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Iranische Kletterin zieht ihr Kopftuch aus – jetzt wird sie vermisst

Elnaz Rekabi (IRI), AUGUST 15, 2019 - Climbing : IFSC Climbing World Championships 2019 Hachioji Women s Lead Semi-final at Esforta Arena in Tokyo, Japan. NOxTHIRDxPARTYxSALES. PUBLICATIONxINxGERxSUIx ...
Berichten zufolge soll Rekabi bereits auf dem Weg zurück in den Iran sein – und dort auf direktem Weg ins Gefängnis gebracht werden. (Archivbild aus dem Jahr 2019)Bild: www.imago-images.de

Iranische Kletterin zieht ihr Kopftuch aus – jetzt wird sie vermisst

Die iranische Spitzenkletterin Elnaz Rekabi zog ihr Kopftuch bei einem Wettkampf aus, was als Solidaritätsbekundung gegenüber den Protesten in ihrem Land gewertet wurde. Nun fehlt von ihr jede Spur.
18.10.2022, 06:4118.10.2022, 13:55
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Was ist passiert?

Elnaz Rekabi, iranische Kletterin.
Elnaz Rekabi ohne Kopftuch am Montag in Seoul.Bild: twitter/cheragh_aseman

Elnaz Rekabi ist 33-jährig und eine iranische Sportkletterin. Am Montag sorgte die Athletin bei den Asienmeisterschaften im südkoreanischen Seoul für Aufsehen. Rekabi trat nämlich ohne den Hidschab an, das traditionelle Kopftuch, das Iranerinnen gemäss den islamischen Gesetzen im Land in der Öffentlichkeit tragen müssen. Die Aktion wurde von Beobachtern als Solidaritätsbekundung mit den Protesten in ihrem Land gewertet.

Rekabi wird nun vermisst. Ihre Freunde konnten seit Sonntagabend keinen Kontakt mehr zu ihr aufnehmen, das berichtet die BBC. Angeblich wurden der Athletin im Anschluss an den Wettkampf Handy und Pass abgenommen. Ihr Aufenthaltsort ist derzeit unbekannt. Einem Bericht der BBC zufolge soll Rekabi bereits auf dem Weg zurück in den Iran sein.

Bereits unmittelbar nach Rekabis Auftritt in Seoul wurde spekuliert, dass dieser Konsequenzen für die Sportlerin haben könnte. Während die 33-Jährige in den sozialen Medien für ihren Mut gefeiert wurde, reagierten iranische Medien mit Empörung. Das staatsnahe Blatt «Hamshari» schrieb beispielsweise: «Bleibt abzuwarten, wie das Sportministerium auf diese Aktion reagieren wird.»

Das sagt der Iran

Die iranische Botschaft in Seoul wies die Anschuldigungen zurück - die 33-Jährige und ihr Team würden wie geplant am Dienstag wieder nach Teheran zurückfliegen, hiess es.

Das sagt Rekabi

In einer Instagram-Story eines Accounts, der Rekabi zugeschrieben wird, entschuldigte sich die Sportlerin dafür, kein Kopftuch getragen zu haben. «Durch ein unpassendes Timing und einen unvorhersehbaren Aufruf zum Klettern» habe sie das Kopftuch unabsichtlich nicht getragen, hiess es darin. «Zurzeit bin ich mit dem Team auf dem Weg in den Iran, gemäss dem vorher vereinbarten Zeitplan.»

Beobachter deuteten die Entschuldigung als erzwungene Stellungnahme. Die iranischen Behörden üben regelmässig Druck auf Aktivisten im In- und Ausland aus. Auch im Staatsfernsehen werden ähnliche Entschuldigungen veröffentlicht, die von Menschenrechtsgruppen als erzwungene Geständnisse kritisiert werden.

Warum sorgte die Aktion für derart grossen Wirbel?

Im Iran ist es für Frauen obligatorisch, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen und auch den Rest des Körpers zu bedecken. Zurück geht das auf die islamischen Gesetze, die mit der Revolution von 1979 eingeführt wurden.

Das Kopftuchgebot gilt auch für Sportlerinnen, auch wenn sie bei Wettbewerben ausserhalb des eigenen Landes antreten. Laut Medienberichten droht Rekabi mindestens der Ausschluss aus der Nationalmannschaft – und den nun geäusserten Befürchtungen zufolge noch einiges mehr.

Was geschieht nun mit Rekabi?

Die Sorgen um die Spitzensportlerin sind nämlich nun gross. Auf Twitter äussern sich unzählige Menschen, die befürchten, dass Rekabi etwas angetan werden könnte und sie sich nach ihrem Verschwinden in Gefahr befindet.

Gabriel Noronha, ehemaliger Sonderberater der USA für den Iran, schreibt, dass Rekabi auf direktem Weg ins berüchtigte Ewin-Gefängnis gebracht werden solle. Sie sei unter einem Vorwand in die iranische Botschaft in Seoul gelockt worden. Er bezieht sich dabei auf das iranische Newsportal «IranWire».

Das Ewin-Gefängnis war in den vergangenen Tagen bereits in den Schlagzeilen, als es dort einen Gefangenenaufstand und ein Feuer gab. Im Gefängnis werden seit jeher missliebige Personen des iranischen Staates eingesperrt, häufig handelt es sich um politische Gefangene. (con)

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44 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Habedi
18.10.2022 07:53registriert Januar 2016
Riesen Respekt für die Frau! Sie wusste genau, was sie erwartet und hats trotzdem gemacht. Hoffentlich kommt sie schnell und unversehrt wieder frei.
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Haarspalter
18.10.2022 07:21registriert Oktober 2020
Mit der gewaltsamen Durchsetzung dieser völlig absurden Kleidervorschriften unter dem Deckmantel der Religion verliert die Iranische Regierung jegliche Glaubwürdigkeit in In- und Ausland.

Wer seine Autorität auf diese Weise demonstrieren muss, offenbart seine eigene charakterliche und strukturelle Schwäche.

Die Iranische Bevölkerung kann einem wirklich Leid tun.

2022 scheint das Jahr zu sein, in welchem sich Regimes von vorgestern wie Russland und Iran (hoffentlich) selber demontieren.
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holden27
18.10.2022 07:41registriert Februar 2015
Und die reichen Iranerinnen fliegen regelmässig in die Türkei zum shoppen usw., dort interessiert es niemanden, im Flugzeug trägt niemand ein Kopftuch, dieses wird erst bei der Landung wieder angezogen. Das ist dich so ein Witz. Hoffe für sie dass der Druck durch die Proteste grösser wird und sie dadurch (unversehrt) wieder frei kommt.
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