Asa Hutchinson ist ein ehrenwerter Mann. Der frühere Gouverneur von Arkansas stellte sich am letzten Sonntag als einer der ersten prominenten Republikaner offen gegen Ex-Präsident Donald Trump. Die Menschen wollten Anführer, «die das Beste in Amerika ansprechen und nicht nur unsere schlimmsten Instinkte», sagte der 72-Jährige dem Fernsehsender ABC.
Hutchinson rief Trump angesichts der drohenden Anklage in New York zum Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen auf, in das er selber einsteigen will. Am Dienstag erschien Trump vor dem Richter in Manhattan, der ihm die Anklage in 34 Punkten präsentierte. Es sind eher geringfügige Delikte, weshalb der frühere Präsident pfleglich behandelt wurde.
Der 76-Jährige musste weder Handschellen tragen noch ein Polizeifoto machen lassen. Nach dem Verlesen der Anklageschrift konnte er das Gericht ohne Kaution verlassen und nach Florida zurückkehren. Weil er nicht vorbestraft ist, muss Trump gemäss «Washington Post» vermutlich selbst dann nicht ins Gefängnis, wenn er in allen Punkten verurteilt wird.
Das hinderte Donald Trump nicht daran, vor Anhängern in seiner Residenz Mar-a-Lago einmal mehr über die Justiz herzuziehen, die von den Demokraten für politische Zwecke missbraucht werde. Die meisten prominenten Republikaner weiss er dabei auf seiner Seite. Sie hatten sich nach Bekanntwerden der Anklage sofort mit ihm solidarisiert.
Trumps ehemaliger Vizepräsident Mike Pence bezeichnete die Anklage als «Skandal». Sie werde «nur dazu dienen, dieses Land weiter zu spalten», sagte er auf CNN. Dabei ist es in den USA hinlänglich bekannt, dass Pence und andere Parteigrössen Trump ins Pfefferland wünschen. Doch kaum einer wagt es, dem Beispiel von Asa Hutchinson zu folgen.
Die Republikaner kommen von Trump nicht los. Zwischenzeitlich schien er zu schwächeln, doch nun dominiert er die Partei wieder fast nach Belieben. In mehreren Umfragen liegt er teilweise klar vor seinem vermeintlich schärfsten Rivalen Ron DeSantis. Der Gouverneur von Florida hat die Hoffnungen der Trump-Gegner in der Partei bislang masslos enttäuscht.
Dabei hätten die Republikaner allen Grund, sich vom Ex-Präsidenten loszusagen. In einer am Dienstag veröffentlichten CNN-Umfrage unterstützen 60 Prozent die Anklage gegen Trump. Das bestätigt einen bekannten Befund: Nicht nur die Demokraten, sondern auch eine Mehrheit der parteilosen Wählerinnen und Wähler sind vom Trump-Zirkus angewidert.
Seit seinem Wahlsieg 2016 hatte Trump nur noch verloren, die Midterms 2018 genauso wie seine Wiederwahl 2020. Auch das Ausbleiben der «roten Welle» bei den Zwischenwahlen im letzten November wird ihm angekreidet. Obwohl die Ausgangslage mit dem unpopulären Präsidenten Joe Biden günstig war, verpassten die Republikaner ihre Ziele deutlich.
Ein Neuanfang ohne Donald Trump wäre für die Grand Old Party (GOP) zwingend. Doch dazu fehlt der Mut. Den Grund nannte Nikki Haley, Trumps ehemalige UNO-Botschafterin, letzte Woche bei einem Wahlkampfauftritt in New Hampshire. Ihr früherer Boss habe etwa ein Viertel der Parteibasis («harte 25 Prozent») auf seiner Seite, meinte Haley.
Eigentlich wollte die frühere Gouverneurin von South Carolina, die bislang einzige halbwegs ernsthafte Herausforderin von Donald Trump für die Präsidentschaftswahl 2024, damit ausdrücken, dass drei Viertel der republikanischen Wählerschaft offen seien für Neues. Unfreiwillig aber entblösste Nikki Haley damit das ganze Dilemma ihrer Partei.
Die Hardcore-Fans – andere Schätzungen gehen von bis zu 40 Prozent «Always Trumpers» aus – verehren ihr Idol bedingungslos. Es ist keineswegs sicher, dass sie ihre Stimme auch für eine andere Kandidatin oder einen anderen Kandidaten abgeben würden. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sie im November 2024 einfach zu Hause bleiben.
Mit diesem Effekt hat Fox News unliebsame Erfahrungen gemacht. Als sich der rechte Sender nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 von Trump zu distanzieren begann, wanderte ein Teil der Zuschauer ab zu den noch extremeren Kanälen Newsmaxx und One America News Network (OANN). Heute steht Fox News voll hinter Trump.
Für die Republikaner ist dies eine Warnung. Selbst die weiteren Anklagen, mit denen Trump rechnen muss (etwa wegen Anstiftung zum Wahlbetrug im Bundesstaat Georgia), können ihm in den Augen seiner Fans nichts anhaben. «Ich könnte jemanden auf der Fifth Avenue erschiessen und würde keine Wähler verlieren», hatte er im Wahlkampf 2016 selbst gesagt.
Die Partei ist Donald Trump auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. Sie kann mit ihm nicht gewinnen und ohne ihn auch nicht. Das gilt erst recht für den Fall, dass er die Nomination verpassen und als «wilder» Kandidat antreten sollte. Joe Biden, der mutmassliche Kandidat der Demokraten, könnte seiner Wiederwahl im Schlafwagen entgegengondeln.
Und selbst da hatte die Gegenkandidatin mehr Stimmen und Trump wurde nur dank des Wahlsystems Präsident.