Am kommenden Wochenende findet das traditionelle Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) statt. Notenbanker und Finanzminister haben allen Grund, beschwingt nach Washington zu reisen. Die Ökonomen haben die Wachstumsrate der Weltwirtschaft für dieses Jahr von 2,6 auf über 3 Prozent geschraubt. IWF-Direktorin Christine Lagarde spricht gar vom «besten Wachstums-Sprint seit zehn Jahren».
Was dabei besonders erfreulich ist: Vom Wachstum profitieren alle. Japan ist aus seiner Wachstumslethargie erwacht und erwartet einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,5 Prozent. In der Eurozone dürften es gar 2,2 BIP-Prozente werden. Deutschland boomt und auch die Club-Med-Länder um das Mittelmeer erholen sich ebenfalls von ihrer tiefen Krise.
Aggressive Investitionen in Hochgeschwindigkeitszüge, Autobahnen und Brücken haben in China die Wirtschaft angeheizt. Das hat die Rohstoffpreise steigen lassen und sorgt für Freude in Schwellen- und Entwicklungsländern wie Brasilien und Indonesien.
In den USA richtet derweil Donald Trump zwar ein politisches Chaos an. Die Wirtschaft beeindruckt das jedoch überhaupt nicht. Die Unternehmen vermelden Rekordgewinne. Seit Trumps Amtsantritt haben die Aktienbörsen rund 20 Prozent zugelegt.
Die Stimmung bei den Investoren bleibt freundlich, obwohl Obamacare nicht abgeschafft werden konnte, die Steuerreform auf sehr wackligen Füssen steht, von den grossspurig angekündigten Infrastrukturprojekten nichts zu sehen ist und die verschiedenen Hurrikane dafür gesorgt haben, dass im Oktober erstmals seit neun Jahren 33'000 Jobs vernichtet worden sind.
Mohamed El-Erian, ein führender Finanzmarkt-Guru, erklärt denn auch in der «New York Times»: «Das IWF-Treffen wird eine Periode synchronisierten Wachstums und der ruhigen Finanzmärkte zelebrieren.»
Alles im grünen Bereich also? Nicht ganz. Der abtretende deutsche Finanzminister und das Symbol der Austeritätspolitik, Wolfgang Schäuble, ist skeptisch. In einem Interview mit der «Financial Times» warnt er vor einer neuen globalen Finanzkrise. Ausser Kontrolle geratene Staatsschulden und viel zu viel Geld in den Märkten seien im Begriff, eine neue Blase zu bilden, so Schäuble. Die Stabilität der Banken in der Eurozone sei deswegen in Gefahr.
Schäuble spielt auf die Tatsache an, dass die Zentralbanken dieser Welt seit der Krise von 2008 mit dem so genannten Quantitativen Easing mehr als 14 Billionen Dollar neues Geld in die Märkte gepumpt haben. Das sind drei Billionen Dollar mehr als die gesamte Jahresproduktion der chinesischen Volkswirtschaft; und das hat dazu geführt, dass sich die Leitzinsen seit Jahren auf einem Rekordtief bewegen. In der Schweiz befinden sie sich teilweise sogar im negativen Bereich.
Irgendwann müssen die Leitzinsen wieder auf ein normales Niveau steigen. Dazu muss die riesige Geldschwemme wieder aufgesaugt werden. Das ist leichter gesagt als getan. Niemand weiss, wie die Finanzmärkte reagieren werden, wenn die Notenbanken ihre Wertpapiere und Staatsanleihen, die sie im grossen Umfang aufgekauft haben, auf den Markt werfen. Ein erster Versuch der US-Notenbank im Jahr 2013 ist alles andere als glücklich ausgefallen. Die Märkte reagierten auf dieses so genannte «Tapering» der Fed mit einem Mini-Crash.
Nicht nur Schäuble, sondern auch die in Basel beheimatete Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – die Zentralbank der Zentralbanken gewissermassen – warnt seit längerem vor der Geldschwemme. Letzten Monat hat sie erneut darauf hingewiesen, dass sich die Welt an billige Kredite gewöhnt habe und höhere Zinsen die Weltwirtschaft wieder ins Elend stürzen könnten.
In Deutschland wird das Quantitative Easing der Europäischen Zentralbank schon lange kritisiert. Schäuble will auch heute noch keine Kritik an seiner harten Sparpolitik gelten lassen, die er der Eurozone verpasst hat. «Genau genommen ist Austeritätspolitik der angelsächsische Ausdruck für eine solide Finanzpolitik», sagt er.
Der abtretende Finanzminister sieht sich in seiner Austeritätspolitik bestätigt. «Das Vereinigte Königreich macht sich gerne lustig über den Rheinland-Kapitalismus. Aber wir haben gesehen, dass die Werkzeuge der sozialen Marktwirtschaft effektiver mit einer Finanzkrise fertig werden als alles andere.»