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Das Problem mit Schwarzer und Precht? Monika Maron bringt es auf den Punkt

Precht Schwarzer
David Precht (l.) und Alice Schwarzer.Bild: Shutterstock/Keystone
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Schriftstellerin prangert die deutschen Putin-Versteher an – und bringt es auf den Punkt

Monika Maron rechnet mit den wichtigsten Putin-Verstehern Deutschlands ab.
25.04.2022, 13:1625.04.2022, 13:46
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In den letzten Tagen konnte man ein seltenes Medien-Phänomen beobachten: Die «Weltwoche» und der «infosperber» feierten gemeinsam Alice Schwarzer ab. Der Grund war eine Kolumne, welche die Übermutter des deutschen Feminismus in ihrer Postille «Emma» veröffentlicht hatte. Darin plädierte Schwarzer dafür, man solle doch um Gottes Wille Wladimir Putin nicht dämonisieren, sondern stattdessen Verständnis für seine Forderungen aufbringen und sich sofort mit ihm an den Verhandlungstisch setzen.

Der rechte «Weltwoche»-Chef Roger Köppel und der linke «infosperber»-Zampano Urs Gasche konnten sich nicht einkriegen ob der Klugheit dieser Frau, welche sich so wohltuend von der Russland-Hetze in den Mainstream-Medien abheben würde.

Streitbare Schriftstellerin: Monika Maron.
Streitbare Schriftstellerin: Monika Maron. Bild: imago-images

Bereits vor mehr als einem Monat durfte sich Richard David Precht über zwei Seiten im «Blick» über Gott und die Welt auslassen. Der deutsche Star-Philosoph wurde von seinem neoliberalen Schweizer Gegenpart, dem ehemaligen NZZ-Kulturchef René Scheu, zu allen möglichen und unmöglichen Seiten der persönlichen Freiheit befragt.

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Dass Precht in der Vergangenheit eine der lautesten Stimmen im Putin-Versteher-Chor Deutschlands gewesen war, wurde diskret unter den Teppich gekehrt. Einzig die Äusserung, er verfolge den Krieg in der Ukraine «maximal mitfühlend und maximal kühl», war dem Star-Philosophen zu entlocken. Und: «Es geht um das Einstehen für Menschlichkeit – und um das Einhegen des Krieges. Diesen Widerspruch müssen wir wohl aushalten. Mehr will ich dazu nicht sagen.»

Schwarzer und Precht sind zwei Feigenblätter, welche sich die Putin-Versteher im deutschen Sprachbereich derzeit gerne umhängen, wenn es darum geht, noch halbwegs unversehrt aus der Nummer herauszukommen, in die sie sich selbst manövriert haben. Die Schriftstellerin Monika Maron mag diesem Schmierentheater nicht mehr länger zuschauen. In der «NZZ» hat sie mit Schwarzer und Precht abgerechnet. Maron galt als bedeutende Schriftstellerin der ehemaligen DDR, bevor sie in den Achtzigerjahren in den Westen geflüchtet ist.

Precht hat kürzlich erklärt: «Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, aber auch die Pflicht und Klugheit, einzusehen, wann man sich ergeben muss.»

«Was glauben eigentlich all jene, die diesem ungeheuerlichen Satz zustimmen?», entgegnet Maron. «Frieden? Und wenn ja, Frieden für wen? Was Putin mit einer besiegten Ukraine vorhat, hat er klar und deutlich gesagt. Er wird sie sich einverleiben, als Staat und eigenständige Nation vernichten.»

Ein Text der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Darin wird zu einem Massenmord an den Ukrainern aufgefordert, denn sie seien alle «Nazis», auch wenn sie nicht zu den Waffen gegriffen hätten.

In ihrem Kommentar macht sich Alice Schwarzer nicht nur für Putin stark, sie zieht gar den Mut der ukrainischen Kämpfer in den Dreck. «Wo Helden sind, sind die Vergewaltigten und die Toten nicht weit», schreibt sie. Angesichts der Bilder aus Butscha und Mariupol sind solche Aussagen jenseits der Grenzen des Erlaubten.

Zu Recht fragt sich Maron auch, weshalb Precht und Schwarzer ihre Friedensappelle an Wolodymyr Selenskyj richten. «Aber warum richten diese Verteidiger des Friedens ihre Forderungen an die Ukraine, warum nicht an Putin? Und warum glauben sie, dass Putin, wenn er die Ukraine niedermetzeln durfte, sich nicht ermutigt fühlt, sich den nächsten Traum zu erfüllen, die Moldau, oder vielleicht sogar das Baltikum?»

Historische Vergleiche sind stets heikel, doch die Parallelen zwischen Putins Krieg und Hitlers Angriff auf Polen sind so offensichtlich, dass sie ein Blinder mit dem Stock sehen kann. «Umso mehr verwundern die Vorwürfe des Bellizismus und der Kriegslüsternheit gegen alle, die der Ukraine den Sieg ermöglichen wollen», stellt Maron fest.

epa07589489 US writer Anne Applebaum leaves the Elysee following his meeting with French President Emmanuel Macron (not pictured) and others European Philosophers and Intellectuals in Paris, France, 2 ...
Hat über die Ukraine geforscht: die Historikerin Anne Applebaum.Bild: EPA/EPA

Die Schriftstellerin ist keine einsame Warnerin in der Wüste. So kommen etwa Anne Applebaum und Timothy Snyder, zwei renommierte Historiker, welche die Geschichte der Ukraine zu ihrem Schwerpunkt gemacht haben, zum gleichen Schluss. Vor allem aber sind es die Ukrainer selbst, die ihre Freiheit und Unabhängigkeit verteidigen wollen, koste es, was es wolle.

Präsident Selenskyj hat schon bei Ausbruch des Krieges darauf verzichtet, von den Amerikanern in Sicherheit gebracht zu werden. Er brauche kein Taxi, sondern Munition, erklärte er in einem inzwischen legendären Zitat.

Ebenso legendär ist, was die paar ukrainischen Soldaten auf den Schlangeninseln dem angreifenden, inzwischen versenkten russischen Schlachtschiff «Moskwa» entgegengeschleudert haben sollen: «Fick dich, russisches Schlachtschiff!».

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422 Kommentare
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Ueli_DeSchwert
25.04.2022 13:26registriert September 2018
Es trennt sich der Spreu vom Weizen. Wer irrational und entgegen aller Vernunft putin-versteherisch argumentiert zeigt, dass er/sie nicht in der Lage ist, komplexe Zusammenhänge auch nur im Ansatz zu verstehen. "Star-Philosophe" my ass.
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raues Endoplasmatisches Retikulum
25.04.2022 13:31registriert Juli 2017
"Der deutsche Star-Philosoph"
lol, Precht ist was man bekommt, wenn man einen Philosphen auf Wish bestellt.
Precht ist nichts mehr als die mediale Allzweckwaffe, der an zu jedem X-beliebigen Thema seine 5 Sätzchen sagen kann und vermutlich von sicher selber noch denkt, er hàtte jeweils etwas sehr profundes gesagt.
Dann liest man mal was von Appelbaum oder Snyder und merkt relativ schnell, dass die effektiv eine Ahnung haben, von was sie sprechen.
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Firefly
25.04.2022 14:56registriert April 2016
Und ich dachte gerade die Frau Schwarzer müsse doch die putinsche Erzählung durchschauen zumal sie einer üblichen Erzählung eines Vergewaltigers gleicht, der sich also Opfer einer "freizügigen" Provokation darstellt und desshalb nicht anders habe handeln können als zur Tat zu schreiten.

Liebe Frau Schwarzer, sagen sie denn einem Opfer von Vergewaltigung auch; hätten sie sich doch lieber ein bisschen sittlicher angezogen und den Mann nicht noch mit ihrer Freizügigkeit provoziert, dann wäre der Friede gewahrt geblieben?
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