Wenn es um sein Alter geht, greift Joe Biden gerne zu Selbstironie. «Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin schon eine Weile da. Ich erinnere mich daran», sagte der 81-jährige US-Präsident am Montag an einer Konferenz in Washington unter dem Gelächter des Publikums. Man könnte solche Bemerkungen aber auch als Galgenhumor bezeichnen.
Denn das Alter wird immer mehr zu Bidens grösstem Handicap. In einer aktuellen Umfrage von ABC News meinten nicht weniger als 86 Prozent der Befragten, der Präsident sei zu alt für eine zweite Amtszeit. Im letzten September waren es «erst» 74 Prozent. Es hilft ihm wenig, dass 59 Prozent fanden, auch Donald Trump habe sein Ablaufdatum überschritten.
Die Diskussion hat zuletzt an Dringlichkeit zugelegt. Dazu beigetragen hat ein Bericht von Sonderermittler Robert Hur zu den vertraulichen Dokumenten, die in Bidens Garage gefunden wurden. Darin wird der Präsident als «wohlmeinender älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis» beschrieben. Er erinnere sich nicht einmal an das Todesjahr seines Sohns Beau.
Zumindest der letzte Punkt wurde selbst von Biden-Kritikern als verletzend empfunden. Der in familiären Dingen sehr empfindliche Präsident reagierte entsprechend wütend – und machte an einer Medienkonferenz den ägyptischen Staatschef Abdel Fatah al Sisi zum Präsidenten von Mexiko. Zuvor waren ihm ähnliche Aussetzer unterlaufen.
So verwechselte er den französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit dem vor fast 30 Jahren verstorbenen François Mitterrand. In solchen Momenten erinnert Joe Biden an den senilen Grampa Simpson, mit dem er schon verglichen wurde. In Wirklichkeit soll er geistig durchaus fit sein, doch er ermüde schneller als früher, und dann geschehen solche Patzer.
Das Amt des US-Präsidenten ist ebenfalls kein Jungbrunnen. Im Weissen Haus altert man schnell, ausser man heisst Donald Trump und zeichnet sich nicht durch Arbeitseifer aus. Hinzu kommt Bidens wackeliger Gang, der laut seinen Ärzten auf eine Versteifung der Wirbelsäule zurückzuführen ist. Mit anderen Worten: Joe Biden sieht tatsächlich alt aus.
Hinzu kommen generell miese Umfragewerte, weil die Amerikaner seine Wirtschaftspolitik mehr mit teureren Lebensmitteln verbinden als mit den vielen neuen Jobs, der mit Beihilfen zurückgeholten Industrie oder der Reparatur der maroden Infrastruktur. Bei den Demokraten wachsen deshalb die Zweifel, ob Biden gegen Donald Trump bestehen könnte.
Der Präsident jedoch ist fest davon überzeugt, dass er seinen Vorgänger wie vor vier Jahren besiegen kann. Ernsthafte Herausforderer hat er nicht. Die Vorwahl im Bundesstaat New Hampshire gewann Biden mühelos, obwohl er gar nicht auf dem Wahlzettel stand. Auch in South Carolina siegte er überdeutlich. Gibt es dennoch eine Möglichkeit, ihn zu ersetzen?
In Washington kursieren entsprechende Szenarien. Denn die endgültige Nomination des Präsidentschaftskandidaten erfolgt am Parteikonvent der Demokraten vom 19. bis 22. August in Chicago. In früheren Zeiten, als es noch keine Vorwahlen im heutigen Sinne gab, wurde die Endauswahl stets bei dieser Gelegenheit vorgenommen.
Es spricht wenig dagegen, dass es wieder einmal so kommt. Ein solcher Ablauf hätte den Vorteil, dass den Demokraten ein harter und teurer Vorwahlkampf erspart bliebe. Gleichzeitig könnte Joe Biden zur Erkenntnis gelangen, dass die Zeit vielleicht doch reif wäre für den Ruhestand. Seine Familie könnte dabei ein gewichtiges Wort mitreden.
Kurz vor dem Parteitag würde Biden demnach seinen Rückzug erklären und die Stimmen seiner Delegierten freigeben. Dieses Szenario beinhaltet das Risiko, dass es in Chicago zu einem Geschacher kommt. Mit der Stadt verbinden die Demokraten schlechte Erinnerungen, denn beim Nominationskonvent 1968 in Chicago war es zu chaotischen Szenen gekommen.
Allerdings würden Joe Biden und sein ehemaliger «Chef» Barack Obama vor und hinter den Kulissen als «Königsmacher» agieren und für einen geordneten Ablauf sorgen, mutmasst der «Spiegel». Potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten sind vorhanden, auch ohne die vorab von Republikanern verbreitete Verschwörungstheorie mit Michelle Obama.
Die ehemalige First Lady hat viel zu oft betont, dass sie nicht an einer Rückkehr ins Weisse Haus als Präsidentin interessiert sei. Eher kein Thema dürfte auch Vizepräsidentin Kamala Harris sein, obwohl sie gerade auffällig versucht, sich ins Gespräch zu bringen. Zu glücklos hatte sie im Wahlkampf 2020 agiert, zu «unsichtbar» ist sie in ihrem Amt geblieben.
Einige jüngere Demokraten führen jedoch schon heute «eine Art Schattenwahlkampf», so der «Spiegel». Man findet sie in erster Linie in den Bundesstaaten:
Jeder dieser Namen könnte dem Wahlkampf eine neue Dynamik verleihen, besonders gegen den ebenfalls nicht mehr «taufrischen» Donald Trump. Und sollte sich das Szenario bewahrheiten, könnte er oder sie sich auf Bidens Wahlkampfmaschinerie abstützen. Dies wäre unerlässlich, weil bis zur Präsidentschaftswahl nur zweieinhalb Monate Zeit blieben.
Ein Kraftakt wäre eine solche Strategie aber allemal. Und es ist keineswegs sicher, dass Joe Biden abtreten wird. Bislang gibt er keinerlei Bereitschaft in diese Richtung zu erkennen. Falls Trump jedoch weiterhin in immer extremere Gefilde abdriftet, dann wären wohl nicht einmal die Bedenken wegen des Alters ein Hindernis für Bidens Wiederwahl.
Zumal offene Fragerunde war mit spontan Antworten zu Israel, Hunter, der Ukraine Hilfe, den Weltall Plänen der Russen etc...
Das war alles glasklar, sehr sortiert und sauber.
Er soll einfach weiterarbeiten. Der weiss auf jeden Fall, was er tut.