Die Geschichte von Brandi Burgess ist eine Tragödie – und gewiss kein Einzelfall. Die 27-jährige Amerikanerin ist bisexuell, was nicht sein darf, wenn es nach ihrer Familie geht. Ihr Vater ist ein bekannter, christlich-konservativer Radiomoderator: Weil seine Tochter nach langem inneren Kampf zu ihren Gefühlen steht, hat ihr Papa sie nun ganz öffentlich verstossen.
Doch der Reihe nach.
Brandis Vater hat es als Radio-Mann zu bescheidenem Ruhm gebracht: Zusammen mit einem Kollegen moderiert er in Birmingham, Alabama, die «Rick & Bubba Show», die vor allem im Süden der USA ihre Zuhörer findet. «Meine erste Erinnerung ist, wie ich unter dem Radio-Pult meines Vaters sitze und ihm beim Reden zuhöre», schreibt seine Tochter.
Die Sendung ist ein Comedy-Format, das allerdings vom eher ernsten, christlich-konservativen Geist seiner beiden Zugpferde geprägt ist. Ihr Vater Rick habe «seine ganze Karriere darauf aufgebaut, Geschichten aus seinem Leben zu teilen», fährt Brandi fort. «Er hat eine Anhängerschaft angehäuft, weil er die Wahrheit sagt. Die Leute lieben ihn, die Leute hassen ihn. Seine direkte Art hat mich stets inspiriert.»
If you are a probate judge in my state and you claim to follow Christ. Make a stand and refuse to sign same sex marriage licenses
— rick burgess (@bigvox) 4. Februar 2015
Je älter Brandi wird, desto häufiger steht auch sie im Mittelpunkt seiner Geschichten. Erst als sportliches Kind, dann als ängstlicher Teenie und schliesslich als interessierte junge Frau. «Ich war eine Pointe, eine glänzende Requisite, ein Cartoon», erinnert sich Brandi auf AL[abama].com. «Dann habe ich ihn – in seinen Augen – enttäuscht.»
Der Konflikt tritt vor drei Jahren zutage, als Brandi auf Instagram das Foto einer Mutter auf einer Gay-Pride-Parade postet. Die Frau hält ein Schild hoch: «Ich liebe meinen schwulen Sohn». Ihr Vater Rick verlangt per SMS von ihr, das Bild zu entfernen. «Denke daran, wen du repräsentierst», schreibt er ihr. Und: «Bist du lesbisch?»
Brandi «gesteht» ihrem Vater schliesslich, dass er damit recht hat. «Ich liebe dich. Es tut mir leid. Ich liebe Gott immer noch», sagt sie ihm dazu. Rick reagiert unversöhnlich. «Du denkst, du bist so modern, so besonders. Aber du bist nichts. Du bist Durchschnitt», lässt er sie wissen und bombardiert sie mit Bibelsprüchen. Mit fatalen Folgen.
Happy Birthday Brandi Jo Jo Burgess. 26 today from your not so normal family. Proud of you daughter pic.twitter.com/wVmkdEag4M
— rick burgess (@bigvox) 21. Dezember 2015
«Ich wurde still. Ich trauerte um meine Familie. Ich glaubte, ich sei egoistisch, eine Betrügerin», blickt Brandi zurück. Sie musste sich von ihren Geschwistern fernhalten – um sie nicht mit ihrer Homosexualität anzustecken. Als sie ihrer Stiefmutter eröffnet, sie habe sich in eine Frau verliebt, sagt die: «Du wählst entweder das oder uns. Wie kannst du deinem Vater nach allem, was er für dich getan hat, sowas antun?»
Rick Burgess spricht auch im Radio über seine «verlorene Tochter». «Ohne meine Zustimmung benutzte er mich als warnendes Beispiel.» Brandi leidet unsäglich darunter. «Ich liess zu, dass die schändlichen Vorwürfe meines Vaters mich definierten. Ich hasste meinen Körper, sabotierte Beziehungen und glaubte, ich sei der Liebe unwürdig.»
Doch die 27-Jährige hat sich von ihren alten Dämonen befreit. «Ich bin erlöst», schreibt die Gläubige. «Ich habe mich dem wundervollen Mysterium von Gottes Liebe ergeben und wurde Zeuge ihrer enormen Komplexität.» Nun erzählt sie ihre Seite der Geschichte und wendet sich direkt an «die jungen Frauen», die leiden mussten wie sie.
«Ich liebe euch. Euer Wert ist unantastbar», ruft sie ihnen zu. «Findet eine gute Freundin. Investiert in eine Therapie. Tanzt mitten in der Nacht und tragt die Verantwortung für das Leben, das ihr immer führen wolltet. Die Wurzel all dieser Hasstiraden ist Angst. Es ist deshalb nicht an euch, Angst zu haben. Lasst sie gehen.»
Heute kann die junge Frau, die in Philadelphia lebt, wieder in den Spiegel schauen. Liebe ist göttlich, dass wisse sie aus tiefstem Herzen. Deshalb hat sie auch nicht nur für Leidensgenossinnen geschrieben, sondern auch für einen, der sie leiden liess. «Ich bete für meinen Vater. Ich halte an der Hoffnung fest, und diese liegt ausgebreitet vor ihm. Vielleicht greift er zu. Vielleicht finden wir heraus, dass wir an derselben Hoffnung klammern.»
I would rather be in a momentary conflict with my earthly daughter than eternal conflict with my Heavenly Father
— rick burgess (@bigvox) 15. Januar 2017
Allein: Die Reaktion des Altvorderen macht keine Hoffnung, dass diese Familientragödie ein christliches Ende findet.