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Vorschau: TV-Duell zwischen Merkel und Schulz

Top candidate of the Social Democratic Party of Germany, SPD, Martin Schulz waits for the beginning of the recording of the German ARD show 'Bericht aus Berlin' (lit. report from Berlin) in  ...
Martin Schulz: Der SPD-Mann liegt im Wahlkampf schon fast aussichtslos zurück.Bild: AP/dpa

Schulz muss im TV-Duell punkten – doch es wird schwierig

01.09.2017, 22:4502.09.2017, 17:58
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Kann Martin Schulz seine Emotionen im Zaum halten? Der deutsche SPD-Chef kann ganz schön aufbrausend sein, wenn er provoziert wird. Oder zeigt Angela Merkel doch mal Nerven? Bis jetzt hat die Kanzlerin alle Angriffe des Herausforderers an sich abtropfen lassen. Teflon-Merkel eben.

Schon während und kurz nach dem Ende des einzigen TV-Duells im Wahlkampf werden die Demoskopen versuchen, die entscheidende Frage zu beantworten: Wer geht am Sonntagabend als Sieger aus dem Studio in Berlin?

15 bis 20 Millionen Fernsehzuschauer werden wohl zugucken, wie Schulz versucht, die Kanzlerin aus der Reserve zu locken. Auf ihm liegt der grösste Druck: Viele halten den direkten Schlagabtausch mit Merkel für seine vielleicht letzte Chance, den Umfragetrend bis zum 24. September zu drehen.

Seit Wochen liegt die SPD wie festgenagelt rund 15 Punkte hinter der Union. Viele Wähler sind nach einem schlappen Wahlkampf unentschlossen. Die früheren TV-Duelle zeigten jedoch: Die Show beeinflusst die Wählergunst kaum.

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Merkels Union liegt im Wahlkampf deutlich vor Schulz' SPD.Bild: EPA/EPA

Merkel gibt Modalitäten vor

Zwei Moderatorenpaare von ZDF, RTL, ARD und Sat.1 befragen Merkel und Schulz, wie bei früheren Spitzen-Duellen. Schon um die Modalitäten gab es Streit. Merkel drohte, gar nicht erst anzutreten, falls die Sender wie geplant das Format verändern, um mehr Drive in den 90-Minuten-Schlagabtausch zu bringen. Am Ende setzte sie sich durch.

Schulz sieht sich benachteiligt – und wird von Ex-ZDF-Chefredaktor Nikolaus Brender bestätigt, der den Merkel-Leuten Erpressung vorwarf: «Das Kanzleramt verlangt ein Korsett für die Kanzlerin, in dem sie sich nicht bewegen muss. Und zugleich eines für Schulz, in dem er sich nicht bewegen darf.»

Fest steht, die Antworten sollen jeweils nicht länger als 60 bis 90 Sekunden sein – unter dem Strich werden beide gleich lang reden. Studiopublikum gibt es nicht. Weder Merkel noch Schulz dürfen etwas in die Kameras halten.

Die Auslosung hat Merkel gewonnen – sie wählte die Schlussfrage. Wohl in der Hoffnung, dass dieses Statement bei den Zuschauern am besten im Gedächtnis haften bleibt.

Auf der Agenda des Abends dürfte wenig Überraschendes zu finden sein: Abgas-Affäre, Terror, Türkei, Trump, Putin, Nordkorea, Aufrüstung, Flüchtlinge.

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Die Moderatoren für das TV-Duell sind bereit.Bild: EPA/EPA

Persönliche Attacken?

Von Schulz wird erwartet, dass er einen Schwerpunkt beim Sozialen, den Renten, der Bildung setzt. Für Merkel dürften die Gerechtigkeitsthemen die schwierigsten sein, sie weiss: Hier kann sie gegen den Sozialdemokraten kaum gewinnen. Anders könnte es bei den internationalen Themen sein: Da setzt die Kanzlerin auf ihre Erfahrung mit den schwierigen Männern der Welt.

Vielleicht noch wichtiger als die Inhalte sind beim Duell Gestik, Mimik und Tonfall. Verheddert sich ein Kandidat in Details, schwitzt, stottert? Knöpft sich der Herausforderer die Kanzlerin richtig vor? Am vergangenen Wochenende war Schulz in den Attacke-Modus gewechselt, warf Merkel ziemlich aggressiv Abgehobenheit vor.

Solche persönlichen Angriffe sind oft ein schmaler Grat: Übertriebene Härte kann abstossend wirken. So sagt Schulz nun vor dem Duell im Interview mit der Nachrichtenagentur: «Ich habe nicht die Absicht, Frau Merkel persönlich zu attackieren. Ich respektiere Frau Merkel sehr, ich kenne sie gut.»

Die CDU-Chefin fliege in ihrer «Air Force One» über den Wolken, kriege gar nicht mit, was die Bürger bewege: «Aber für das Duell muss die »Air Force One« ja landen, muss die Frau Merkel auch aussteigen», sagt Schulz.

Seit einiger Zeit steht ihm der frühere Schröder-Vertraute und Ex-«Bild»-Vize Bela Anda zur Seite. Die Kanzlerin – es ist ihr viertes Duell – dürfte wieder auf ihre Medienberaterin Eva Christiansen und auf ihren Sprecher Steffen Seibert setzen, der früher beim ZDF moderierte.

Schulz habe im SPD-Umfragetief gezeigt, dass er eine Kämpfernatur ist, heisst es anerkennend in Merkels Reihen. Dort werden ihm gute Chancen gegeben, ein Unentschieden zu erreichen – das sagen Demoskopen auch.

Vergleich auf Augenhöhe

Ausserdem dürfte Schulz zugute kommen, dass er sich endlich im direkten Vergleich auf Augenhöhe mit der Kanzlerin präsentieren kann. Weder im Kabinett noch im Bundestag hatte er bislang eine Bühne. Zuletzt wirkte es fast so, Merkel mache sich einen Spass daraus, den Namen Schulz ab und zu in den Mund zu nehmen – weil die Medien immer behaupten, sie ignoriere ihre Herausforderer.

Merkels Taktik dürfte wieder sein, nicht über jedes Stöckchen zu springen, sich nicht in Kleinkriege um Details verstricken zu lassen. Aber reicht Einschläfern, wie bei ihrer Sommerpressekonferenz Anfang der Woche? Das könnte Schulz' Chance sein, sich als Mann der Zukunft zu zeigen, prinzipienfest, zupackend.

Vor vier Jahren sprach Merkel am Ende des Duells mit treuem Augenaufschlag ihren Satz «Sie kennen mich» in die Kamera. Kommt sie wieder damit durch? Schulz grübelt wohl noch über berühmte letzte Worte. «Es ist vollbracht», will er zumindest am Wahlabend in sein Tagebuch schreiben. (sda/dpa)

Video der Woche: Rash, der sympathische Berner «Influencer», im Kreuzverhör.

Video: watson/Nico Franzoni, Lya Saxer
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