Tausende von Leichen sollen in Khartum, der Hauptstadt des Sudans, auf offener Strasse liegen. Die Leichenhäuser befinden sich wegen unzureichender Kapazitäten am Rande der Belastungsgrenze.
Aufgrund von Stromausfällen können die Leichenhallen nicht richtig gekühlt werden, wodurch die Leichen durch die Hitze verwesen. Die Seuchenangst sitzt tief. So tief, dass sich kein medizinisches Personal mehr traut, sich um die Leichen zu kümmern, wie die Ärztegewerkschaft Sudanese Doctors Syndicate berichtet.
Der Arzt und Direktor für Gesundheit und Ernährung von Save the Children, Bashir Kamal Eldin Hamid, fühlt sich schuldig:
Ohnehin hängt das Gesundheitssystem im Land am seidenen Faden: Ein Krankenhaus schliesst nach dem anderen, es mangelt an Ärztinnen und Ärzten. Medikamente werden geplündert. Blutkonserven fehlen.
In den wenigen Gesundheitseinrichtungen, wo Menschen noch behandelt werden, ist das Personal am Anschlag. Von 89 Krankenhäusern seien seit Beginn des Konfliktes mindestens 70 zerstört worden, wie die Vereinten Nationen berichten.
In der Hauptstadt ist Berichten zufolge kein Tag ohne schwere Artillerie- oder Luftangriffe vergangen, wobei auch Zivilisten getötet wurden. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Hauptstadt sind in ihren Häusern gefangen – praktisch ohne Strom und Wasser.
Nun sind sie einer neuen Bedrohung ausgesetzt: der Seuchengefahr.
«Die Kombination aus steigenden Leichenzahlen, gravierender Wasserknappheit, nicht funktionierenden Hygiene- und Sanitäreinrichtungen sowie mangelnden Möglichkeiten zur Wasseraufbereitung schürt auch die Angst vor einem Cholera-Ausbruch in der Stadt», schildert Save the Children unter Berufung auf eine Ärztegewerkschaft. Die Hilfsorganisation leistet Hilfe vor Ort.
Bei der Arbeit eingeschränkt ist derzeit auch das Team von Ärzte ohne Grenzen, das sich täglich um rund 15 Kriegsverletzte in zwei der übrig gebliebenen Krankenhäuser im Süden der Hauptstadt kümmert. Beinahe 20 Mitarbeiter sind Mitte Juni von bewaffneten Angreifern bedroht und misshandelt worden. Die Organisation hat sich trotz der Gefahr entschieden, im Land zu bleiben. Wie lange die Arbeit fortgeführt werden kann, ist allerdings ungewiss.
Die medizinische Nothilfe ist derzeit durch ausstehende Visaanträge gefährdet. «Ohne die Visavergabe durch die sudanesischen Behörden könnten wir bald gezwungen sein, unsere Unterstützung einzustellen», schreibt die Organisation auf Twitter. Das Notfallpersonal müsse regelmässig ausgetauscht werden und ohne Visum werde das einsatzbereite Team nicht in den Sudan aufbrechen.
Update #Sudan: Wir haben beschlossen zu bleiben, damit das Türkische Krankenhaus in Khartum weiterhin lebensrettende Hilfe leisten kann. Allerdings ist die Versorgung, die unser Team leistet, nun gefährdet, weil wir nicht in der Lage sind, neues Personal ins Land zu holen. [1/3] https://t.co/s1UZiAAUqW
— Ärzte ohne Grenzen (@msf_de) August 9, 2023
Neben der Seuchengefahr sprechen die Vereinten Nationen von einer untragbaren Situation in Camps für Geflüchtete. Der Bedarf geht weit über das hinaus, was an verfügbaren Ressourcen geleistet werden kann, berichtet UNHCR. Es fehle an Nahrung und Medikamenten. Seit Beginn der Kämpfe seien über 300 Menschen, hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren, aufgrund von Masern und Unterernährung gestorben.
Nach zwei Jahrzehnten Krieg und Frieden sind im Sudan in diesem Jahr neue Kämpfe entfacht. Seit April kämpft die Armee gegen die einst verbündete paramilitärische Einheit Rapid Support Forces (RSF) um die Macht im Land. Fast 25 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen sind der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Solche Meldungen machen mich immer fassungslos…