Der Sommer scheint fast kein Ende zu nehmen. In den nächsten Tagen steigen die Temperaturen im Schweizer Mittelland auf Werte von gegen 25 Grad, und das Mitte Oktober. Damit setzt sich der Trend eines Jahres fort, das ohnehin deutlich wärmer und vor allem trockener ist als der Durchschnitt. In solchen Fällen wird schnell einmal der Klimawandel als Ursache herangezogen.
Nun aber sind Wetter und Klima zwei unterschiedliche Phänomene. Trotzdem werden sie gerne vermischt. «Klimaskeptiker» etwa nehmen jede Kältewelle zum Anlass, um die vom Menschen verursachte Erderwärmung als Schwindel abzutun. Dabei hat der Weltklimarat der Vereinten Nationen in seinem neusten Bericht klar aufgezeigt, dass es mehr als fünf vor zwölf ist.
Betrachtet man die Statistiken, dann ist das angestrebte Ziel einer Erderwärmung um «nur» 1,5 Grad schwer bis gar nicht zu erreichen. Die gute Nachricht aber ist, dass sich sehr viel tut in Richtung einer massiven Senkung des CO2-Ausstosses. Immer mehr Städte, Regionen und Unternehmen verpflichten sich zu teilweise einschneidenden Massnahmen.
Kalifornien ist der grösste US-Bundesstaat und eine der zehn grössten Volkswirtschaften der Welt. Seit Jahren wird die Förderung der erneuerbaren Energien massiv vorangetrieben. Im September folgte der nächste Meilenstein: Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete ein Gesetz, mit dem Kalifornien seine Stromversorgung bis 2045 vollständig auf saubere Energien umstellen will. Das Gesetz ist auch eine Reaktion auf die klimafeindliche Politik von US-Präsident Donald Trump.
Andere Länder setzen sich ebenfalls hohe Ziele. Die Erdölnation Norwegen will das erste Land der Welt werden, das ausschliesslich saubere Quellen für seinen Energiebedarf nutzt. Ab 2025 sollen Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mehr verkauft werden dürfen. Nachbar Schweden will die «Netto-Emission» von Treibhausgasen bis 2045 auf null reduzieren.
Für Aufsehen sorgte am Dienstag ein Gerichtsurteil in den Niederlanden. Es verpflichtet den Staat in zweiter Instanz, den CO2-Ausstoss bis Ende 2020 um mindestens 25 Prozent zu reduzieren. In zahlreichen Ländern wurden ähnliche Prozesse angestrebt. Ebenfalls am Dienstag beschlossen die EU-Umweltminister eine Verschärfung der CO2-Grenzwerte für Neuwagen bis 2030.
London und New York gehören zu den dynamischsten und innovativsten Metropolen der Welt. Im September veröffentlichten die Stadtpräsidenten Sadiq Khan und Bill de Blasio im «Guardian» einen Aufruf an alle Städte, nicht länger in fossile Energien zu investieren. Im Visier haben sie vor allem die Pensionskassen, sie sollen sich aus entsprechenden Projekten zurückziehen.
Khan und de Blasio verweisen auch auf ihre Anstrengungen im Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien. So hat New York seine Solarenergiekapazität seit 2013 versechsfacht. Ihre Initiative läuft im Rahmen des C40-Netzwerks, das mehr als 90 Metropolen umfasst. Deren Engagement gegen den Klimawandel hat Gründe. Urbane Gebiete sind von Hitzewellen stärker betroffen als ländliche Gebiete, und Küstenstädte sind vom Anstieg der Meeresspiegel bedroht.
Einrichtungen für die Altersvorsorge verwalten riesige Summen, die angelegt werden wollen. Die Städteinitiative zielt nicht umsonst auf die Pensionskassen. Auch in diesem Bereich tut sich einiges. So haben zwei der grössten Pensionskassen in Südkorea – jene der Lehrkräfte und der Staatsangestellten – angekündigt, die Finanzierung von Kohle künftig zu boykottieren.
Es ist ein wichtiger Schritt, ist Südkorea doch der weltweit fünftgrösste Investor in Kohle. Fast 1000 finanzstarke Organisationen weltweit haben sich zum Kohleausstieg verpflichtet, darunter grosse Player wie Deutsche Bank und HSBC. Das ist auch nötig, denn laut dem Weltklimarat muss der Kohleverbrauch bis 2030 um zwei Drittel und bis 2050 vollständig eliminiert werden.
Wirtschaft und Klimawandel ist ein schwieriges Thema. Die Autoindustrie etwa tut sich nach wie vor schwer mit schärferen CO2-Grenzwerten, wie sie die EU nun beschlossen hat. Es gibt aber auch positive Beispiele. Das beginnt bei Nischenplayern wie dem Outdoor-Ausrüster Patagonia, der schon lange voll auf die Karte Nachhaltigkeit setzt.
Doch auch Grosskonzerne denken zunehmend um, wie CNN berichtet. Der Konsumgüterriese Unilever gilt als «Weltmarktführer» im Bereich Nachhaltigkeit. Er strebt bis 2030 eine positive CO2-Bilanz an. Der Schweizer Konkurrent Nestle will ab 2020 nur noch nachhaltig produziertes Palmöl verwenden. Der Möbelgigant Ikea setzt auf erneuerbare Energien, und Tesla stellt nicht nur Elektroautos her, sondern verpflichtet auch seine Zulieferer zu einer umweltfreundlichen Produktion.
Das Öko-Engagement von Unternehmen ist nicht unumstritten. Oft wird der Vorwurf des «Greenwashing» laut, mit dem umweltschädliche Aktivitäten kaschiert werden sollen. Je mehr reale und positive Beispiele es jedoch gibt, umso grösser ist der Druck, sich ebenfalls zu verändern.
Die Klimabilanz sieht auf den ersten Blick erfreulich aus. Die Wirtschaft arbeitet im Energiebereich vergleichsweise effizient, der Pro-Kopf-Ausstoss von CO2 ist niedriger als in China. Aber während gerade China zu den Ländern gehört, die enorme Anstrengungen bei den erneuerbaren Energien unternehmen, hinkt die Schweiz hinterher.
«Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die das Klimaziel durch Kompensation im Ausland erreichen wollen. Das ist nicht kompatibel mit dem Pariser Abkommen», kritisiert Christian Lüthi, Geschäftsführer der Klima-Allianz Schweiz. Die Statistik zeige ein verzerrtes Bild. So importiert die Schweiz viele Konsumgüter aus China – und mit ihnen «graue» Emissionen.
Noch trüber ist die Bilanz, wenn man die Investitionen auf dem Finanzplatz einberechnet: «Die dadurch verursachten Emissionen sind 20 Mal höher als die direkten Emissionen der Schweiz.» Doch die Grossbanken CS und UBS tun sich im Gegensatz zu ausländischen Konkurrenten schwer mit dem Ausstieg aus der Kreditvergabe für die Förderung von fossilen Brennstoffen.
Zumindest die Nationalbank soll mit gutem Beispiel vorangehen. Dies fordert eine parlamentarische Initiative der Waadtländer Grünen-Nationalrätin Adèle Thorens. Über die Erfolgschancen macht sich Lüthi keine Illusionen; der Vorstoss wurde in der vorberatenden Kommission klar abgeschmettert. Trotzdem sei der politische Druck wichtig.
Keine gute Falle macht die Schweiz bei den Pensionskassen. Das betrifft auch jene der Stadt Zürich, die sich zum 2000-Watt-Ziel verpflichtet hat. Sie will laut dem «Tages-Anzeiger» nur zögerlich aus Investitionen in Kohle, Öl und Gas aussteigen.
Für Christian Lüthi von der Klima-Allianz denken die Berater der Pensionskassen oft extrem kurzfristig: «Sie sagen sich, wenn andere aus der Kohle aussteigen, müssen wir erst recht einsteigen. Das führt in die falsche Richtung.» Deshalb müssten die Versicherten aktiv werden: «Viele fahren aus Rücksicht auf das Klima mit Zug und Velo, machen diese Anstrengungen jedoch mit den Investitionen ihrer Pensionskasse zunichte.»