Woran es dem Rest der Welt fehlt, wenn die Ukraine nicht exportieren kann
Weizen
Die Ukraine ist der viertgrösste Weizenexporteur der Welt. Auf 32 Millionen Hektaren Ackerland bieten Schwarzerde-Böden die idealen Voraussetzungen für den Getreide- und vor allem Weizenanbau. 2020 wurde Weizen im Wert von rund 3,37 Milliarden Franken exportiert. Am 4. März war eine Tonne Weizen bereits über 100 Franken teurer als noch am Tag vor dem Einmarsch der russischen Truppen.
Ungarn hat am Freitag aus Angst vor einer Nahrungsmittelknappheit per sofort den Weizenexport verboten. Dies dürfte arabische und asiatische Handelspartner, allen voran Ägypten und Indonesien, besonders schwer treffen. Sie sind noch stärker auf den Import angewiesen als europäische Länder. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen stammt über die Hälfte der verteilten Lebensmittel aus der Ukraine – kann diese langfristig nicht liefern, spitzt sich die Hungersnot an Orten wie Jemen weiter zu.
Weil die Schwarzmeerhäfen der Ukraine geschlossen sind, können die grossen Mengen nicht per Frachtschiff transportiert werden. Um eine Nahrungsmittelknappheit zu verhindern und die Exporte zu retten, will die ukrainische Eisenbahn nun den Transport übernehmen.
Erdöl und -gas
Auch wenn die Ukraine selbst kein Öl produziert, spielt sie eine grosse Rolle beim Transport russischen Erdgases. Grosse Teile des europäischen Gas- und Ölbedarfs werden durch Russland gedeckt. Über grösstenteils unterirdische Pipelines gelangen die Rohstoffe über die Ukraine ins westliche Europa. Trotz der Milliarden, die Russland für ein Gastransportnetz ausgegeben hat, das an der Ukraine vorbeiführt, bleibt die Ukraine eine wichtige Drehscheibe des Energiemarktes.
47 Prozent des in der Schweiz verwendeten Erdgases stammen aus Russland, sagte Simonetta Sommaruga an einer Medienkonferenz zu Schweizer Sanktionen. Laut Experten sollte es möglich sein, beim Erdöl auf andere Anbieter auszuweichen. Schwieriger wird es beim Erdgas: Um dieses aus den USA zu beschaffen, müsste die nötige Infrastruktur erst umgestellt werden. Ausserdem müsste die globale Produktion deutlich erhöht werden. Es ist also damit zu rechnen, dass der Preis nochmals deutlich ansteigt.
Moskau kündigte an, trotz des Krieges weiterhin Gas über die Ukraine zu liefern – dort sind nun aber mehrere Gebiete wie zum Beispiel Kiew oder Charkiw von der Gasversorgung abgeschnitten, weil die Gasleitungen bei Angriffen beschädigt wurden.
Sonnenblumenöl
Ein weiteres wichtiges Exportgut der Ukraine ist Sonnenblumenöl. Über die Hälfte des weltweit exportierten Sonnenblumenöls stammt aus der Ukraine – sie ist laut dem Marktforschungsinstitut Agritel gleichzeitig grösste Produzentin und Exporteurin des Pflanzenöls. Bis zur nächsten Ernte im September werden eigentlich noch 2,5 Millionen Tonnen Rohöl erwartet.
Die nächste Aussaat steht im April an – es bleibt also zu hoffen, dass sich die Lage bis dahin so beruhigt hat, dass überhaupt jemand zum Ansäen auf das Feld kann. Die Versorgung mit Speiseölen war bereits vor dem Ausbruch des Krieges problematisch: Aufgrund der Pandemie gab es Lieferprobleme und auch schlechte Ernten sorgten für höhere Preise. Der Kriegszustand hat die Lage nun weiter verschlechtert.
Stahl
2020 exportierte die Ukraine Stahl im Wert von 2,58 Milliarden Franken. Der ukrainische Stahlkonzern Metinvest gehört zu den grössten Wirtschaftsunternehmen des Landes und zu den grössten Stahlproduzenten weltweit. Das Unternehmen musste die Produktion in einigen schwer bombardierten Ortschaften, wie beispielsweise in Ilyich oder Mariupol einstellen.
Als weiterer erschwerender Faktor kommt hinzu, dass das Eisenbahnnetz zurzeit für die Evakuierung der Bevölkerung benötigt wird und somit keine zusätzliche Kapazität für den Transport von Rohstoffen hat. Wie der Zentralverband Deutsches Baugewerbe mitteilt, sind die Kosten für Stahl bereits jetzt gestiegen und es gibt aktuell nur noch wenige Angebote für beispielsweise Bleche oder Stahlmatten.
Mais
Die Ukraine exportierte im vergangenen Jahr 33,5 Millionen Tonnen Mais. Aufgrund der Schliessung der Schwarzmeerhäfen ist auch die Versorgung mit Mais aus der Ukraine komplett unterbrochen. Und damit nicht genug: Auch die kommende Maisaussaat steht – so wie auch bei den Sonnenblumen – auf dem Spiel. Als Resultat dessen steigen die Maispreise immer weiter an.
Dies bereitet vor allem der Tierfutterindustrie grosse Sorgen – Mais ist nämlich Hauptbestandteil vieler Mischfutter, die in der Landwirtschaft gebraucht werden. Fällt der Mais weg, wird es schwierig, einen preiswerten und trotzdem nährstoffreichen Ersatz zu finden.
