Du hast kürzlich ein neues Auto gekauft? Dann nervst vielleicht auch du dich über das ewige Gepiepse. Es ist nicht der Kofferraum, der offen steht. Es ist nicht der Gurt, der nicht eingesteckt ist. Es sind die ein, zwei Kilometer zu viel auf dem Tacho. Kurz aufs Gaspedal gedrückt und schon piepst es los. Nicht nur beim zügigen Aufschliessen im Stadtverkehr. Auch beim Überholen auf der breiten Überlandstrasse. Nervtötend und bevormundend, finden viele.
Erfunden haben es die EU-Beamten in Brüssel. In der «Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Fahrzeugen» steht, dass ab spätestens Sommer 2024 alle in der EU neu verkauften Autos mit dem «intelligenten Geschwindigkeitsassistenten» ausgerüstet sein müssen. Das heisst: Mit dem allzu flotten Fahren ist es vorbei. Zwar kann die «Spassbremse» kurzfristig ausgetrickst werden. Endgültig loszuwerden ist sie aber nicht. Der Tempoassistent schaltet sich jedes Mal automatisch wieder ein, sobald das Auto neu gestartet wird.
Dass die neue EU-Regel auch in der Schweiz gilt, hat damit zu tun, dass die fahrzeugtechnischen Vorschriften harmonisiert sind. Grundlage ist das bilaterale Abkommen über den Abbau technischer Handelshemmnisse (MRA). So sind neue Fahrzeuge auch in der Schweiz mit Fahrassistenzsystemen ausgerüstet.
Aber: «Der Geschwindigkeitsassistenz stellt eine Ausnahme dar und wird explizit nicht in die Schweizer Vorschriften aufgenommen», sagt Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen (Astra) auf Anfrage. Das heisst: Die Fahrzeughersteller haben keine Pflicht, den Pieps-Assistenten auch für Schweizer Autos zu verbauen respektive zu aktivieren.
Dass sie es trotzdem tun, liegt daran, dass der Schweizer Markt für eine Speziallösung zu klein ist. Das «Gebimmel» nachträglich in der Garage manuell zu deaktivieren, ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Es würde nicht nur Aufwand verursachen, sondern auch in die Sicherheitssoftware des Fahrzeuges eingreifen. Bei modernen Autos, die einem fahrenden Laptop gleichen, eine heikle Sache.
Bei den Händlern ist der «EU-Hilfspolizist» natürlich ein Thema. Von den Kunden erhalte man unterschiedlichste Rückmeldungen, sagt Dino Graf von der Amag: «Von Verständnis bis zu komplettem Unverständnis und Ärger über die ‹Bevormundung› erleben unsere Mitarbeitenden in der Garage alles.» Auch bei Mercedes-Benz ist der Geschwindigkeitsassistent Standard und kann nicht ausgeschaltet werden. Viele Kunden würden die «akustische Warnung aber schätzen, das sie vor einer Busse warnt», sagt Sprecherin Livia Steiner.
Wer sich trotzdem nervt, rennt bei den Verursachern in Brüssel gegen eine Wand. Argumentiert wird nüchtern, mit einer grossen Menge an Zahlen. Und ja, sie sprechen eine deutliche Sprache: Über 20'000 Tote gibt es jedes Jahr auf Europas Strassen. Davon stirbt mehr als ein Drittel durch zu schnelles Fahren. Und es trifft längst nicht nur jene hinter dem Lenkrad, sondern oft auch Fussgänger, Velofahrer, Kinder. Das Argument «Freie Fahrt für freie Bürger» relativiert sich da rasch.
Etwas Trost über den gefühlten Freiheitsverlust kann vielleicht die Vergangenheit spenden: Der Einführung der Gurtentragpflicht in den 1980er-Jahren begegneten ebenfalls viele kritisch. Und auch die Einführung der Promillegrenze in den 1960er-Jahren löste teilweise ablehnende Reaktionen aus. Bevormundung? Hiess es damals auch. Heute ist beides selbstverständlich.
Der intelligente Fahrassistent ist ohnehin nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum komplett autonomen Fahren.
Ab März dieses Jahres tritt in der Schweiz die revidierte Strassenverkehrsordnung in Kraft. Sie macht (teil)automatisiertes Fahren in definierten Situationen wie zum Beispiel auf der Autobahn möglich. Neben dem in den USA hergestellten Tesla sind auch gewisse Oberklassewagen von BMW oder Mercedes schon Autopilot-fähig. Bislang hat sich aber noch kein Hersteller beim Astra gemeldet, um eine entsprechende Zulassung zu beantragen.
Fazit: In nicht allzu ferner Zukunft dürften die meisten Autos komplett ohne Zutun des Fahrers oder der Fahrerin auskommen. Einen halb intelligenten, piepsenden Tacho-Polizisten braucht es dann auch nicht mehr. (aargauerzeitung.ch)
So ein Gugus. Das dauert noch mehrere Jahrzehnte.