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Diese 4 Karten illustrieren den Vormarsch von Russland im Ukraine-Krieg

Ein zerstörtes Hotel in Pokrowsk.
Ein zerstörtes Hotel im Stadtzentrum von Pokrowsk.bild: imago-images.de

Diese 4 Karten zeigen, wie Russland im dritten Kriegsjahr die Oberhand gewonnen hat

Dank massiver Offensiven konnten die russischen Truppen in den letzten zwölf Monaten im Krieg gegen die Ukraine langsam, aber stetig Geländegewinne verzeichnen. Wie sich der Frontverlauf zugunsten des Angreifers verändert hat, zeigt unser Kartenvergleich.
22.02.2025, 09:4922.02.2025, 12:24
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Bachmut, Awdijiwka, Robotyne, Vuhledar – fast zwei Jahre lang waren es immer die gleichen Orte, deren Namen fielen, wenn es um die Kämpfe an der Front in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine ging. Ein Jahr später hört man von diesen Städten nichts mehr, stattdessen sind die Namen Pokrowsk, Tschassiw Jar, Torezk und Welyka Nowosilka in den öffentlichen Fokus gerückt.

Das zeigt, dass die Russen im dritten Kriegsjahr an allen wichtigen Frontabschnitten auf dem Vormarsch sind. Gemäss der «Deep State Map», einer der meistgenutzten Open-Source-Karten zum Russland-Ukraine-Krieg, haben die russischen Truppen seit dem 21. Februar rund 3700 Quadratkilometer ukrainisches Territorium erobert. Das entspricht fast der kombinierten Fläche der Kantone Zürich und St.Gallen.

Im Gegenzug hält die ukrainische Armee seit ihrem strategischen Vorstoss in die russische Region Kursk ein Gebiet von etwas mehr als 400 Quadratkilometern besetzt. Das entspricht ungefähr der kombinierten Fläche der beiden Appenzell.

Zwar scheint der russische Gebietsgewinn in den letzten zwölf Monaten im Vergleich mit dem gesamten Territorium der Ukraine von 603'628 Quadratkilometern nicht besonders bedeutsam zu sein, dennoch ist seine Tragweite nicht zu unterschätzen. Denn nach den ersten erfolgreichen Kriegsmonaten war aus Wladimir Putins Blitzkrieg-Traum spätestens im Herbst 2022 ein Stellungskrieg mit «eingefrorener» Front geworden. Beim Abnutzungskampf von Mensch und Material gelang es lange keiner Kriegspartei, sich entscheidende Vorteile zu verschaffen.

Doch seit dem Sommer 2024 verzeichnen die russischen Streitkräfte einen langsamen, aber stetigen Vormarsch. Im Donbas konnten sie mehrere ukrainische Städte einnehmen, aktuell stehen Putins Truppen an den Stadtgrenzen von Pokrowsk und Tschassiw Jar und rücken trotz der Friedensverhandlungen zwischen Russland und den USA weiter vor. Aber schauen wir uns die Entwicklung an den wichtigsten Frontabschnitten in den letzten zwölf Monaten etwas genauer an.

Pokrowsk

Nach der Einnahme von Awdijiwka im Februar 2024 konnten die russischen Streitkräfte im westlichen Donbas schnell vorrücken. Dorf um Dorf wurde eingenommen und bereits im Sommer stand Putins Armee vor der Stadt Pokrowsk, die als Verkehrsknotenpunkt und logistische Drehscheibe für die ukrainischen Streitkräfte im Donbas überaus wichtig ist. Am 19. August 2024 rief die Stadtverwaltung die Zivilbevölkerung zur Evakuierung auf, im Oktober waren 80 Prozent der Infrastruktur der Stadt zerstört.

Bei einem Luftangriff Anfang Januar wurde eine Fabrik zur Produktion von Düngemitteln getroffen, die für den Anbau von Weizen – das wichtigste Exportgut der Ukraine – bedeutsam ist. Ausserdem musste die Kohlemine von Pokrowsk wegen des russischen Vormarsches Anfang Januar ihren Betrieb einstellen. Sie ist eine wichtige Grundlage für die Stahlproduktion für die Armee.

Aktuell stehen die russischen Truppen nur noch wenige Kilometer vor dem Stadtzentrum, die Lage bleibt aber unübersichtlich. In den letzten Tagen konnten die ukrainischen Verteidiger die Frontlinie um Pokrowsk gemäss eigenen Angaben stabil halten und gar einige kleinere Gegenangriffe durchführen. Dennoch scheint es derzeit nur eine Frage der Zeit, bis auch Pokrowsk in russische Hände fällt.

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Frontverlauf bei Pokrowsk am 21. Februar 2024 und am 21. Februar 2025.quelle: deepstatemap.live

Legende:
Gelb = Ukrainische Kontrolle
Grün = Ukrainische Rückeroberung
Rot = Russische Kontrolle seit Kriegsbeginn 2022
Violett = Russische Kontrolle vor Kriegsbeginn 2022

Torezk

Noch etwas verzwickter als in Pokrowsk ist die Lage für die Ukraine derzeit etwas weiter westlich – in Torezk. Vor rund zwei Wochen vermeldeten die russischen Truppen, dass man die Stadt nach viermonatiger Belagerung eingenommen habe. Die ukrainische Regierung bestätigte den Verlust der Stadt allerdings nicht, noch immer wüten auf dem nördlichen Stadtgebiet erbitterte Kämpfe.

Wie Pokrowsk ist auch Torezk ein wichtiger Versorgungspunkt der ukrainischen Truppen. Durch die Kontrolle des Stadtzentrums können die Russen zentrale Nachschubwege der ukrainischen Armee unterbrechen und ihre Positionen in der Region Donezk stärken. Für die Ukraine wird es dagegen deutlich schwieriger, benachbarte Frontabschnitte zu versorgen und zu stabilisieren.

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Frontverlauf bei Torezk am 21. Februar 2024 und am 21. Februar 2025.quelle: deepstatemap.live

Tschassiw Jar

Nach der Eroberung von Bachmut im Mai 2023 rückten die russischen Truppen auf die nur zehn Kilometer weiter westlich gelegene Stadt Tschassiw Jar vor. Nach fast einjährigem russischem Dauerbeschuss stand bereits im April 2024 gemäss dem Bürgermeister kein einziges intaktes Haus mehr in der Stadt.

Trotz erheblicher Verluste leisteten die Ukrainer im Sommer und Herbst erbitterten Widerstand, denn durch ihre erhöhte Lage ist Tschassiw Jar ein strategisches Abwehrbollwerk gegen den russischen Vormarsch in der Region. Ende Januar verkündeten internationale Medien schliesslich den Fall der Stadt. Keine der beiden Kriegsparteien hat dies bislang aber bestätigt. Stattdessen gehen die Kämpfe rund um die Stadt unentwegt weiter.

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Frontverlauf bei Tschassiw Jar am 21. Februar 2024 und am 21. Februar 2025.quelle: deepstatemap.live

Welyka Nowosilka und Kostyantynopil

Weiter im Süden der Donbas-Front stehen seit dem Fall von Wuhledar im Oktober 2024 die Kleinstädte Welyka Nowosilka und Kostyantynopil im Zentrum der russischen Angriffe. Nach wochenlangem Artilleriebeschuss und der Einkesselung ukrainischer Truppen fiel Welyka Nowosilka Ende Januar an die Russen. Um Kostyantynopil etwas weiter östlich dauern die Kämpfe nach dem Fall des Brückenkopfes in Kurachowe derzeit an.

Die militärische Situation bleibt hier für die Ukraine extrem angespannt. Fallen Kostyantynopil und später auch der Nachbarort Bahatyr, könnten die Russen in der Region grössere Gebiete erobern und im Verlauf der nächsten Monate langsam in Richtung Saporischschja, der sechstgrössten Stadt der Ukraine, vorrücken.

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Frontverlauf bei Welyka Nowosilka am 21. Februar 2024 und am 21. Februar 2025.quelle: deepstatemap.live
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140 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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The Twelfth
22.02.2025 10:21registriert Juni 2020
Man vergleiche mal die Flächen, die die Russen 2022, 2023 und 2024 eingenommen haben und setze sie dann auch noch in Relation zur Grösse der Ukraine und vergleiche es mit der der Fläche uns etwas vertrauterer Länder.
– ein solches versuche ich nachzuliefern

Russland hat eben doch die zweitstärkste Armee in Russland und hat dich durch seine dreitägige Spezialoperation dermassen demilitarisiert, dass man mit Eseln und zu Fuss versucht Kiev einzunehmen.
Die Ukraine gehört unterstützt, denn sie sind die einzigen, die wirklich gegen Putin kämpfen, während er seit vielen Jahren gegen UNS kämpft!
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Posersalami
22.02.2025 10:08registriert September 2016
Kein Wort darüber, was es Russland gekostet hat. Die Taktik der Russen, welche vermutlich 1:1 von Zapp Brannigan übernommen wurde, hat wohl ein paar 100k Mann und tausende von gepanzerten Fahrzeugen gekostet im letzten Jahr. Dafür gibts zwar keinen Beweis, aber sehr viele Indizien. Es ist völlig klar, das Russland nicht ewig so weitermachen kann. Dementsprechend ist die Geschwindigkeit der Russen in diesem Jahr wieder unendlich langsam geworden.
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bodenfräse
22.02.2025 10:21registriert Februar 2022
In diesem Zusammenhang von "Vormarsch" zu sprechen, grenzt an russische Propaganda. In einem nahezu unvergleichbaren Schlachthof verheizt Russland jeden, der dumm genug war, zu kommen. Dass diese Unentschlossenheit in Europa – zusammen mit dem neuen US-Despoten – die ganze Sache den Bach runtergehen lassen könnte, wird uns hier auch noch um die Ohren fliegen. Es sei denn, wir erwachen endlich.
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