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Penis in Socke könnte für russischen Rapper an Kriegsfront enden

Penis in Balenciaga-Socke könnte für russischen Rapper an der Kriegsfront enden

Noch im Dezember vergnügte sich Rapper Vacio mit zahlreichen Stars an einer äusserst freizügigen Party in Moskau. Sein bestes Stück bedeckte er dabei lediglich mit einer Socke. Dafür muss er jetzt büssen.
08.01.2024, 20:0308.01.2024, 20:03
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Der noch relativ unbekannte russische Rapper Vacio war einer von vielen Stars und Sternchen, die sich am 20. Dezember im Moskauer Club «Mutabor» vergnügte. Das Motto lautete «fast nackt». Das nahm sich Vacio, gebürtig Nikolai Vasiliev, zu Herzen und tauchte lediglich mit einer Socke über seinem besten Stück auf. Aber hey, nicht irgendeine Socke, sondern eine von Balenciaga.

Rapper Nikolai Vasiliev, Vacio mit Balenciaga Socke.
Rapper Nikolai Vasiliev, «Vacio», mit seinem fragwürdigen Fashion-Statement.Bild: X

Ob namhafte Marke oder nicht – dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war das Wurst. Ihm ging die Penis-Socke, so wie überhaupt die ganze Party gehörig gegen den Strich. Während sich die russische Öffentlichkeit hauptsächlich darüber aufregte, dass Menschen halb nackt dekadente Partys feierten, während russische Truppen in der Ukraine in kalten Schützengräben ausharrten, hatte Putin noch andere Gründe. Er will Russland in eine noch konservativere und anti-liberalere Richtung lenken, wofür er am 30. November 2023 unter anderem die LGBTQ+-Bewegung als terroristisch hat einstufen lassen.

Dass dann weniger als einen Monat später namhafte Promis halb nackt an einer Party miteinander tanzten und schäkerten, kam ihm einer Ohrfeige gleich. Umso mehr, da viele Teilnehmende als Lieblinge des Kremls galten.

Die verhängnisvolle, feuchtfröhliche Party

Die grosse Fete fand gleich über mehrere Tage statt: Im Moskauer Club Mutabor ertönten vom 20. bis 22. Dezember die Bässe. Während in der ersten Nacht nur Promis eingeladen waren (und wenige Tickets für horrende Preise gekauft werden konnten), war der Club am 21. Dezember auch für die Öffentlichkeit geöffnet. Organisiert wurde die Party von der bekannten Bloggerin Anastasia 'Nastya' Ivleeva.

Es dauerte nicht lange, bis Bilder und Videos des Events in den sozialen Medien kursierten. So freizügig das Bildmaterial war, so bedeckt hielt sich die russische Regierung – Kreml-Sprecher Dmitri Peskow beantworte an Medienkonferenzen keine Fragen dazu. Von den russischen Medien wurde die Organisatorin sowie alle Teilnehmenden allerdings zerrissen. Der Propagandist und Moderator Wladimir Solowjow wetterte auf Telegram:

«Ist das Sodom oder Gomorrha? Was alles habt ihr nicht verstanden, über das Land, über Putin, über das Volk? Im Land herrscht Krieg, aber ihr Bestien, ihr Abschaum, organisiert das alles.»

Dem Rapper droht die russische Front

Rapper Vacio erhielt die Quittung schnell: Zwei Tage nach der Party wurde er vor Gericht zitiert und unter dem Vorwurf des berüchtigten «Schwulenpropaganda»-Gesetzes zu 15 Tagen Haft verurteilt. Grund dafür war offenbar ein Video, in dem ihm die Balenciaga-Socke vom Penis gezogen worden war. Seine Einsprüche, dass er nichts mit der LGBTQ-Bewegung am Hut hätte, fand kein Gehör.

Als er gemäss der russischen Tageszeitung Moskowski-Komsomolez am 7. Januar von Mitgliedern der Kommission zur Überwachung der Öffentlichkeit (Public Monitoring Commission) im Gefängnis besucht worden war, versuchte er erneut, sich zu verteidigen:

«Ich ging mit einem Freund durch den Club, mehrere Leute kamen auf mich zu. Mir war nicht sofort klar, dass es sich bei zwei von ihnen um junge Männer handelte, die als Frauen verkleidet waren. Und einer von ihnen hat mir dreist die Socke abgerissen.»

Weiter erklärte er, dass das Outfit bloss eine künstlerische Provokation gewesen sei. Und er versicherte:

«Ich wollte auf mich aufmerksam machen, ich liebe Frauen, ich suche eine Frau, ich lehne LGBT ab und ich verstehe nicht, warum mir das zugeschrieben wird.»

Am 5. Januar hätte Vacio nach seinen 15 Tagen Haft eigentlich freigelassen werden sollen. Stattdessen sei er gemäss eigenen Angaben direkt zum Militärregistrierungs- und Einberufungsbüro in der Nähe des Bahnhofs Belorusskaya gebracht worden, wo er eine Vorladung für den 9. Januar erhalten habe. Danach sei er zur Polizei gebracht und erneut zur Party befragt worden. Daraufhin habe er erzählt, wie er die Leute, die ihm die Socke abgezogen hätten, verflucht habe. Für diese Fluchwörter sei er am darauffolgenden Tag direkt wieder vor Gericht gestellt und für weitere 10 Tage Haft verurteilt worden.

Aufgrund der weiteren 10 Tage Haft, die ihm aufgebrummt worden seien, könne sich Vacio am 9. Januar gar nicht zum Dienst melden, schreibt das russische Tagblatt Moskovski Komsomolez weiter. Zudem habe er eine frühere medizinische Untersuchung für den Militärdienst in seiner Heimat Jekaterinburg nicht bestanden. Aus diesem Grund sei es unwahrscheinlich, dass er eingezogen werden würde.

Weitere Promis fürchten sich

Auch andere Party-Teilnehmende fürchten sich vor Repressionen. Kurz nach dem Event sah man unzählige bekannte Gesichter in Entschuldigungsvideos, die versuchten, ihre Gunst beim russischen Präsidenten wiederzuerlangen. So auch Bloggerin und Moderatorin Ivleeva. In einem 20 Minuten langen Video erzählte sie ihre ganze Lebensgeschichte und schwor unter den Tränen, dass sie den Präsidenten und das Land liebe. Vergebens: Für die Organisation der Party wurde sie zu einer Geldstrafe von 200'000 Rubel (1800 Schweizer Franken) verurteilt. Zudem droht auch ihr eine Gefängnisstrafe, nachdem eine Untersuchung wegen Steuerhinterziehung gegen sie eingeleitet worden war.

Wie es jetzt für Rapper Vacio konkret weitergeht, ist noch unklar. Allerdings erhält er Unterstützung aus der Musikbranche: Der Frontmann der Gruppe Puppies ist bei einem Konzert in St. Petersburg ebenfalls nur mit einer Socke bekleidet aufgetreten.

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86 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Scrat
08.01.2024 20:51registriert Januar 2016
Was man daraus lernen kann, liebe Putinversteher: Demokratie und Freiheit gilt nur so lange, wie man nach der Pfeife des Zarowitsch tanzt. Tanzt man jedoch aus der Reihe, (er-)finden die Apparatschiks des Staates bestimmt irgend eine Sache, um dich ganz lange zu schikanieren oder gar in den Tod zu schicken. Schöne Welt.
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Wile E.
08.01.2024 21:00registriert April 2021
Ein Land angreifen, zivile Ziele bombardieren und Kinder entführen, das geht ja noch.
Aber an einer "fast nackt"-Party feiern, und das nur mit einer Socke am Penis, wo kommen wir da hin?
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Schlaf
08.01.2024 20:40registriert Oktober 2019
Na das die Russen keine eigenen "coole" Klamottenmarken haben..
Und ich möchte nicht wissen, was für Orgien der kleine Zar vom Kreml abhält.
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