Wenn Russland Krieg führt, sind Tod und Zerstörung allgegenwärtig. Und das nicht erst seit der Invasion der Ukraine, wo urbane Zentren wie Charkiw oder Saporischschja willkürlichem Beschuss ausgesetzt sind und die Zivilbevölkerung besonders leidet.
Schon 1996 im tschetschenischen Grosny hat der russische Generalstab bewiesen, dass er ganze Städte belagern und in Schutt und Asche legen kann, wenn es seinen Interessen dient. Klar ist: Städtebelagerungen an sich sind bereits Kriegsverbrechen - und verstossen gegen das Völkerrecht.
Beispiele für Kriegsverbrechen sind die gezielte Tötung von Zivilisten, die Zerstörung von Wasser- und Elektrizitätswerken, das Aushungern der Zivilbevölkerung, die Behinderung humanitärer Hilfe, Flächenbombardements, Angriff und Bombardierung unverteidigter Städte oder die Tötung von Gefangenen.
Die diesbezügliche Blutspur der russischen Streitkräfte zieht sich mittlerweile durch mehr als zwei Jahrzehnte. Deren Kriegstaktik folgt dabei einem immer wiederkehrenden Muster, wie die drei folgenden Beispiele zeigen.
Bis zur grossflächigen russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar galten die beiden Tschetschenienkriege zwischen 1994 und 2009 gemäss Kaukasus-Experten als «schlimmste Gewaltereignisse im postsowjetischen Raum». Epizentrum der beiden Konflikte zwischen der Russischen Föderation und der autonomen Teilrepublik im Nordkaukasus war die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die von den Vereinten Nationen 2002 als am stärksten zerstörte Stadt der Welt bezeichnet wurde.
Nachdem sich Tschetschenien noch vor der offiziellen Auflösung der Sowjetunion 1991 als unabhängiger Staat ausgerufen hatte, intervenierte Russland ab 1994 militärisch, um die Teilrepublik in der Föderation zu halten. Rund 40'000 russische Soldaten marschierten in Tschetschenien ein und nahmen nach intensiven Kämpfen die Hauptstadt Grosny ein.
Bei der Belagerung der Stadt im Januar 1995 starben gemäss übereinstimmenden Einschätzungen internationaler Beobachter etwa 25'000 Menschen durch tagelangen, willkürlichen Artilleriebeschuss und Bombardements aus der Luft.
Im zweiten Tschetschenienkrieg ab 1999 wurde die Stadt erneut aus der Luft und mit Artillerie angegriffen und Anfang 2000 von russischen Truppen wiederum besetzt. Die Zahl der Todesopfer wird, beide Kriege zusammengenommen, auf zwischen 100'000 bis annähernd 200'000 Menschen geschätzt.
Im Zuge des syrischen Bürgerkriegs war Aleppo als die zweitgrösste Stadt des Landes von 2012 bis 2016 zwischen verschiedenen Parteien hart umkämpft. Um den Ostteil der Stadt wurde im Juli 2016 ein Belagerungsring geschlossen, rund 300'000 Menschen waren eingeschlossen.
Ab August 2015 begann Russland auf der Seite des syrischen Diktators Baschar al-Assad aktiv in den Konflikt einzugreifen. Darunter fällt auch die Belagerung Aleppos, wo die russische Luftwaffe zusammen mit regierungstreuen syrischen Streitkräften den Ostteil der Stadt ohne Rücksicht auf zivile Opfer monatelang sturmreif bombardierte.
Schreckliche Berichte über die Bombardierung von Spitälern, kritischer Infrastruktur und willkürlichen Beschuss von Wohngebieten gehörten zur Tagesordnung. Die syrische Luftwaffe, unterstützt durch Russland, setzte auch international geächtete Fassbomben ein, die wahllos über den eingeschlossenen Stadtteilen abgeworfen wurden.
In Aleppo starben gemäss einem UNO-Bericht von 2021 während der Belagerung mehr als 51'000 Zivilisten - am zweitmeisten neben der Region um die Hauptstadt Damaskus in diesem bis heute andauerenden Krieg. Die Bevölkerung hatte während der Kampfhandlungen keine Stromversorgung, keine Wasserversorgung und kaum mehr Zugang zu medizinischer Hilfe. Insgesamt starben im syrischen Bürgerkrieg bis anhin mehr als 306'000 Zivilisten.
Die jüngste Städtebelagerung durch Russland traf die einst blühende ukrainische Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine. Am 1. März wurde Mariupol vollständig eingekesselt. Darauf folgte eine rund dreimonatige Belagerung.
Bereits am 2. März brach die Wasser-, Wärme- und Stromversorgung von Mariupol zusammen. Repariert werden konnten die Infrastrukturelemente aufgrund des ständigen Artilleriebeschusses nicht mehr. Gemäss örtlicher Behörden wurden alleine bis Anfang April Tausende Menschen getötet. Nicht nur starben sie im Bomben- und Granatenhagel, sondern laut dem World Food Programm der UNO auch an Unterernährung.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen musste zudem konstatieren, dass die Einwohnerinnen und Einwohner der heute zu rund 90 Prozent zerstörten Stadt auch in Folge fehlender medizinischer Versorgung starben. Bombardiert wurden unter anderem auch ein Theater, wo fast tausend Zivilisten Schutz suchten, sowie eine Geburts- und Kinderklinik.
Der Beschuss des Spitals war eine der ersten Gräueltaten der Ukraine-Invasion. Die Weltgesundheitsorganisation hat allein im ersten Kriegsmonat mehr als 60 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine gezählt. Darunter Attacken auf Kliniken, Arztpraxen sowie Medikamente- und Materialtransporte.
Eine Evakuierung von Zivilisten sowie humanitäre Nothilfe in der Stadt selbst durch das IKRK wurde zudem mehrfach verhindert. Rund 120'000 Zivilisten harrten im Bombenhagel aus. Genaue Opferzahlen sind bis anhin nicht bekannt, gemäss internationalen Beobachtern dürften sie jedoch in einer ähnlichen Höhe wie 2016 im syrischen Aleppo sein. Unter anderem wurde im Juni 2022 ein Massengrab mit mutmasslich bis zu 20'000 Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt gefunden.
Das Muster des russischen Vorgehens bei der Belagerung von Mariupol ist denjenigen in Grosny und in Aleppo ähnlich. Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International warf russischen und syrischen Truppen auch damals in Aleppo vor, «vorsätzlich Krankenhäuser ins Visier nehmen», wie es in einem Bericht zu Angriffen auf Schulen und Krankenhäuser heisst. Die Rücksichtslosigkeit gegenüber zivilen Personen und Einrichtungen, die mit den Kampfhandlungen nichts zu tun haben, scheint Programm zu sein.
Kann man gar von einer Kriegstaktik sprechen? Marcel Berni, Strategieexperte von der Militärakademie an der ETH Zürich, bejaht: «Die russische Militärdoktrin nimmt wenig Rücksicht auf zivile Opfer. Ich würde eine Linie von der Schlacht um Grosny über Aleppo bis nach Mariupol ziehen.»
«Konstitutive Elemente dieser Vorgehensweise sind der rücksichtslose Einsatz von schweren Waffen, gerade von unterschiedslosem Artilleriebeschuss, der zu Zerstörung, Kollateralschäden und enormem zivilem Leid führt», sagt Berni.
Das Vorgehen sei dabei immer gleich: «Erst nach dem vernichtenden Artilleriebeschuss werden eigene Bodentruppen in die Stadt geschickt, um diese einzunehmen. Durch die angerichtete Zerstörung und Verängstigung der Gegenseite erhofft man sich beim infanteristischen Sturm der Städte weniger Gegenwehr, ergo weniger eigene Verluste», sagt der ETH-Strategieexperte.
Der konzentrierte Einsatz von überlegener Masse sei hierfür entscheidend. Dies dürfe zudem durchaus als nonverbales Kommunikationsmittel gegenüber Feind und Zivilbevölkerung gedeutet werden. Berni sagt:
Diese Militärdoktrin, die sowohl bei den Belagerungen von Grosny und Ostaleppo als auch in Mariupol angewendet wurde, setze auf «Masse statt Klasse», so Berni. Sie sei daher nur für konventionell überlegene Armeen mit grossen Munitionsreserven möglich, die wenig Rücksicht auf das Kriegsrecht nehmen.
Alle drei beschriebenen Städte waren nach ihrer Einnahme jeweils komplett zerstört. Ein Wiederaufbau benötigt grosse finanzielle Aufwendungen und dauert Jahre. Was nützen Putin zerstörte Städte? Berni sagt: «Kurzfristig gesehen interessiert Putin der Zustand der eingenommenen Gebiete kaum. Alles, was zählt, ist das Brechen des gegnerischen Widerstandes.»
Die Eroberung um jeden Preis scheint gemäss dem ETH-Strategieexperten das «charakteristische Ziel» der russischen Vorgehensweise zu sein. An Wiederaufbau und Russifizierung, so wie in Mariupol, werde erst nachher gedacht. Der Wiederaufbau biete Putin in einem zweiten Schritt zudem eine Chance, weiss Berni:
Militärisch habe sich diese Doktrin für Putins Generäle leider bewährt: «Sie hatten damit in Tschetschenien und begrenzt auch in Syrien Erfolg. Gemäss meiner Lesart soll damit die Zivilbevölkerung zermürbt, verjagt oder gar vernichtet werden», sagt Berni. Gemessen am bisherigen Widerstandswillen der Ukraine, könnte die Rechnung der Invasoren diesmal aber nicht aufgehen. (aargauerzeitung.ch)
Im Tagesanzeiger von gestern verbreitet Heidi Tagliavini ungehindert (und mit grossem Applaus) die These, dass man mit dem Kriegsverbrecher Putin verhandeln solle…es ist zum Verzweifeln.
Der Diktator muss vernichtet werden, seine Gehilfen gehören unverzüglich nach Den Haag vorgeladen..
Ich weiss, dass er beim Ausbruch des Krieges seine Frau und seine 5 jh. Tochter an die polnische Grenze fuhr und dann in die Stadt zurückkehrte. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört. Die Vermutung liegt nahe, dass Michayl zu den Opfern gehört. Bei Gesprächen erwähnte er, dass ich ihn mal besuchen kommen solle. Er schwärmte von der Stadt, den Bars und den vielen schicken Restaurants. Ich denke oft an ihn und frage mich, was seiner Familie geworden ist.