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8 arabische Prinzessinnen in Belgien verurteilt: «Es war moderne Sklaverei»

8 arabische Prinzessinnen in Belgien verurteilt: «Es war moderne Sklaverei»

23.06.2017, 16:23
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Das Urteil ist 95 Seiten lang. Die Vorsitzende Richterin braucht über eine Stunde, um es vorzulesen. Mehrmals greift sie zum Wasserglas.

Das Schriftstück enthält viele Details über die erniedrigenden Bedingungen, unter denen die Angestellten einer Scheich-Witwe und sieben ihrer Töchter in einem Brüsseler Hotel arbeiten mussten. Es ist eine Geschichte über Sklaverei, wie sie heute noch existiert, auch mitten in Europa.

Gerade mal zehn Gehminuten liegen zwischen dem Gericht im prunkvollen Brüsseler Justizpalast, wo das Urteil am Freitagmorgen verkündet wird, und dem mittlerweile neugeführten Luxushotel, wo die Prinzessinnen 2007 und 2008 mit ihrer Entourage residierten. Den gesamten vierten Stock hatte die Familie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten für sich gemietet.

Ständig einsatzbereit, jeden noch so kleinen und grossen Wunsch der acht Prinzessinnen erfüllen, arbeiten Tag und Nacht, ohne Aussicht auf Erholung und faktisch eingesperrt: So sahen laut Urteil die Arbeitsbedingungen aus, unter denen die mehr als 20 Bediensteten unterschiedlicher Herkunft für die Hoheiten schuften mussten.

Zuvor hatte die Familie die Frauen unter falschen Versprechungen für ihre Dienste angeworben, einigen wurden die Pässe abgenommen. Bekannt wurden die Zustände, weil Bedienstete flüchteten und die Behörden informierten.

Mildes Urteil

Jetzt wurden die Prinzessinnen wegen Menschenhandels und erniedrigender Behandlung ihrer Angestellten zu jeweils 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ausserdem soll jede eine Geldstrafe in Höhe von 165'000 Euro zahlen. Davon ist laut Richterspruch jeweils nur die Hälfte sofort fällig.

Die Auszahlung des Restbetrags ist nur dann fällig, wenn sich die Prinzessinnen nach belgischem Recht etwas zu Schulden kommen lassen. Die Familie hat aber längst das Land verlassen. Vertreten werden sie vor Gericht, wie ihre Opfer auch, von Anwälten.

Die Ankläger hatten jeweils 18 Monate und insgesamt fast 1.9 Millionen Euro gefordert. Das Urteil fiel laut Richtern milder aus, weil seit den Taten immerhin neun Jahre vergangen sind. Dem Start des Prozesses im Mai dieses Jahres war ein jahrelanges juristisches Hin und Her vorausgegangen.

Geld für «moralischen Schaden»

Verstösse gegen das Sozial- und Arbeitsrecht sahen die belgischen Richter zudem als nicht erwiesen an: Nicht die Prinzessinnen, sondern ein Privatunternehmen mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten war Arbeitgeber der Angestellten. Dass die Inhaber der Firma Mitglieder der Scheich-Familie sind, wie die Anklage schon zu Beginn der Verhandlungen darlegte, fiel für die Richter nicht ins Gewicht.

Einige Opfer erhalten Geld für den erlittenen «moralischen Schaden», nicht für den erlittenen materiellen Schaden. Die Beträge variieren, mal sind es 5000, mal 1800 Euro. Ein Anwalt hatte deutlich mehr gefordert. Berufung ist möglich.

«Die Prinzessinnen waren effektiv die Arbeitgeber unserer Mandantinnen», kritisiert Nebenklägervertreter Jean-Pierre Jacques nach dem Urteil. Gleichzeitig seien er und seine Kollegen zufrieden, weil das Gericht deutlich festgestellt habe, «dass es sich um eine moderne Form von Sklaverei handelt».

21 Mio. Menschen von Sklaverei betroffen

Diese ist, wie der Prinzessinnen-Fall zeigt, noch immer ein Problem. Zwar ist Sklaverei international verboten, sie existiert faktisch dennoch. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) werden weltweit fast 21 Millionen Menschen zur Arbeit in Fabriken, auf Feldern, in Privathaushalten oder auf Baustellen gezwungen.

Auch in Europa gebe es eine hohe Dunkelziffer, heisst es bei der gemeinnützigen Organisation International Justice Mission (IJM). Zwar geht die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels in Deutschland seit Jahren zurück. Es werde allerdings kaum Anzeige erstattet, so die Organisation.

Viele Fälle des weiter gefassten Sklaverei-Begriffs, der auch Formen von Prostitution umfasst, hätten zudem eine internationale Dimension, erklärt der IJM-Vorstandsvorsitzende Dietmar Roller: etwa über Touristen, die beim Asien-Aufenthalt Kinder missbrauchten, oder über Lieferketten, in denen Sklaverei zu finden ist. «Oder eben bei den arabischen Prinzessinnen, die ihre Haussklaven nach Europa mitbringen», sagt Roller. (sda/dpa)

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Baba ♀️
23.06.2017 16:49registriert Januar 2014
"Das Urteil fiel laut Richtern milder aus, weil seit den Taten immerhin neun Jahre vergangen sind."

Es ist mir neu, dass Rechtsprechung auf dem Grundsatz 'die Zeit heilt Wunden' basiert... Aber anscheinend ist das in Belgien so. Oder eine Monarchie wollte der andern nicht an den Karren fahren. Man weiss ja nie, ob wegen so einem zu harschen Urteil für ein paar 'Putzen' nicht noch ein Geschäft mit den potenten VAE bachab gehen könnte 😈.

Ich finde die Begründung für die Milde des Urteils skandalös.
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23.06.2017 21:18registriert Juni 2016
Ich finde es begrüssenswert, dass überhaupt ein Schuldspruch (wenn auch für die sicher sehr gut betuchten Prinzesdinnen lachhaft kleine Geldbeträge) ausgesprochen wurde. Bis jetzt haben westliche Gerichte meist gekuscht, weil sie es mit diesen reichen Ländern nicht verderben wollten.
Wie soll ein Gericht diesen Schuldspruch durchsetzen? Das geht ja gar nicht. Das nächste Mal werden sie eben nicht nach Belgien reisen...
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AdiB
23.06.2017 17:11registriert August 2014
Da lachen sich die prinzessinen ja schlapp.
Ich kann mir aber gut vorstellen dass es in jedem königshaus so her geht. Auch ist bei gewiessen au-pair angestellten.
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