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Seuchengefahr: Im Sudan stapeln sich die Leichen auf offener Strasse

Im Sudan stapeln sich Leichen auf offener Strasse

09.08.2023, 20:1616.08.2023, 10:38
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Tausende von Leichen sollen in Khartum, der Hauptstadt des Sudans, auf offener Strasse liegen. Die Leichenhäuser befinden sich wegen unzureichender Kapazitäten am Rande der Belastungsgrenze.

Aufgrund von Stromausfällen können die Leichenhallen nicht richtig gekühlt werden, wodurch die Leichen durch die Hitze verwesen. Die Seuchenangst sitzt tief. So tief, dass sich kein medizinisches Personal mehr traut, sich um die Leichen zu kümmern, wie die Ärztegewerkschaft Sudanese Doctors Syndicate berichtet.

Der Arzt und Direktor für Gesundheit und Ernährung von Save the Children, Bashir Kamal Eldin Hamid, fühlt sich schuldig:

«Die Unfähigkeit, den Verstorbenen ein würdevolles Begräbnis zu ermöglichen, ist ein weiterer Grund für das Leid der Familien.»

Ohnehin hängt das Gesundheitssystem im Land am seidenen Faden: Ein Krankenhaus schliesst nach dem anderen, es mangelt an Ärztinnen und Ärzten. Medikamente werden geplündert. Blutkonserven fehlen.

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Menschen bereiten in einem Viertel von Khartum Essen zu, am Freitag, 16. Juni 2023.Bild: keystone
This satellite photo from Planet Labs PBC shows fires burning at Khartoum International Airport in Khartoum, Sudan, Wednesday, April 19, 2023. Explosions and heavy gunfire rattled the Sudanese capital ...
Dieses Satellitenfoto zeigt Feuer am internationalen Flughafen von Khartum, 19. April 2023.Bild: AP Planet Labs PBC

In den wenigen Gesundheitseinrichtungen, wo Menschen noch behandelt werden, ist das Personal am Anschlag. Von 89 Krankenhäusern seien seit Beginn des Konfliktes mindestens 70 zerstört worden, wie die Vereinten Nationen berichten.

«Wir erleben, wie sich eine Gesundheitskrise anbahnt, zusätzlich zu einer Krise aus Trauer, Angst und Schmerz.»
Bashir Kamal Eldin Hamid

Angst vor Cholera-Ausbruch

In der Hauptstadt ist Berichten zufolge kein Tag ohne schwere Artillerie- oder Luftangriffe vergangen, wobei auch Zivilisten getötet wurden. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Hauptstadt sind in ihren Häusern gefangen – praktisch ohne Strom und Wasser.

Nun sind sie einer neuen Bedrohung ausgesetzt: der Seuchengefahr.

«Die Kombination aus steigenden Leichenzahlen, gravierender Wasserknappheit, nicht funktionierenden Hygiene- und Sanitäreinrichtungen sowie mangelnden Möglichkeiten zur Wasseraufbereitung schürt auch die Angst vor einem Cholera-Ausbruch in der Stadt», schildert Save the Children unter Berufung auf eine Ärztegewerkschaft. Die Hilfsorganisation leistet Hilfe vor Ort.

Sudanese refugees who fled the conflict in Sudan gather July 1, 2023 at the Zabout refugee Camp in Goz Beida, Chad. The U.N. says the conflict in Sudan has driven more than 3.1 million people from the ...
Sudanesische Flüchtlingslager im Tschad, 1. Juli 2023.Bild: keystone

Keine Visa für medizinisches Notfallpersonal

Bei der Arbeit eingeschränkt ist derzeit auch das Team von Ärzte ohne Grenzen, das sich täglich um rund 15 Kriegsverletzte in zwei der übrig gebliebenen Krankenhäuser im Süden der Hauptstadt kümmert. Beinahe 20 Mitarbeiter sind Mitte Juni von bewaffneten Angreifern bedroht und misshandelt worden. Die Organisation hat sich trotz der Gefahr entschieden, im Land zu bleiben. Wie lange die Arbeit fortgeführt werden kann, ist allerdings ungewiss.

Die medizinische Nothilfe ist derzeit durch ausstehende Visaanträge gefährdet. «Ohne die Visavergabe durch die sudanesischen Behörden könnten wir bald gezwungen sein, unsere Unterstützung einzustellen», schreibt die Organisation auf Twitter. Das Notfallpersonal müsse regelmässig ausgetauscht werden und ohne Visum werde das einsatzbereite Team nicht in den Sudan aufbrechen.

Neben der Seuchengefahr sprechen die Vereinten Nationen von einer untragbaren Situation in Camps für Geflüchtete. Der Bedarf geht weit über das hinaus, was an verfügbaren Ressourcen geleistet werden kann, berichtet UNHCR. Es fehle an Nahrung und Medikamenten. Seit Beginn der Kämpfe seien über 300 Menschen, hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren, aufgrund von Masern und Unterernährung gestorben.

Nach zwei Jahrzehnten Krieg und Frieden sind im Sudan in diesem Jahr neue Kämpfe entfacht. Seit April kämpft die Armee gegen die einst verbündete paramilitärische Einheit Rapid Support Forces (RSF) um die Macht im Land. Fast 25 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen sind der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge auf humanitäre Hilfe angewiesen.

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Braendli
09.08.2023 21:33registriert September 2022
Schrecklich was für ein unermessliches Leid die zwei Kontrahenten über die Bevölkerung bringen.
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Gitarrenmensch
09.08.2023 22:37registriert Mai 2021
Was für ein Horror!
Solche Meldungen machen mich immer fassungslos…
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honesty_is_the_key
09.08.2023 23:29registriert Juli 2017
Was ich auch schrecklich finde: diese Gewalt, gegenüber ehemaligen Verbündeten. Als hätte der Sudan nicht schon genügend Gewalt erlebt. Die Menschen im Sudan (und im Südsudan) hätten endlich etwas Frieden, Stabilität und Ruhe verdient.
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