Der noch relativ unbekannte russische Rapper Vacio war einer von vielen Stars und Sternchen, die sich am 20. Dezember im Moskauer Club «Mutabor» vergnügte. Das Motto lautete «fast nackt». Das nahm sich Vacio, gebürtig Nikolai Vasiliev, zu Herzen und tauchte lediglich mit einer Socke über seinem besten Stück auf. Aber hey, nicht irgendeine Socke, sondern eine von Balenciaga.
Ob namhafte Marke oder nicht – dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war das Wurst. Ihm ging die Penis-Socke, so wie überhaupt die ganze Party gehörig gegen den Strich. Während sich die russische Öffentlichkeit hauptsächlich darüber aufregte, dass Menschen halb nackt dekadente Partys feierten, während russische Truppen in der Ukraine in kalten Schützengräben ausharrten, hatte Putin noch andere Gründe. Er will Russland in eine noch konservativere und anti-liberalere Richtung lenken, wofür er am 30. November 2023 unter anderem die LGBTQ+-Bewegung als terroristisch hat einstufen lassen.
Dass dann weniger als einen Monat später namhafte Promis halb nackt an einer Party miteinander tanzten und schäkerten, kam ihm einer Ohrfeige gleich. Umso mehr, da viele Teilnehmende als Lieblinge des Kremls galten.
Die grosse Fete fand gleich über mehrere Tage statt: Im Moskauer Club Mutabor ertönten vom 20. bis 22. Dezember die Bässe. Während in der ersten Nacht nur Promis eingeladen waren (und wenige Tickets für horrende Preise gekauft werden konnten), war der Club am 21. Dezember auch für die Öffentlichkeit geöffnet. Organisiert wurde die Party von der bekannten Bloggerin Anastasia 'Nastya' Ivleeva.
The rapper Vacio, who came to the scandalous "naked party" in Moscow in one sock, was summoned to the military recruitment office
— NEXTA (@nexta_tv) January 8, 2024
The rapper's lawyers said that after Vasilyev served the first 15 days in a special detention center, he was taken to the military recruitment center… pic.twitter.com/7yKU9s02Cw
Es dauerte nicht lange, bis Bilder und Videos des Events in den sozialen Medien kursierten. So freizügig das Bildmaterial war, so bedeckt hielt sich die russische Regierung – Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beantworte an Medienkonferenzen keine Fragen dazu. Von den russischen Medien wurde die Organisatorin sowie alle Teilnehmenden allerdings zerrissen. Der Propagandist und Moderator Wladimir Solowjow wetterte auf Telegram:
Rapper Vacio erhielt die Quittung schnell: Zwei Tage nach der Party wurde er vor Gericht zitiert und unter dem Vorwurf des berüchtigten «Schwulenpropaganda»-Gesetzes zu 15 Tagen Haft verurteilt. Grund dafür war offenbar ein Video, in dem ihm die Balenciaga-Socke vom Penis gezogen worden war. Seine Einsprüche, dass er nichts mit der LGBTQ-Bewegung am Hut hätte, fand kein Gehör.
Als er gemäss der russischen Tageszeitung Moskowski-Komsomolez am 7. Januar von Mitgliedern der Kommission zur Überwachung der Öffentlichkeit (Public Monitoring Commission) im Gefängnis besucht worden war, versuchte er erneut, sich zu verteidigen:
Weiter erklärte er, dass das Outfit bloss eine künstlerische Provokation gewesen sei. Und er versicherte:
Am 5. Januar hätte Vacio nach seinen 15 Tagen Haft eigentlich freigelassen werden sollen. Stattdessen sei er gemäss eigenen Angaben direkt zum Militärregistrierungs- und Einberufungsbüro in der Nähe des Bahnhofs Belorusskaya gebracht worden, wo er eine Vorladung für den 9. Januar erhalten habe. Danach sei er zur Polizei gebracht und erneut zur Party befragt worden. Daraufhin habe er erzählt, wie er die Leute, die ihm die Socke abgezogen hätten, verflucht habe. Für diese Fluchwörter sei er am darauffolgenden Tag direkt wieder vor Gericht gestellt und für weitere 10 Tage Haft verurteilt worden.
Aufgrund der weiteren 10 Tage Haft, die ihm aufgebrummt worden seien, könne sich Vacio am 9. Januar gar nicht zum Dienst melden, schreibt das russische Tagblatt Moskovski Komsomolez weiter. Zudem habe er eine frühere medizinische Untersuchung für den Militärdienst in seiner Heimat Jekaterinburg nicht bestanden. Aus diesem Grund sei es unwahrscheinlich, dass er eingezogen werden würde.
Auch andere Party-Teilnehmende fürchten sich vor Repressionen. Kurz nach dem Event sah man unzählige bekannte Gesichter in Entschuldigungsvideos, die versuchten, ihre Gunst beim russischen Präsidenten wiederzuerlangen. So auch Bloggerin und Moderatorin Ivleeva. In einem 20 Minuten langen Video erzählte sie ihre ganze Lebensgeschichte und schwor unter den Tränen, dass sie den Präsidenten und das Land liebe. Vergebens: Für die Organisation der Party wurde sie zu einer Geldstrafe von 200'000 Rubel (1800 Schweizer Franken) verurteilt. Zudem droht auch ihr eine Gefängnisstrafe, nachdem eine Untersuchung wegen Steuerhinterziehung gegen sie eingeleitet worden war.
Wie es jetzt für Rapper Vacio konkret weitergeht, ist noch unklar. Allerdings erhält er Unterstützung aus der Musikbranche: Der Frontmann der Gruppe Puppies ist bei einem Konzert in St. Petersburg ebenfalls nur mit einer Socke bekleidet aufgetreten.
The lead singer of the group "Puppies" went on stage wearing one sock during a performance in St. Petersburg
— NEXTA (@nexta_tv) January 8, 2024
Thus, the guy decided to support the rapper "Vacio" who is now serving 15 days after the scandalous "almost naked" party in Moscow.
State Duma deputies have already… pic.twitter.com/mrzoe6nA8B
Aber an einer "fast nackt"-Party feiern, und das nur mit einer Socke am Penis, wo kommen wir da hin?
Und ich möchte nicht wissen, was für Orgien der kleine Zar vom Kreml abhält.