Der neue deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat ungeachtet des Einzugs der rechtspopulistischen AfD zu Gelassenheit im demokratischen Umgang im Bundestag aufgerufen.
Er wisse aus eigenem Erleben, «dass Erregung und Krisengefühle so neu nicht wirklich sind», sagte der mit breiter Mehrheit gewählte Schäuble am Dienstag in seiner Antrittsrede im Bundestag. «Auch deshalb sehe ich mit Gelassenheit den Auseinandersetzungen entgegen, die wir in den kommenden Jahren führen werden», sagte er.
Schäuble, der dem Bundestag seit 1972 angehört, erinnerte an vergangene Debatten etwa über den NATO-Doppelbeschluss oder die Ostverträge. Die Stimmung sei damals aufgeladen gewesen, eine extrem spannungsvolle Atmosphäre habe die Stimmung im Land geprägt.
Die Gesellschaft habe sich damals in einem nicht bekannten Masse «politisiert, mobilisiert und polarisiert. Geschadet hat es nicht», sagte Schäuble. Veränderung habe es in Deutschland immer gegeben. Vieles werde dabei aber in der Rückschau anders bewertete, als im Streit.
Der 75-jährige frühere Finanzminister Schäuble war zuvor bei der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments Deutschlands mit 501 von 704 abgegebenen gültigen Stimmen zum Präsidenten gewählt worden. Er war einziger Kandidat für das Amt. Schäuble übernimmt damit das formell zweithöchste Staatsamt Deutschlands nach dem Bundespräsidenten, aber noch vor der Kanzlerin.
Im Anschluss an die Rede Schäubles wollen die Abgeordneten die sechs Bundestags-Vizepräsidenten wählen. Dabei drohte ein Eklat, nachdem Politiker aller anderen Fraktionen den AfD-Kandidaten Albrecht Glaser durchfallen lassen wollten. Der 75-jährige Glaser stösst wegen Äusserungen über den Islam auf breite Ablehnung.
Der frühere CDU-Politiker und Frankfurter Stadtkämmerer Glaser benötigt in den ersten beiden Wahlgängen die Stimmen der Mehrheit aller Abgeordneten, also 355 von 709. Im dritten Wahlgang reicht es, wenn er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommt. Wenn der Kandidat auch dann noch durchfällt, muss der Ältestenrat entscheiden, wie es weitergeht. (whr/sda/dpa/afp)