Ausgerechnet Florida! Einmal mehr wird der Sunshine State zum Schauplatz eines Nachzähl-Dramas. Ungute Erinnerungen kommen auf an die Präsidentschaftswahl 2000 zwischen George W. Bush und Al Gore. Damals hing alles vom Ergebnis in Florida ab, doch das Rennen war derart knapp, dass die Stimmen neu ausgezählt werden mussten.
Das Prozedere zog sich wochenlang dahin. Der Oberste Gerichtshof beendete das unwürdige Spektakel und erklärte Bush zum Sieger. 18 Jahre später wiederholt sich die Geschichte. Bei der Senats- und der Gouverneurswahl in Florida ist der Vorsprung der republikanischen Bewerber so gering, dass das Wahlgesetz eine maschinelle Nachzählung verlangt. Sie soll bis Donnerstag beendet sein, unabhängig davon, ob alle Stimmen erfasst sind.
Beide Seiten drohen mit Klagen, was die Verkündigung des Endergebnisses erneut in die Länge ziehen könnte. Donald Trump verdächtigt die Demokraten gewohnt faktenfrei des Wahlbetrugs. Offen ist auch die Gouverneurswahl im Nachbarstaat Georgia. Noch sind nicht alle Briefstimmen ausgezählt. Die Demokratin Stacey Abrams hofft auf eine Stichwahl am 4. Dezember.
Politanalysten in den USA bezweifeln in allen drei Fällen eine Trendwende zugunsten der Demokraten. Trotzdem kann sich die Partei freuen. Eine Woche nach den Midterms zeichnet sich ein wesentlich besseres Ergebnis ab, als noch in der Wahlnacht vermutet. Die im Vorfeld erhoffte «Blaue Welle» fand tatsächlich statt, nicht imposant zwar, aber dennoch bemerkenswert.
House Republicans-elect look pretty different from House Democrats-elect. pic.twitter.com/KSgFVU4cFx
— Erica Werner (@ericawerner) November 13, 2018
So haben die Demokraten im Repräsentantenhaus bislang 33 Sitze hinzugewonnen. Weil nicht alle Wahlkreise definitiv ausgezählt sind, dürften es am Ende 35 bis 40 Sitze werden, schreibt die «New York Times». Das ist der grösste Zuwachs für die Demokraten seit den 1970er Jahren. Mindestens 17 Sitze wurden in Wahlkreisen geholt, in denen Donald Trump 2016 gewonnen hatte.
Damit erhärtet sich der Befund, dass die Demokraten die einstige Dominanz der Republikaner in den wohlhabenden Vororten durchbrechen konnten. Auch im Senat sind die Perspektiven nicht so düster wie vor einer Woche befürchtet. Die Demokraten werden einen oder zwei Sitze an die Republikaner abgeben müssen, womit sich der Schaden halbwegs in Grenzen hält.
In Arizona gelang ihnen sogar ein symbolträchtiger Erfolg. Am Montag gestand die Republikanerin Martha McSally ihre Niederlage gegen die Demokratin Kyrsten Sinema ein. Erstmals seit 30 Jahren hat deren Partei damit eine Senatswahl in dem konservativen Bundesstaat gewonnen. Zuvor hatte sie den Republikanern bereits im benachbarten Nevada einen Sitz entrissen.
Diese beiden Erfolge illustrieren den demografischen Wandel im Südwesten der USA. Der Zuzug von jungen Leuten und das Wachstum der Latino-Bevölkerung haben diese einst roten in violette Staaten verwandelt. Sogar die konservative Hochburg Texas könnte diesen Weg gehen, wie die knappe Niederlage von Beto O'Rourke bei der Senatswahl gegen Ted Cruz zeigt.
«Der Extremismus der heutigen republikanischen Partei ist eine Verliererstrategie für die Zukunft», sagte Grant Woods der «New York Times». Der frühere Justizminister von Arizona ist aus Protest gegen Donald Trump von den Republikanern zu den Demokraten «übergelaufen». Der Präsident und seine Partei hätten sich für die immer jüngere und vielfältigere Bevölkerung im Südwesten zu weit nach rechts bewegt.
In den traditionellen Industriestaaten im Nordosten – dem Rust Belt – ist das Ergebnis durchzogener. So driftet der gewichtige Swing State Ohio zunehmend nach rechts ab. Dafür legten die Demokraten in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin deutlich zu. Die drei Staaten waren der Schlüssel zu Donald Trumps Wahlsieg vor zwei Jahren. Allerdings betrug sein Vorsprung jeweils nur einige zehntausend Stimmen – kein gutes Omen für die Wahl 2020.
Ein Problem für die Demokraten bleibt die politische Landkarte. Im ländlich-konservativen Amerika verlieren sie zunehmend an Terrain. Das wird es ihnen erschweren, die Mehrheit im Senat zu erobern. Ein weiterer Nachteil ist das Gerrymandering, die willkürliche Einteilung der Wahlkreise, das vorab von den Republikanern praktiziert wird, um möglichst viele rechte Mehrheiten zu kreieren.
Ohne diese umstrittene Praxis hätten die Demokraten den Republikanern im Repräsentantenhaus wohl mehr als 50 Sitze abgenommen, schätzt die «New York Times». Um dies zu ändern, müssen die Demokraten auch in den Regierungen und Parlamenten der Bundesstaaten deutlich zulegen.
Die gute Nachricht: Am letzten Dienstag ist ihnen auch das gelungen. In Wisconsin konnten sie den republikanischen Gouverneur Scott Walker, eine ihrer grössten Hassfiguren überhaupt, aus dem Amt jagen. Die «Blaue Welle» war eben nicht nur ein nationales Phänomen.