Die Queen hat bei den Golden Globes alle ausgestochen. «Stranger Things», «Westworld» und «Game of Thrones» hatten keine Chance. «The Crown», die bisher teuerste Netflix-Produktion, wurde zur besten TV-Serie gekürt. Echt jetzt? Spinnen die in Hollywood? Sind die alle auf «Downton Abbey»-Entzug? Was ist los? Und war die Queen eigentlich jemals was anderes als die reichste Grossmutter der Welt? War die mal interessant?
Oh ja! Elizabeth II. war in jungen Jahren tatsächlich ein Sexsymbol ihrer Zeit. Sie teilte sich mit Marilyn Monroe den Jahrgang 1926 und ein paar äusserliche Merkmale, sie war mit 1,63 Metern drei Zentimeter kleiner als Monroe, hatte eine schmale Taille, eine wahrnehmbare Oberweite und vom Reiten schöne Beine. Männer nannten sie «hot».
Dies wäre nun alles vollkommen unwichtig, wenn es darum ginge, die Verdienste der Queen zu würdigen, es hätte in dem Zusammenhang sogar ausnehmend nichts zu suchen. Aber es hilft ein wenig, die irrsinnige Begeisterung zu verstehen, die Elizabeth zuflog, als sie mit nur 25 Jahren Königin wurde.
Denn die Queen – und das zeigt der Netflix-Hit «The Crown» sehr schön – war nicht einfach eine Königin, sie war die erste TV-Königin. Sie war die schöne junge Frau, deren Krönung mit einem Schlag 27 Millionen (und dies nur in Grossbritannien) Menschen schauten. Es war der Tag, der das Fernsehen zum Massenmedium und Elizabeth in der ausgemergelten Nachkriegswelt zur Lichtgestalt machte. Und es war – neben ihren Pferden – der grösste Exzess, den sich die strenge, selbstkritische Elizabeth erlaubte.
Ihre Bildung schätzte sie damals selbst als unzulänglich ein, ihre Reden wirkten immer etwas überdiszipliniert und steif. Hinter den Kulissen traf sie im Namen der Krone Entscheidungen – auch gegen ihre Nächsten –, die man nur kaltherzig nennen kann. Aber gemeinsam mit dem Bildmedium Fernsehen schaffte sie es, als Erscheinung zu glänzen und vieles zu überstrahlen. Was für eine Virtuosin der Eigen-PR.
Und was für eine Steilvorlage für eine perfekt berechnete Serie. Ein klassischer Netflix-Algorithmus-Coup. Irgendwo zwischen Rosamunde Pilcher und «House of Cards». Und: nach vielen wahren Geschichten. Tatsächlich sind die fiktionalen Ausschmückungen der Wahrheit sehr spärlich gesetzt. Der Schmuck besteht in den Bildern: Schlösser, Zeremonien, Weltreisen, Bälle, die Krone ...
Erfunden hat «The Crown» der Brite Peter Morgan. Er kennt seine Königin bestens, er hat über die viel ältere Elizabeth bereits einmal ein Drehbuch geschrieben, Stephen Frears hat es verfilmt, Helen Mirren gewann dafür ihren Oscar, es hiess «The Queen». Morgan bewegt sich geschickt zwischen Anbetung und Sarkasmus, zwischen amerikanischem Pathos und britischer Sprödheit.
«The Crown» ist ein vollendetes Produkt. Wie die Queen selbst. Es haben sich da zwei getroffen. Und was für «Game of Thrones», «Westworld» und «Stranger Things» schon länger gilt, das gilt auch hier: Das Resultat ist eine verfluchte Droge.