Der G20-Gipfel in Hamburg beginnt zwar erst am Freitag. Doch die Proteste rund um die Zusammenkunft der 20 einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer haben schon längst begonnen.
Die Frankfurter Allgemeine spricht jetzt schon von «Hamburg, meine Hölle». Das Polizei- und Sicherheitsaufkommen ist enorm. Viele Hamburger, die direkt vom Gipfel betroffen sind, verlassen ihre Häuser. Auf was sich die Hansestadt sonst noch alles gefasst machen muss, lest ihr in der folgenden Übersicht:
10'000 Demonstranten, 8000 davon gewaltbereit
Einige Proteste laufen und liefen friedlich ab.Bild: FRIEDEMANN VOGEL/EPA/KEYSTONE
Andere Demonstrierende wiederum mussten gewaltsam beseitigt werden.Bild: AP/dpa
Die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten werden in Hamburg auf ein Heer von Demonstranten unterschiedlichster Couleur treffen. Die Bandbreite reicht von Protesten grosser Nichtregierungsorganisationen bis hin zu Aktionen von Linksradikalen, bei denen mit Ausschreitungen zu rechnen ist. Die Hamburger Polizei erwartet 10'000 Demonstranten, 8000 davon gewaltbereit.
Mutmasslich am wenigsten friedlich werden die von linksradikalen Aktivisten geplanten Proteste werden. Als potenziell besonders krawallträchtig gilt etwa eine für den Vorabend des G20-Gipfels am Donnerstag geplante Demonstration unter dem Motto «Welcome to Hell» (Willkommen in der Hölle), die an der Reeperbahn starten und rund um den Tagungsort in den Messehallen führen soll.
Deren Organisatoren erwarten nach eigenen Angaben bis zu zehntausend Teilnehmer aus dem harten Kern der linken und autonomen Szene. Sie bezeichnen ihre «antikapitalistische Demonstration» selbst als «Auftakt zur heissen Phase der direkten Aktionen und Blockaden gegen den G20-Gipfel», die ab dem am nächsten Tag folgen sollen.
20'000 Polizisten + 7000 Feuerwehrleute = Grösster Polizeieinsatz aller Zeiten
Hohe Zäune, zahlreiche Einsatzkräfte: In Hamburg findet während des G20-Gipfels der grösste Polizeieinsatz aller Zeiten statt. Bild: AP/dpa
«Wir erwarten eine massive Militanz», sagt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer gegenüber der «FAZ». Damit die angekündigten krawallträchtigen Demos bereits im Keim erstickt werden können, sorgen rund 20'000 Polizisten für die Sicherheit. 15'000 davon aus den Bundesländern, 4000 von der Bundespolizei. Dazu kommen 7000 Feuerwehrleute. Beim grössten Polizeieinsatz in der Hamburger Geschichte gelten nur noch Superlative: 3000 Fahrzeuge, 150 Diensthunde, 60 Pferde, elf Hubschrauber.
Dazu kommen weitere zahlreiche Spezialkräfte aus ganz Europa: Österreich schickt seine Antiterroreinheit «Cobra», Frankreich ihre Spezialzäune «Rapid Wall» (besonders hoch und rasch aufzustellen) und die HolländischenPolizisten sollen den Hafen im Auge behalten.
Auf diese Sieben kommt es an
Angela Merkel (rechts), Emannuel Macron und Donald Trump: Sie alle werden am G20-Gipfel dabei sein.Bild: AP/dpa
Grund für die vielen Proteste sind natürlich auch die Teilnehmer des G20-Gipfels. Vor allem auf diese sieben kommt es an:
Angela Merkel: Die deutsche Bundeskanzlerin ist die dienstälteste Regierungschefin in Europa. Aussenpolitisch war die Lage für Merkel selten so angespannt wie jetzt. Ihr Verhältnis zum neuen US-Präsidenten Donald Trump ist schwierig, weil die in der DDR aufgewachsene Pfarrerstochter für Freiheitsrechte und Freihandel eintritt und in der Globalisierung Chancen für alle Partner sieht – während Trump eine Politik der Abschottung betreibt. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Hamburg ist Merkels erster G20-Gipfel im eigenen Land.
Donald Trump: Der US-Präsident ist in viel schlechterer Verfassung als sein Land. Er tut sich fünf Monate nach Amtsübernahme innenpolitisch schwer, hat bisher kaum ein grösseres Politikprojekt umsetzen können, blickt weiterhin auf geradezu desaströse Umfragewerte. Trump wird beim Gipfel versuchen, «Make-America-Great»-Themen zu spielen. Dazu gehört auch der Streit um Stahlimporte aus Deutschland und China und der grössere Kontext des Welthandels.
Wladimir Putin: Der russische Präsident reist vor allem nach Hamburg, um erstmals Trump zu treffen. Russlands starke Stellung im Syrien-Konflikt ist ein Pfund, mit dem Putin bei der G20 wuchern kann. Seit dem Rauswurf aus der G8 ist der Zwanzigergipfel für ihn jedes Jahr die grösste internationale Bühne, auf der er viele Kontakte pflegt.
Xi Jinping: Anders als seine Vorgänger will Xi auch eine grössere Rolle auf der Weltbühne spielen. Kern seiner geopolitischen Strategie ist die Initiative einer «Neuen Seidenstrasse». Geplant sind Investitionen in Wirtschaftskorridore und Infrastrukturprojekte wie Häfen, Strassen, Zugstrecken oder Pipelines, die Chinas Einfluss in der Welt ausweiten. Kritiker fürchten eine «neue Weltordnung chinesischer Prägung». Der Abschottungskurs von Trump spielt ihm in die Hände, da sich Xi als Vorkämpfer gegen Protektionismus und Klimawandel präsentieren kann.
Recep Tayyip Erdogan: Der türkische Präsident gehört nicht zu den Lieblingsgästen in Deutschland. Es ist sein erster Besuch, seit er den Deutschen «Nazi-Methoden» vorwarf. Auslöser war, dass im Frühjahr Wahlkampfauftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland verhindert wurden. Und auch nach dem türkischen Verfassungsreferendum sind solche Auftritte unerwünscht. Jetzt stellt sich die Frage, ob der türkische Staatschef überhaupt noch zum Gipfel kommt. Bisher hat er nicht reagiert.
Salman: Mit König Salman wäre der einflussreichste Herrscher der arabischen Welt in die Hansestadt gereist. Das jüngste Muskelspiel ist die Isolation des Golf-Nachbarn Katar, dem Riad offiziell Terrorfinanzierung vorwirft. Doch kurz vor dem Start des Gipfels hat der saudische König seinen Besuch abgesagt.
Emmanuel Macron: Der französische Präsident ist erst seit wenigen Wochen im Amt, mischt aber schon kräftig in der Weltpolitik mit. Er traf bereits Trump und Putin. Der Senkrechtstarter will die Atom- und UNO-Vetomacht Frankreich auf internationaler Bühne wieder sichtbarer machen.
38 Quadratkilometer Sicherheitszone, eine Gefangenensammelstelle
Fünf Prozent der ganzen Stadt gelten inzwischen als Sicherheitszone – das sind rund 38 Quadratkilometer. Zu sichern sind der Weg vom Flughafen zum Tagungszentrum, die Hotels, in denen die Staatsgäste unterkommen – und last but not least das neue Wahrzeichen von Hamburg, die Elbphilharmonie. Denn am Freitag, dem ersten Gipfeltag, findet dort ein Konzert für die Staatsgäste statt.
Doch es wird nicht nur gesichert, sondern auch einiges abgesperrt, verbarrikadiert und verriegelt. Die Hamburger müssen einige Einschränkungen hinnehmen. So sind zum Beispiel die Strassen rund um das Messegelände gesperrt. Auch inmitten der Stadt wird es zeitweise immer wieder zu Sperrungen kommen. In einemleerstehenden Grossmarkt wurde gar eine Gefangenensammelstelle aufgebaut. (ohe/sda)
In Hamburg herrscht jetzt schon Ausnahmezustand
1 / 54
Hamburg im G20-Ausnahmezustand
Eine Frau klettert auf ein Einsatzfahrzeug der Polizei und wird mit Pfefferspray behandelt.
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
03.07.2017 18:16registriert Juni 2016
Und für was diese Geldverschwendung und Massive Umweltbelastung und massiven Einschränkungen der Einwohner? Ginge das nicht alles via Videokonferenz?
"Andere Demonstrierende wiederum mussten gewaltsam beseitigt werden." Das war eine Auflösung eines gerichtlich erlaubten Camps durch die Polizei, hat gar nichts mit gewalttätig Demonstranten zu tun! Hauptsache Schlagzeile, Gewalt bringt schön Klicks, hab ich echt besser erwartet.
Die Stimmung in Grossbritannien kippt: Rechtspopulist Nigel Farage steht vor Durchbruch
Aus dem ersten grossen Wahltest für die britische Labour-Regierung dürfte vor allem der Reform-Partei des «Mister Brexit» als Siegerin hervorgehen.
Vor gut neun Monaten war die Lage deutlich: Bei den Wahlen zum Unterhaus im Juli 2024 errang die britische Labour-Partei einen Erdrutschsieg mit einer absoluten Mehrheit von 174 Sitzen. Ein dreiviertel Jahr später ist es mit der Popularität dahin und der erste grosse Wahltest für die neue Regierung und die Opposition hat angestanden.