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Klimaschutz kommt voran, die Schweiz aber schwächelt

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Die Glitzermetropole New York will beim Klimaschutz einen Zacken zulegen.Bild: AP/AP

Immer mehr Good News beim Klimaschutz – ausser in der Schweiz

Der Weltklimarat fordert zu raschem Handeln im Kampf gegen die Erderwärmung auf. Viele Städte, Regionen, Unternehmen und Investoren haben wichtige Schritte eingeleitet. Keine gute Falle aber macht die Schweiz.
12.10.2018, 14:2025.05.2020, 14:57
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Der Sommer scheint fast kein Ende zu nehmen. In den nächsten Tagen steigen die Temperaturen im Schweizer Mittelland auf Werte von gegen 25 Grad, und das Mitte Oktober. Damit setzt sich der Trend eines Jahres fort, das ohnehin deutlich wärmer und vor allem trockener ist als der Durchschnitt. In solchen Fällen wird schnell einmal der Klimawandel als Ursache herangezogen.

Nun aber sind Wetter und Klima zwei unterschiedliche Phänomene. Trotzdem werden sie gerne vermischt. «Klimaskeptiker» etwa nehmen jede Kältewelle zum Anlass, um die vom Menschen verursachte Erderwärmung als Schwindel abzutun. Dabei hat der Weltklimarat der Vereinten Nationen in seinem neusten Bericht klar aufgezeigt, dass es mehr als fünf vor zwölf ist.

Betrachtet man die Statistiken, dann ist das angestrebte Ziel einer Erderwärmung um «nur» 1,5 Grad schwer bis gar nicht zu erreichen. Die gute Nachricht aber ist, dass sich sehr viel tut in Richtung einer massiven Senkung des CO2-Ausstosses. Immer mehr Städte, Regionen und Unternehmen verpflichten sich zu teilweise einschneidenden Massnahmen.

Länder und Regionen

Kalifornien ist der grösste US-Bundesstaat und eine der zehn grössten Volkswirtschaften der Welt. Seit Jahren wird die Förderung der erneuerbaren Energien massiv vorangetrieben. Im September folgte der nächste Meilenstein: Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete ein Gesetz, mit dem Kalifornien seine Stromversorgung bis 2045 vollständig auf saubere Energien umstellen will. Das Gesetz ist auch eine Reaktion auf die klimafeindliche Politik von US-Präsident Donald Trump.

Andere Länder setzen sich ebenfalls hohe Ziele. Die Erdölnation Norwegen will das erste Land der Welt werden, das ausschliesslich saubere Quellen für seinen Energiebedarf nutzt. Ab 2025 sollen Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mehr verkauft werden dürfen. Nachbar Schweden will die «Netto-Emission» von Treibhausgasen bis 2045 auf null reduzieren.

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Wind- und Solarkraftwerk in Kalifornien: Der grösste US-Bundesstaat will seine Stromversorgung bis 2045 auf saubere Energien umstellen.Bild: EPA/EPA

Für Aufsehen sorgte am Dienstag ein Gerichtsurteil in den Niederlanden. Es verpflichtet den Staat in zweiter Instanz, den CO2-Ausstoss bis Ende 2020 um mindestens 25 Prozent zu reduzieren. In zahlreichen Ländern wurden ähnliche Prozesse angestrebt. Ebenfalls am Dienstag beschlossen die EU-Umweltminister eine Verschärfung der CO2-Grenzwerte für Neuwagen bis 2030.

Städte

London und New York gehören zu den dynamischsten und innovativsten Metropolen der Welt. Im September veröffentlichten die Stadtpräsidenten Sadiq Khan und Bill de Blasio im «Guardian» einen Aufruf an alle Städte, nicht länger in fossile Energien zu investieren. Im Visier haben sie vor allem die Pensionskassen, sie sollen sich aus entsprechenden Projekten zurückziehen.

«Hitzewellen wie diese werden sich künftig häufen»

Video: srf

Khan und de Blasio verweisen auch auf ihre Anstrengungen im Bereich Energieeffizienz und erneuerbare Energien. So hat New York seine Solarenergiekapazität seit 2013 versechsfacht. Ihre Initiative läuft im Rahmen des C40-Netzwerks, das mehr als 90 Metropolen umfasst. Deren Engagement gegen den Klimawandel hat Gründe. Urbane Gebiete sind von Hitzewellen stärker betroffen als ländliche Gebiete, und Küstenstädte sind vom Anstieg der Meeresspiegel bedroht.

Investoren

Einrichtungen für die Altersvorsorge verwalten riesige Summen, die angelegt werden wollen. Die Städteinitiative zielt nicht umsonst auf die Pensionskassen. Auch in diesem Bereich tut sich einiges. So haben zwei der grössten Pensionskassen in Südkorea – jene der Lehrkräfte und der Staatsangestellten – angekündigt, die Finanzierung von Kohle künftig zu boykottieren.

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Das Braunkohlerevier Garzweiler in Deutschland. Immer mehr Investoren ziehen sich aus der Kohle zurück.Bild: EPA/EPA

Es ist ein wichtiger Schritt, ist Südkorea doch der weltweit fünftgrösste Investor in Kohle. Fast 1000 finanzstarke Organisationen weltweit haben sich zum Kohleausstieg verpflichtet, darunter grosse Player wie Deutsche Bank und HSBC. Das ist auch nötig, denn laut dem Weltklimarat muss der Kohleverbrauch bis 2030 um zwei Drittel und bis 2050 vollständig eliminiert werden.

Unternehmen

Wirtschaft und Klimawandel ist ein schwieriges Thema. Die Autoindustrie etwa tut sich nach wie vor schwer mit schärferen CO2-Grenzwerten, wie sie die EU nun beschlossen hat. Es gibt aber auch positive Beispiele. Das beginnt bei Nischenplayern wie dem Outdoor-Ausrüster Patagonia, der schon lange voll auf die Karte Nachhaltigkeit setzt.

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Tesla verpflichtet auch seine Zulieferer zu einer umweltfreundlichen Produktion.Bild: AP/AP

Doch auch Grosskonzerne denken zunehmend um, wie CNN berichtet. Der Konsumgüterriese Unilever gilt als «Weltmarktführer» im Bereich Nachhaltigkeit. Er strebt bis 2030 eine positive CO2-Bilanz an. Der Schweizer Konkurrent Nestle will ab 2020 nur noch nachhaltig produziertes Palmöl verwenden. Der Möbelgigant Ikea setzt auf erneuerbare Energien, und Tesla stellt nicht nur Elektroautos her, sondern verpflichtet auch seine Zulieferer zu einer umweltfreundlichen Produktion.

Das Öko-Engagement von Unternehmen ist nicht unumstritten. Oft wird der Vorwurf des «Greenwashing» laut, mit dem umweltschädliche Aktivitäten kaschiert werden sollen. Je mehr reale und positive Beispiele es jedoch gibt, umso grösser ist der Druck, sich ebenfalls zu verändern.

Und die Schweiz?

Die Klimabilanz sieht auf den ersten Blick erfreulich aus. Die Wirtschaft arbeitet im Energiebereich vergleichsweise effizient, der Pro-Kopf-Ausstoss von CO2 ist niedriger als in China. Aber während gerade China zu den Ländern gehört, die enorme Anstrengungen bei den erneuerbaren Energien unternehmen, hinkt die Schweiz hinterher.

«Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die das Klimaziel durch Kompensation im Ausland erreichen wollen. Das ist nicht kompatibel mit dem Pariser Abkommen», kritisiert Christian Lüthi, Geschäftsführer der Klima-Allianz Schweiz. Die Statistik zeige ein verzerrtes Bild. So importiert die Schweiz viele Konsumgüter aus China – und mit ihnen «graue» Emissionen.

Die grössten Klimasünder

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Die grössten Klimasünder
Weltkarte: Beitrag einzelner Staaten zur Klimaerwärmung in Grad Celsius (siehe farbige Temperaturleiste unten).
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Noch trüber ist die Bilanz, wenn man die Investitionen auf dem Finanzplatz einberechnet: «Die dadurch verursachten Emissionen sind 20 Mal höher als die direkten Emissionen der Schweiz.» Doch die Grossbanken CS und UBS tun sich im Gegensatz zu ausländischen Konkurrenten schwer mit dem Ausstieg aus der Kreditvergabe für die Förderung von fossilen Brennstoffen.

Zumindest die Nationalbank soll mit gutem Beispiel vorangehen. Dies fordert eine parlamentarische Initiative der Waadtländer Grünen-Nationalrätin Adèle Thorens. Über die Erfolgschancen macht sich Lüthi keine Illusionen; der Vorstoss wurde in der vorberatenden Kommission klar abgeschmettert. Trotzdem sei der politische Druck wichtig.

Keine gute Falle macht die Schweiz bei den Pensionskassen. Das betrifft auch jene der Stadt Zürich, die sich zum 2000-Watt-Ziel verpflichtet hat. Sie will laut dem «Tages-Anzeiger» nur zögerlich aus Investitionen in Kohle, Öl und Gas aussteigen.

Für Christian Lüthi von der Klima-Allianz denken die Berater der Pensionskassen oft extrem kurzfristig: «Sie sagen sich, wenn andere aus der Kohle aussteigen, müssen wir erst recht einsteigen. Das führt in die falsche Richtung.» Deshalb müssten die Versicherten aktiv werden: «Viele fahren aus Rücksicht auf das Klima mit Zug und Velo, machen diese Anstrengungen jedoch mit den Investitionen ihrer Pensionskasse zunichte.»

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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nik G.
12.10.2018 14:39registriert Januar 2017
Find eich alles super, nur werden unter anderem die ganz grossen Drecksschleudern wie Kreuzfahrtschiffe und Supertanker nicht behandelt. Das Perfide bei diesen Schiffen ist noch, in den Städten wie Hamburg werden alte Autos verbannt aber diese Schiffe können ihre Motoren nicht ausschalten. Somit wird eine gigantische Menge Feinstaub und CO2 in die Stadt geblasen.
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tolgito
12.10.2018 17:37registriert August 2018
Von wegen immer mehr Good News beim Klimaschutz- ausser in der Schweiz... der darunter liegende Artikel auf der News Seite zeigt sogleich folgenden Artikel
Kitzbühel startet die Ski-Saison – bei 20 Grad im Schatten... brauchts da noch mehr Worte?!
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Herr J.
12.10.2018 15:40registriert März 2016
Die Schweiz hat gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Kopf schon heute einen extrem tiefen CO2-Ausstoss. Grund dafür ist die (noch) fast CO2-freie Stromproduktion. Deshalb ist ein Franken im Ausland massiv besser investiert als in der eh schon vergleichsweise sauberen Schweiz. Nur Öko-Nationalisten und Profiteure wollen auf Teufel komm raus in der Schweiz die Ziele erreichen. Das ist derart teuer und ineffizient - meiner Ansicht nach kompletter Irrsinn.
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