Der Vorwurf an die Linke, keine Patrioten zu sein, gehört zum Standard-Repertoire der Rechten. Im Deutschen Reich verunglimpfte Kaiser Wilhelm II. Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten als «vaterlandslose Gesellen». Hierzulande unterstellt die SVP dem politischen Gegner Landesverrat. Die Aussage ist immer dieselbe: Ihr seid keine Patrioten, aber wir schon.
Auch in den USA sind die Rollen der patentierten Patrioten und vaterlandslosen Gesellen klar verteilt. Erstere wird von den Republikanern beansprucht, letztere den Demokraten aufgezwungen. Was haben wir da in den vergangenen acht Jahren alles gehört!
Sean Hannity, der selbst bei Fox News regelmässig über den rechten Rand hinausstolpert, echauffierte sich einst über den fehlenden Pin mit der US-Flagge an Obamas Anzug. Der republikanische Ex-Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, sagte unumwunden, «Obama liebt Amerika nicht».
Trump behauptete lange, Obama sei nicht einmal Amerikaner. Im Verlauf des Wahlkampfs wurde er etwas subtiler, als er ihm vorwarf, mit Freihandelsabkommen die heimische Industrie und damit den amerikanischen Arbeiter verraten zu haben. Er selbst bekennt sich zu «America First» und verspricht, Amerika zu alter Grösse zurückzuführen. Mit patriotischen, Pardon, republikanischen Mehrheiten im Abgeordnetenhaus und im Senat.
Der einzige Misston in diesem patriotischen Dreiklang ist die Sache mit Putin. Die US-Geheimdienste sagen – und sogar Trump selbst akzeptiert inzwischen – dass Russland versucht hat, mit Desinformation und Hackerangriffen den Ausgang des Urnengangs im November zu beeinflussen.
Preisfrage:
Kann sich ein Amerikaner ernsthaft Patriot nennen, wenn er diese dreiste Einmischung Russlands nicht klar verurteilt? Besonders schwer tat und tut sich damit Donald Trump. Er befürchtet, ein solches Eingeständnis würde den Glanz seines Sieges schmälern. Ja, Russland habe gehackt, sagte er kürzlich, als er es nicht mehr länger leugnen konnte – aber die Chinesen täten es auch. Andere Republikaner, die beim Thema «National Security» sonst den Hals nicht voll genug kriegen, gaben sich ebenfalls verdächtig kleinlaut.
Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang besagter Flaggenpin-Patriot Sean Hannity, der von allen Republikanern die vielleicht erstaunlichste Verwandlung durchgemacht hat. Der Fox-News-Moderator traf kürzlich Julian Assange in dessen Kammer in der ecuadorianischen Botschaft in London zum Interview. Der Wikileaks-Gründer betonte einmal mehr, die Quelle der gehackten E-Mails der US-Demokraten sei nicht Russland. Wem glaubt Hannity nun, den Geheimdiensten seines Heimatlandes oder den Behauptungen eines Australiers, den er vor nicht allzu langer Zeit beschuldigt hatte, «Krieg gegen die USA zu führen»? Einmal darfst du raten.
Das ist erbärmlich und vor allem ist es unpatriotisch. Bei Licht betrachtet ist es das Gegenteil von patriotisch, nämlich sektiererisch: Was kümmern uns die Russen, solange unser Pferd gewinnt. Wer Parteibuch über Staatsangehörigkeit stellt, der ist kein grosser Patriot. Wenn er sich zusätzlich erdreistet, anderen fehlende Vaterlandsliebe vorzuhalten, dann ist er noch ein Heuchler dazu.