Mittwochabend um 18.56 Uhr in der US-Kleinstadt Lewiston, rund 250 Kilometer nördlich von Boston: Ein Mann läuft mit einem AR-15-Sturmgewehr bewaffnet in ein Bowling-Center im Norden des Stadtzentrums und feuert wahllos um sich. Danach zieht er mit seinem Subaru weiter, läuft sechs Kilometer weiter südlich in ein Grillrestaurant und schiesst dort auf die Angestellten und die Gäste.
18 Menschen sterben, 13 Personen werden verletzt. Schon jetzt gilt die Tat als einer der schlimmsten Amokläufe der US-Geschichte. Doch die Opferzahl könnte noch steigen – auch, weil der Schütze immer noch auf der Flucht ist. Zwar riegelt die Polizei sofort alle Strassen und Zufahrtswege ab, fassen kann sie den Täter bislang aber nicht.
Die Augenzeugen der Tat sind geschockt: Brandon wollte bloss einen normalen Bowling-Abend verbringen. Plötzlich sei der bewaffnete Schütze aus dem Nichts in die Halle gestürmt. «Ich dachte zunächst, ein Ballon sei geplatzt. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass er eine Waffe hatte. Ich bin ich die Bowling-Bahn heruntergerannt und in den Schacht über den Kegeln geklettert», sagte der Amerikaner gegenüber der AP.
So schlimm und aussergewöhnlich die Gewalttaten für die Augenzeugen, Opfer, deren Angehörige und für die jeweiligen Ortschaften sind – sie sind leider alltäglich. Meldungen über grössere Schiessereien sind in den USA längst zur Normalität geworden. Im Schnitt findet mehr als täglich eine Gewalttat mit Schusswaffen und mehr als drei Opfern statt.
Genau verfolgen lässt sich die blutige Spur dieser sogenannten Mass Shootings unter anderem im Gun Violence Archive, das täglich von einer gemeinnützigen Organisation mit Daten zu Todes- und Verletztenfällen im Zusammenhang mit Waffen aktualisiert wird. Die Zahlen sind erschreckend: Seit Anfang 2014 hat es in den USA 4606 Massenschiessereien mit 19'227 Verletzten und 4862 Toten gegeben.
Nach einer kurzen Abnahme der Shootings im Jahr 2018 und damit auch der Verletzten und Toten hat die Anzahl an Gewalttaten mit Schusswaffen in den letzten Jahren wieder deutlich zugenommen. 2021 stellten die USA mit 690 Massenschiessereien, 704 Toten und 2829 Verletzten einen traurigen Negativrekord auf. 2022 war ähnlich desaströs und auch 2023 sieht die Bilanz Ende Oktober schon wieder sehr düster aus.
Fast täglich muss ein Mass Shooting nachgetragen werden, wie ein Blick auf den Kalender des laufenden Jahres zeigt. Vor allem an den Wochenenden knallt es fast immer: In diesem Jahr gab es bislang nur an zwei Wochenendtagen keine Massenschiesserei.
Die Bundesstaaten der Ostküste, das zeigt der Blick auf die interaktive Übersichtskarte, sind von Todesfällen mit Waffengewalt stärker betroffen als die Staaten im Mittleren Westen oder die an der Westküste, wobei Kalifornien eine traurige Ausnahme bildet. Generell lässt sich sagen: Wo mehr Menschen wohnen, gibt es auch mehr Shootings. Meist finden die Taten in der Agglomeration oder in der Nähe des Zentrums einer Grossstadt statt, doch auch auf dem Land kommt es immer wieder zu Tragödien mit Schusswaffen.
Zwar wurden zuletzt immer wieder Appelle laut, die Waffengesetze zu verschärfen – meist nach besonders grausamen Taten wie dem Schulmassaker in der texanischen Kleinstadt Uvalde im Mai 2022, bei dem im Mai 19 Schulkinder, zwei Lehrerinnen und der Attentäter erschossen wurden.
Das Problem wird zwar mittlerweile als «Mass Shooting Crisis» («Massenschiessereien-Krise») wahrgenommen – also nicht mehr als eine Ansammlung vieler Einzelfälle, sondern als andauerndes gesellschaftliches Phänomen. Doch bislang hat es keine politische Initiative geschafft, die Zahl der Waffen und deren Besitzer einzudämmen. Und eine schnelle Lösung ist auch in naher Zukunft nicht in Sicht, was bedeutet, dass die Meldungen über Mass Shootings leider alltäglich bleiben werden.
(Diese Story erschien in ähnlicher Form bereits am 24. November 2022 und am 28. März 2023 auf watson.ch. Aus aktuellem Anlass haben wir sie aktualisiert.)
Aber obacht, diese grafik zeigt nur eins: es hat einfach zu wenig good guys with guns, die die massshootings verhindern können.
(Braucht jemand einen ironiehinweis?)
"Some will say we dont have enough guns in America. That alone proves some of us are mentally ill."