen ihr bislang wichtigster Verbündeter eiskalt in den Rücken fällt. US-Präsident Donald Trump beschimpft den ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj als «Diktator» und strebt über dessen Kopf ein Abkommen mit Russland an.

epa11922340 US President Donald Trump (R) meets with French President Emmanuel Macron (L) at the Oval Office of the White House in Washington, DC, USA, 24 February 2025. EPA/LUDOVIC MARIN / POOL
Donald Trump am Montag beim Treffen mit Emmanuel Macron im Weissen Haus.Bild: keystone

Der «Verrat» der USA hat die Ukraine und Europa auf dem falschen Fuss erwischt. Sie tun sich schwer mit einer Reaktion. Trump aber scheint den «Kuschelkurs» mit Wladimir Putin durchziehen zu wollen. Das zeigte sich beim Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und anhand der moskaufreundlichen US-Resolution im UNO-Sicherheitsrat.

Ein Leben aus Deals

Trump möchte der Ukraine ein Rohstoff-Abkommen «abpressen» und den Krieg «innerhalb von Wochen» beenden, wie er nach dem Treffen mit Macron sagte. Für den US-Präsidenten geht es um Grundsätzliches: «Ich mache Deals. Mein ganzes Leben besteht aus Deals.» Fragt sich nur, ob Putin wirklich dazu bereit ist. Und was ein solcher Deal wert wäre.

Im russischen Staatsfernsehen deutete der Machthaber am Montag eine gewisse Bereitschaft an, indem er amerikanischen Unternehmen seinerseits die gemeinsame Ausbeutung von Rohstoffen wie seltenen Erden anbot. Dabei schloss er die «neuen Territorien», also die der Ukraine entrissenen Gebiete, ausdrücklich ein.

Zu einem möglichen Kriegsende äusserte sich Putin zurückhaltend. Beim Treffen der Aussenminister letzte Woche in Saudi-Arabien habe man sich darauf geeinigt, die «Ukraine-Krise» weiterzuverfolgen. Bei genauer Betrachtung gibt es durchaus Gründe, warum auch die Russen zumindest an einem «Einfrieren» des Konflikts interessiert sein könnten:

Die Wirtschaft

Pedestrians walk in a street near an exchange office sign showing the currency exchange rates of the Russian ruble, U.S. dollar, and euro in Moscow, Russia, Wednesday, Nov. 20, 2024. (AP Photo/Pavel B ...
Der Zerfall des Rubels im letzten Jahr hat die Inflation zusätzlich angeheizt. Seither hat sich der Kurs leicht erholt.Bild: keystone

Russlands Wirtschaft geht es prächtig, und die westlichen Sanktionen sind ein Flop. So lautet ein von «Putin-Verstehern» verbreitetes Narrativ. In Wirklichkeit sieht es keineswegs rosig aus. Der «Erfolg» basiert in erster Linie auf der Umstellung auf Kriegswirtschaft und dem Arbeitskräftemangel, auch wegen der Massenflucht hunderttausender junger Russinnen und Russen.

Der Preis dafür ist hoch. Der durch Öl- und Gasverkäufe einst üppig gefüllte Staatsfonds ist weitgehend leer. Die Inflation beträgt offiziell knapp 10 Prozent, in Wirklichkeit dürfte sie rund dreimal so hoch sein. Die Zentralbank hat den Leitzins auf 21 Prozent erhöht, was Investitionen abwürgt. Trotz Teuerungsausgleich sinkt der Lebensstandard vieler Menschen.

Der Ökonom Andrei Jakowlew, der im März 2022 in den Westen emigrierte und heute an der Freien Universität Berlin tätig ist, hält einen Kollaps der russischen Wirtschaft für möglich, wie er im NZZ-Interview sagte. Alles hänge von den finanziellen Möglichkeiten des Staates ab, und noch immer verkauft Russland viel Öl und Gas, selbst nach Europa.

Doch ewig könne sich Moskau die Umverteilung begrenzter Ressourcen in unproduktive Bereiche wie die Rüstungsindustrie nicht leisten, zeigte sich Oleg Wjugin, ein ehemaliger Vizechef der russischen Zentralbank, gegenüber Reuters überzeugt: «Aus wirtschaftlichen Gründen ist Russland an einer diplomatischen Lösung des Konflikts interessiert.»

Das Militär

epa11918236 People walk past a digital billboard showing an advertisement for military service with the slogan 'A heroic city has its heroes' during the 'Defender of the Fatherland Day& ...
In Städten wie St.Petersburg ist die Kriegspropaganda allgegenwärtig.Bild: keystone

Aus NATO-Kreisen hört man immer wieder Warnungen, Russland werde nach der Ukraine neue Ziele ins Visier nehmen, etwa die baltischen Staaten. An der Ostsee nimmt man die Bedrohung ernst, auch aufgrund mutmasslicher Sabotage an Unterseekabeln. Länder wie Polen, Estland und Finnland geben im Vergleich besonders viel Geld für Verteidigung aus.

Wie konkret aber ist die Bedrohung? Russland führt in der Ukraine einen Zermürbungskrieg mit hohen Verlusten an Mensch und Material. Für die Rekrutierung von Soldaten muss Putin immer höhere Prämien anbieten. Und seit Kriegsbeginn hat Russland laut dem ZDF in der Ukraine mehr Panzer verloren, als der gesamte aktive Bestand im Februar 2022 umfasste.

Zwar produzieren die Fabriken fleissig Nachschub, sie liefern pro Monat bis 120 Panzer an die Front. Doch höchstens 20 sind neue Modelle, der Rest sind aufgemotzte Sowjetpanzer. Westliche Beobachter halten einen Grossangriff auf NATO-Länder aus solchen Gründen für unwahrscheinlich. Doch mit der hybriden Kriegsführung hat Russland weitere Möglichkeiten.

Und mit einem konkreten Szenario könnte Putin den Westen provozieren. Er könnte die russische Armee in die estnische Grenzstadt Narwa einmarschieren lassen. Sie wird zu rund 95 Prozent von ethnischen Russen bewohnt. Längst nicht alle sind kremlfreundlich, aber eine solche «Invasion» wäre der ultimative Test für die NATO-Beistandsverpflichtung.

Trotzdem könnte Putin einen Ukraine-Deal anstreben. Kyrylo Budanow, der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, kennt offenbar die strategische Planung der Russischen Föderation bis 2045. Demnach müsse Russland bis 2026 den Konflikt lösen, sonst verliere es «definitiv» die Möglichkeit, «in naher Zukunft eine Supermacht oder nur eine regionale Führungsmacht zu werden», sagte er laut ukrainischen Medien.

Putin ist ein miserabler Schachspieler, aber pokern kann er. Und vor allem versteht er es, Donald Trump um den Finger zu wickeln, ob mit «Kompromat» oder weil er die Schwäche des US-Präsidenten für starke Männer ausnutzt. Ein Deal «innerhalb von Wochen» ist möglich, aber die russische Bedrohung für Europa wird nicht verschwinden.

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Ukraine-Krieg: die Akteure im Überblick
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Ukraine-Krieg: die Akteure im Überblick
Durch Russlands Angriff auf die Ukraine in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar, ist die jahrelange Ukraine-Krise von einem blossen Konflikt zum Krieg geworden. Wer die wichtigsten Beteiligten sind, erfährst du hier:

Wladimir Putin ist seit 2000 (mit Unterbrechung von 2008 bis 2012) Präsident von Russland. Er sieht die Stabilität seines Systems seit den frühen Jahren seiner Präsidentschaft durch den Westen bedroht und will verhindern, dass die Ukraine Nato-Mitglied wird und eine westlich orientierte Demokratie aufbaut. Am 24. Februar befahl Putin schliesslich den Angriff auf die Ukraine. Offizielle Leitmotive für den Krieg sind die «Demilitarisierung und Entnazifizierung».
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103 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schlaf
25.02.2025 17:31registriert Oktober 2019
Ein Deal mit Putin ist das Papier nicht wert, auf welchem er geschrieben wird.

Weiss man bei Putin schon länger.
Selbiges gilt auch für the USA, für die nächsten 4 Jahre.
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you-had-one-job
25.02.2025 17:07registriert August 2024
Russland steht kurz vor dem Staatsbankrott. Wenn Trump Geduld hätte, könnte er in absehbarer Zeit den Deal seines Lebens machen.

Geduld und Weitblick sind aber definitiv nicht seine Kernkompetenzen.
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John H.
25.02.2025 17:20registriert April 2019
"Ein Deal «innerhalb von Wochen» ist möglich, aber die russische Bedrohung für Europa wird nicht verschwinden."
Hmm … und es kommt eine neue Bedrohung hinzu.
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