Zehntausende Ungarn haben am Samstag bei dem traditionellen Pride-Marsch in Budapest gegen die für sexuelle Minderheiten restriktive Politik der Regierung demonstriert. In zahlreichen Anspielungen richtete sich der Protest gegen die am Vortag verhängte Rekordstrafe gegen eine Buchhandelskette, weil diese ein Comic-Buch für Jugendliche mit LGBTI-Thematik vorschriftswidrig zum Verkauf angeboten habe.
Nach Angaben der Veranstalter gingen 35 000 Menschen bei glühender Hitze auf die Strasse, unter ihnen auch der US-Botschafter in Ungarn, David Pressman. Die Regierungen der USA und 36 weiterer Länder - darunter alle EU-Staaten ausser Polen - hatten kurz nach dem Vorgehen gegen den Buchhändler in einem gemeinsamen Brief gegen die Diskriminierung Nicht-Heterosexueller in Ungarn protestiert.
Der Buchvertrieb Lira war am Freitag von einem Regierungsamt mit der Rekord-Geldstrafe von 12 Millionen Forint (32 000 Euro) belegt worden. Die Begründung war, dass Lira die ungarische Version des Comicbuchs «Heartstopper» von Alice Oseman ohne die vorschriftsmässige Schutzfolie zum Verkauf angeboten habe.
Seit zwei Jahren gilt in Ungarn ein sogenanntes «Kinderschutzgesetz». Es schreibt Buchhandlungen vor, dass Bücher, die Homosexualität, Transsexualität, Geschlechtsanpassungen oder «Sexualität aus Selbstzweck» in irgendeiner Weise ansprechen, nicht in der Abteilung für Jugendbücher angeboten werden dürfen und in Folie verpackt werden müssen, damit darin nicht geblättert werden kann. Das für Jugendliche ab 14 Jahren empfohlene Buch handelt von zwei Teenager-Jungen, die sich ineinander verlieben.
Die EU-Kommission hatte Ungarn Ende vergangenen Jahres wegen des Gesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Unter anderem sieht sie die Informationsrechte von Jugendlichen eingeschränkt, was gegen EU-Grundrechte verstossen würde. (sda/dpa)
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