Der Vergleich ist schnell gemacht: Die vor bald zwei Wochen verhaftete Russin Maria Butina erinnert in mancher Hinsicht an ihre Landsfrau Anna Chapman. Beide sind jung, attraktiv, rothaarig – und beiden wurde und wird Spionagetätigkeit für Russland in den USA vorgeworfen. Chapman war 2010 verhaftet und im Rahmen eines Agentenaustauschs in ihre Heimat überstellt worden.
Dort posierte sie in Reizwäsche und mit einer Pistole auf dem Cover eines Männermagazins. Von Maria Butina existieren ähnliche Fotos, doch sie sind keine Show, sondern sehr ernst gemeint. Die Tochter eines Möbelfabrikanten aus dem westsibirischen Barnaul ist ein Waffenfreak und eine glühende Patriotin. Nun sitzt die 29-Jährige in einem amerikanischen Gefängnis.
Das US-Justizministerium beschuldigt Butina, sich als verdeckte Agentin betätigt zu haben und an einer «Verschwörung» gegen die USA beteiligt gewesen zu sein. Sie habe «ihre persönlichen Verbindungen mit Personen in den USA dazu missbraucht, die amerikanische Politik im Sinne der Russischen Föderation zu beeinflussen», heisst es in der Anklageschrift.
Fest steht, dass Maria Butina gezielt die Nähe von republikanischen Politikern und konservativen Organisationen gesucht hat. Sie hatte laut ihrem Anwalt Robert Driscoll eine Beziehung mit dem 56-jährigen Paul Erickson, einem Mitarbeiter der Republikanischen Partei aus South Dakota. Die Anklage wirft ihr zudem vor, sie habe Sex angeboten für einen Job bei einer nicht näher genannten Interessenvereinigung, was Driscoll bei einer Anhörung am Mittwoch zurückwies.
In Russland wirft der Fall hohe Wellen. Die Regierung behauptet, die Vorwürfe gegen die russische Staatsbürgerin seien «an den Haaren herbeigezogen» und ein weiterer Versuch, die Annäherung zwischen Russland und den USA zu sabotieren. Die Verhaftung von Maria Butina nur einen Tag vor dem Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki sei kein Zufall.
Der Fall Butina hat schon jetzt alle Ingredienzien eines saftigen Spionagekrimis. Was aber weiss man über sie? Laut eigenen Angaben hat sie in Russland mehrere Studiengänge absolviert. Nationale Bekanntheit erwarb Maria Butina als Gründerin einer Organisation, die sich für eine Lockerung der strengen russischen Waffengesetze stark macht. Ein Freund bezeichnete sie gegenüber der «Washington Post» als «charismatische Führungsperson».
Daneben arbeitete sie für Alexander Torschin, der in der Anklage als «russischer Beamter» bezeichnet wird. Dem Vize-Chef der russischen Zentralbank und Staatssekretär werden Kontakte zur Mafia nachgesagt. Er befindet sich auch auf dem Radar von Sonderermittler Robert Mueller, der die möglichen Kontakte von Donald Trumps Wahlkampfteam mit Russland untersucht.
Ab 2014 reiste Butina zusammen mit Torschin wiederholt in die USA. Dort knüpften sie Kontakte mit der Waffenlobby National Rifle Association (NRA) und konservativen Politikern. Im Juli 2015 stellte sie dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Las Vegas eine Frage zur möglichen Aufhebung der Russland-Sanktionen.
Ab 2016 studierte Maria Butina internationale Beziehungen an der American University in Washington. Sie belegte unter anderem Kurse in Cybersicherheit und schloss das Studium im Mai dieses Jahres mit dem Master ab. Wie sie die teure Ausbildung finanziert hat, ist unklar. Gegenüber anderen Studenten habe sie sich bedeckt gehalten, schreibt die «Washington Post».
Ihr mutmasslicher Liebhaber Paul Erickson gründete in South Dakota eine Firma, die angeblich für die Kosten von Maria Butinas Studium aufkommen sollte. Die beiden traten öfters gemeinsam auf, etwa an einem Kostümfest im November 2016 zu Butinas Geburtstag (er als Mönch Rasputin, sie als Zarin Alexandra) oder an den Feiern zu Donald Trumps Amtseinführung im Januar 2017.
Das Verhältnis mit dem Republikaner soll die Russin aus Berechnung eingegangen sein. Sie hat laut den Anklägern schriftlich ihre Verachtung über Erickson geäussert. Er wird im Verfahren als «Mitverschwörer» bezeichnet und hat sich bislang nicht zur Affäre geäussert.
Ihr rechtes Weltbild und ihren Patriotismus hat Butina nie verheimlicht, wie die «Washington Post» recherchiert hat. Ihre Handyhülle habe das berühmte Foto von Wladimir Putin mit entblösstem Oberkörper auf einem Pferd geziert. Dessen Politik habe sie im Unterricht und auf Partys stets verteidigt, so auch die Annexion der Krim.
An der American University fragen sich deshalb manche, ob sich eine russische Agentin nicht viel diskreter verhalten hätte. «Man kann es irgendwie kaum glauben», sagte eine Person, die Butina gekannt hat. Andere hingegen fühlen sich laut der «Post» durch die Verhaftung und die Anklage in ihrem unterschwelligen Verdacht bestätigt, sie könnte Verbindungen zum Kreml haben.
Das FBI hat gemäss Politico auf Butinas elektronischen Geräten rund zwölf Terabyte Daten sichergestellt, was laut ihrem Anwalt etwa drei Millionen Dokumenten entspricht. Sie war gemäss der Staatsanwaltschaft per Mail in Kontakt mit dem Geheimdienst FSB und soll sich mindestens einmal mit einem inzwischen ausgewiesenen russischen Agenten getroffen haben.
Ihre Wohnung in Washington hatte sie auf Ende Juli gekündigt. Bei ihrer Verhaftung waren die Kisten bereits gepackt. Laut dem FBI bestand Fluchtgefahr. Ihr Anwalt behauptet, sie habe zu ihrem Liebhaber Paul Erickson nach South Dakota ziehen wollen.
Kann Maria Butina Trump zu Fall bringen? Oder sind die Vorwürfe gegen sie überzogen? Derzeit ist diese Agentenstory in erster Linie mysteriös.