Es wird in diesen Tagen viel über Szenarien für ein Ende des Ukraine-Krieges gesprochen. Nicht zuletzt, weil der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump am Freitag in Alaska erstmals in Trumps zweiter Amtszeit persönlich aufeinandertreffen.
Nach einem Gespräch von Trumps Unterhändler Steve Witkoff mit Putin kursieren aktuell mehrere Versionen eines möglichen Waffenstillstands. Die Erwartungen an das Treffen sind daher gross. Auch wenn dort wohl noch keine endgültige Lösung präsentiert werden kann, kommen doch Fragen auf, wie es in Russland weitergehen könnte, wenn der Krieg vorbei ist.
Dabei zeigt sich, dass das russische Regime bereits Vorkehrungen getroffen und seine Strategie zur Kontrolle der Bevölkerung angepasst hat. Derweil gibt es in der Opposition diverse Pläne für ein System nach Putin.
Doch auch ohne radikale Umsturzpläne sieht das Exilportal «Meduza» Gefahrenpotenzial für die russische Führung, sollte der Krieg enden. Denn trotz eines vermeintlichen Sieges könnten Fragen nach den Kosten, der Verantwortung und den Folgen aufkommen. Schliesslich gab es schon während der Kriegszeit negative Reaktionen aus der Gesellschaft – trotz repressiver Massnahmen des Regimes.
In der Folge ergriff Russland bereits zu Beginn des Krieges eine Reihe an Massnahmen, um die Stimmung in der Gesellschaft zu kontrollieren. In den ersten Kriegswochen wurden mehrere neue Bestimmungen erlassen – unter anderem ein neues «Fake News»-Gesetz, das Menschen bestrafen soll, die der offiziellen Darstellung des Krieges in der Ukraine widersprechen oder dagegen protestieren.
Die Behörden griffen zunächst hart durch. Über 14'000 Festnahmen gab es allein im ersten Monat. Durch eine Kriegszensur wurden auch unabhängige Medien weitgehend zum Schweigen gebracht. Doch mittlerweile hat sich die Strategie verändert. Es gibt deutlich weniger Verurteilungen, die Proteste sind verschwunden. Das autoritäre Vorgehen hat Spuren in der Gesellschaft hinterlassen.
Dafür ist die Regierung bemüht, öffentliche Exempel zu statuieren, um die Angst vor Repressionen weiter aufrechtzuerhalten. Einzelne Fälle werden selektiv ausgewählt und mit besonders hohen Strafen versehen. Die 30-jährige Nadine Geisler wurde etwa wegen Hochverrats und Terrorismusfinanzierung zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem sie eine Freiwilligengruppe gegründet hatte, die ukrainische Geflüchtete unterstützt hatte. So soll auch für die Zeit nach dem Krieg vorgesorgt werden, dass ein grosses Aufbäumen gegen die Regierung unterdrückt wird.
Zudem wurde ein neues Bundesprogramm zur Überwachung der digitalen Aktivitäten der eigenen Bürger entwickelt. Dieses soll laut «Meduza» auch das Verhalten der eigenen Bürger prägen. Dazu kommt eine Form des Geschichtsrevisionismus. Opfer des Stalinismus werden plötzlich nicht mehr anerkannt, die Erinnerung an politische Repressionen wird unterdrückt. Unterdrückung soll zur neuen Normalität werden.
Laut «Meduza» soll die Bevölkerung so für eine Zeit nach Putin gefügig gemacht werden. Demnach soll eine loyale Gesellschaft entstehen, ein Szenario, auf das offenbar auch die russischen Eliten setzen. Sie erhoffen sich eine trainierte Bevölkerung, die an Unterwerfung, an Entscheidungen ohne echte Wahlmöglichkeit und an eine von oben vorgegebene Agenda gewöhnt ist.
Luis Schenoni, Politikwissenschaftler am University College London, sieht für Russland im Falle eines Sieges eine günstige Ausgangslage. In einem Aufsatz für den Politikwissenschaftsblog «The Loop» prognostiziert er eine Stärkung der Institutionen und eine Festigung der Macht. Dabei analysiert die Situation in Russland anhand des Vergleichs mit vergangenen Kriegsausgängen und ihren Auswirkungen.
Doch es gibt auch andere Visionen in Russland. In der Opposition wurden bereits verschiedene Strategien ausgearbeitet, wie eine Gesellschaft nach dem Krieg – und vor allem ohne Wladimir Putin aussehen könnte.
Das Portal «Re:Russia» zählt mindestens sechs Reformprogramme eines zukünftigen Russlands, die von verschiedenen Gruppen erarbeitet wurden. Die meisten davon basieren auf einer Idee der «Stunde Null». Es geht um einen scharfen, krisenbedingten Wendepunkt, der als Basis für eine Neugestaltung des politischen Systems dienen soll. Wie genau es zu diesem Punkt kommen soll, wird grösstenteils allerdings nicht genau definiert.
Was viele der Vorschläge gemeinsam haben: Sie wollen das politische System nach Putin radikal umbauen und streben einen Parlamentarismus nach deutschem Vorbild an. Eine wesentliche Basis sollen starke Kommunen bilden. Diese sollen mehr Befugnisse erhalten – und der Umbau soll mit Kommunalwahlen ganz unten beginnen.
Viele der Reformpläne mahnen dabei zu einem schnellen Umbau innerhalb weniger Wochen – sie fürchten Widerstand gegen die radikalen Reformen.
Das aktuelle russische Regime dürfte versuchen, diesen Widerstand zu befeuern, um daraus Kapital zu schlagen. Eine Umsetzung der Reformpläne wird es so lange nicht geben, wie die Regierung an der Macht ist. Vielmehr steuert Russland auf eine deutlich autoritärere Regierungsform zu, als es vor dem Krieg der Fall war.
Verwendete Quellen:
Sie machen den für Machtmenschen typischen Fehler, "Respekt" mit "Angst" zu verwechseln.
Denn Untergebene, die Angst haben, treffen meistens keine wirklich guten und nützlichen Entscheidungen. So verschwenden z.B. Kommandeure unzählige Menschenleben für einen Vorstoss von einigen Kilometern für das Hissen der Russischen Fahne in einigen zu unbewohnbaren Ruinen gebombten Ukrainischen Dörfern...