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Abtreibungen in den USA sorgen für Unruhe bei den Republikanern

Pro-life demonstrators walk in the front of the Arizona Capitol prior to the vote on the proposed repeal of Arizona's near-total ban on abortions prior to winning approval from the state House We ...
Abtreibungsgegner demonstrieren vor dem Parlamentsgebäude von Arizona in Phoenix.Bild: keystone

Abtreibungen sorgen bei den Republikanern für kalte Füsse

Im US-Bundesstaat Arizona wurde das Abtreibungsgesetz von 1864 dank republikanischen Stimmen aufgehoben. Es zeigt, wie schwer sich die Partei mit dem «explosiven» Thema tut.
02.05.2024, 14:0602.05.2024, 14:48
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Der Schwangerschaftsabbruch ist in den USA seit jeher ein heisses Eisen. Fast 50 Jahre lang war er landesweit erlaubt, dank eines Urteils des Obersten Gerichtshofs in Washington von 1973. Dann ernannte Präsident Donald Trump drei stramm rechte Richterinnen und Richter. Mit der neuen 6:3-Mehrheit wurde das Urteil vor knapp zwei Jahren kassiert.

Die radikalen Abtreibungsgegner vor allem bei der «religiösen Rechten» hatten dafür lange gekämpft und waren entsprechend erfreut. Doch seither entwickelten sich die Dinge nicht in ihrem Sinn, denn eine klare Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung befürwortet gemäss Umfragen grundsätzlich den Schwangerschaftsabbruch, darunter auch konservative Frauen.

From left, Sandra Feihrer, Lauren Angler, Shannon Gallagher and Tina Gasbarra Larsen celebrate with other supporters at an Issue 1 watch party Tuesday, Nov. 7, 2023, in Columbus Ohio. Ohio voters have ...
Am 7. November 2023 nahm das Stimmvolk in Ohio einen Verfassungsartikel für das Recht auf Abtreibung an, zur Freude von Befürworterinnen.Bild: keystone

Es kam zu einem veritablen Backlash. In mehreren Bundesstaaten stimmte die Bevölkerung für ein Recht auf Abtreibung, darunter in Kansas, das zum sogenannten «Bibelgürtel» gehört, oder im zunehmend nach rechts abgedrifteten einstigen Swing State Ohio. Und in rund einem Dutzend weiterer Staaten dürfte es im November zu Volksabstimmungen kommen.

Aufruhr in Arizona

Sie könnten die gleichzeitig stattfindende Präsidentschaftswahl beeinflussen, und zwar zugunsten von Amtsinhaber Joe Biden. Denn darunter befinden sich mehrere umkämpfte Staaten, die für den Wahlausgang entscheidend sein werden. Dazu gehört Arizona im Südwesten, das vor vier Jahren eine wichtige Rolle bei Bidens Sieg gegen Donald Trump spielte.

Das Oberste Gericht des Bundesstaats hatte im April für Aufruhr gesorgt mit einem Urteil, das ein Gesetz von 1864, also aus der Zeit des Bürgerkriegs, wieder in Kraft setzte. Es verbietet so gut wie alle Abtreibungen. Das Parlament von Arizona hatte 2022 eigentlich ein relativ «mildes» Gesetz mit einem Verbot ab der 15. Schwangerschaftswoche verabschiedet.

Mobilisierung für Biden?

Nur hatte es offenbar versäumt, das frühere Gesetz aufzuheben. Es war nach dem Urteil von 1973 quasi auf Eis gelegt worden und wurde nun reaktiviert. Ein Teil der Republikaner bekam kalte Füsse, denn am 5. November dürfte über eine Volksinitiative abgestimmt werden, die das Abtreibungsrecht in der Verfassung von Arizona verankern will.

Die Sammelfrist läuft noch bis zum 3. Juli, doch laut den Initianten wurde die notwendige Zahl von knapp 384’000 Unterschriften bereits übertroffen. Der Abstimmungskampf könnte eine Mobilisierung auslösen, die Joe Biden «nebenbei» erneut zum Wahlerfolg verhelfen würde. Weshalb es im Parlament von Arizona zu einer ungewöhnlichen Konstellation kam.

Überläufer im Senat

Eigentlich haben die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit. Doch letzte Woche befürwortete das Abgeordnetenhaus die Aufhebung des Gesetzes von 1864, weil drei Republikaner mit den Demokraten stimmten. Am Mittwoch folgte der Senat. Dank zwei republikanischen «Überläufern» gab es eine 16:14-Mehrheit.

Die demokratische Gouverneurin Katie Hobbs will den Beschluss am Donnerstag mit ihrer Unterschrift besiegeln, womit das Gesetz von 2022 gültig werden dürfte. Eine der beiden republikanischen Stimmen im Senat stammte von Shawnna Bolick. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie hofft, der Volksinitiative den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Hartes Gesetz in Florida

Ob das klappt, ist zweifelhaft. Gemäss einer «New York Times»-Umfrage vom letzten Oktober wünschen 59 Prozent der registrierten Wählerinnen und Wähler in Arizona, dass Abtreibungen vollständig oder überwiegend legal sind. Nur 34 Prozent lehnen dies ab. Die Demokraten jedenfalls hoffen, dass diese Dynamik ihnen im November helfen wird.

Vice President Kamala Harris speaks about the implementation of Florida's abortion ban at an event Wednesday, May 1, 2024, in Jacksonville, Fla. (AP Photo/John Raoux)
Vizepräsidentin Kamala Harris sprach am Mittwoch in Jacksonville im Bundesstaat Florida, wo am gleichen Tag ein strenges Abtreibungsgesetz in Kraft trat.Bild: keystone

Das gilt auch für Florida, während langer Zeit der am härtesten umkämpfte US-Staat (man denke nur an die Wahl 2000). In den letzten Jahren aber haben die Republikaner die Oberhand gewonnen. Sie verabschiedeten vor einem Jahr ein «hartes» Abtreibungsverbot ab der sechsten Schwangerschaftswoche. Am Mittwoch ist das Gesetz in Kraft getreten.

Rechts wählen, links abstimmen

Gouverneur Ron DeSantis, der sich gerne als eifriger Kämpfer gegen Wokeness und Gendern inszeniert, unterzeichnete es spätabends hinter verschlossenen Türen. Nun kommt es im November ebenfalls zu einer Volksabstimmung über einen Verfassungsartikel, der Abtreibungen bis zur «Lebensfähigkeit» eines Kindes erlaubt, also etwa bis zur 24. Woche.

Die Hürde ist mit einem Quorum von 60 Prozent relativ hoch. Dies könnte eine Mobilisierung auslösen, die Joe Biden hilft. Sicher ist das nicht. Im Sunshine State leben viele Zugezogene aus dem Rest des Landes, darunter ein gewisser Donald Trump. Sie haben gemäss der «New York Times» die Tendenz, rechts zu wählen und links abzustimmen.

Trump eiert herum

So befürwortete das Stimmvolk in Florida einen Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde, das Wahlrecht für Strafgefangene oder die Legalisierung von Marihuana für medizinische Zwecke. Ron DeSantis hält die Abtreibungsfrage deshalb nicht für matchentscheidend. «Ich freue mich, wenn die Biden-Kampagne viel Geld in Florida ausgibt», lästerte der Gouverneur.

Republican presidential candidate former President Donald Trump speaks after voting in the Florida primary election in Palm Beach, Fla., Tuesday, March 19, 2024. (AP Photo/Wilfredo Lee)
Donald Trump
Donald Trump nach der Stimmabgabe bei der Vorwahl in seiner Wahlheimat Florida. Beim Thema Abtreibungen wird das Grossmaul ziemlich kleinlaut.Bild: keystone

Donald Trump hat sich zur Volksabstimmung in seiner neuen Wahlheimat bislang nicht geäussert. Er eiert in der Abtreibungsfrage herum, denn sie ist für ihn und seine Partei «toxisch». Befürworten die Republikaner harte Verbote, verlieren sie Wählerstimmen im Zentrum. Im gegenteiligen Fall erzürnen sie die ultrareligiösen Abtreibungsgegner.

Keine «Hilfe von oben»

Trump sucht deshalb einen «Mittelweg». Er hat sich gegen ein nationales Abtreibungsverbot ausgesprochen, etwa im «Time»-Interview. Die Frage solle von den Bundesstaaten geregelt werden. Die Gemüter bei den rechten Eiferern kann er kaum beruhigen. Auf die Rückschläge der letzten zwei Jahre reagieren sie nach dem Motto «Jetzt erst recht!».

Das zeigte sich am Mittwoch im Senat von Arizona, wo eine klare Mehrheit der Republikaner am Gesetz von 1864 festhalten wollte. Sie verglichen Abtreibungen mit dem Nationalsozialismus, zitierten aus der Bibel und baten in ihren Voten sogar um den Beistand Gottes. Vor dem Parlamentsgebäude veranstalteten Abtreibungsgegner öffentliche Gebete.

Am Ende blieb die «Hilfe von oben» aus. Volksabstimmungen zur Abtreibungsfrage wird es am 5. November auch in Nevada und möglicherweise in Pennsylvania geben. Beides sind umkämpfte Staaten, die wesentlich zu Joe Bidens Wiederwahl beitragen könnten.

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Donald Trump vor Gericht in New York
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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FensterAuf
02.05.2024 15:10registriert März 2017
Wenn eine Partei wirklich die Abtreibungsquote (welche in den USA, soviel ich weiss, doppelt so hoch ist wie in der Schweiz), müsste sie für flächendeckende altersgemässe Aufklärung vor Beginn der Pubertät sorgen. Jedes Kind müsste sexuelle Ausbeutung erkennen können und wissen, wo es Hilfe holen kann, ohne selbst beschuldigt zu werden. Jede Frau müsste wissen, wie die "Pille danach" funktioniert und wo sie im Notfall erhältlich wäre. Ein Baby dürfte kein Risiko für Hunger oder Obdachlosigkeit bedeuten...
Traurig, dass sich manche stattdessen für eine Kriminalisierung der Abtreibung einsetzen.
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Clay Calloway
02.05.2024 14:41registriert April 2024
Denke dieses Rumgeeiere ist nur bis 1min. nach dem Schliessen der Wahllokale. Dann wird wieder der alte Kurs gelten.
Das sollten sich alle Wähler bewusst sein. So wie auch Trump. Der sagt zur Zeit alles so, das seine Fans bei der Stange hält, aber die anderen nicht zu sehr erschreckt.
Nur Glaubwürdig ist das ganze nicht!
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Bergblümchen95
02.05.2024 15:07registriert März 2024
Furchtbar das ganze, zig Frauen starben bereits in den Staaten, weil auch bei Wunschkindern etwas schief gehen kann und zb. eine Eileiterschwangerschaft oder der plötzliche tod des Fötus nicht mehr überall abgetrieben werden darf (auch wenn in beiden Fällen 0% Lebensfähig) und die Frauen so an behandelbaren medizinischen Notfällen starben. Das wir in 2024 so einen gewaltigen Rückschritt erleben...
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