Seit Hunderten von Jahren ist China schon das bevölkerungsreichste Land der Erde. Nun soll das «Reich der Mitte» aber bald von Indien überholt werden, wie ein Bericht der Vereinten Nationen prognostiziert. Bereits in den nächsten drei Monate soll es so weit sein.
Indien wird die Spitzenposition so bald nicht wieder abgeben. Während die chinesische Bevölkerung gemäss UN-Berechnungen bereits ab 2027 schrumpfen wird, wächst diejenige von Indien bis 2067 weiter und wird erst ab dann einen leichten Rückgang verzeichnen.
Dass Indien bald mehr Bewohnerinnen und Bewohner haben wird als China, liegt an der deutlich höheren Geburtenrate: Während Frauen in China im Durchschnitt nur 1,2 Kinder zur Welt bringen, sind es in Indien mit 2,05 nahezu doppelt so viele. Zudem ist die Bevölkerung des südasiatischen Landes erheblich jünger: Knapp ein Viertel der indischen Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre, fast die Hälfte jünger als 25 Jahre.
In China ist die Lage komplett anders: Dort machen Menschen unter 25 Jahren nur weniger als ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus. Der Wandel ist auch Folge der chinesischen Politik. Um das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen, hatte die chinesische Regierung bereits ab den 1960er-Jahren versucht, die Anzahl der Kinder pro Familie zu begrenzen. Ab den 1980er-Jahren setzte man gar strikt eine Ein-Kind-Politik durch.
Eine Lockerung der Regel hat in den letzten Jahren kaum geholfen. Obwohl seit 2021 sogar drei Kinder pro Familie erlaubt sind, ziehen die Geburtenraten nicht bedeutend an. China wird deshalb in den kommenden Jahren zunehmend mit den Folgen einer überalternden Gesellschaft zu kämpfen haben.
Auf Indien kommen andere Probleme zu: Die Bevölkerung wächst in den ärmeren Regionen im Norden deutlich rasanter als in den wirtschaftlich besser gestellten Regionen des Landes. Ökonomen schreiben so jungen Gesellschaften eigentlich viele positive Eigenschaften zu: Sie gelten als optimistisch, fortschrittlich und dynamisch, bieten reichlich Arbeitskräfte und kauflustige Konsumenten.
Doch in Indien ist das anders. Denn Indiens gesellschaftliche Entwicklung hinkt dem Bevölkerungswachstum hinterher. Für die über eine Million Schulabgänger der städtischen Bevölkerung pro Monat gibt es kaum Jobs und auch auf dem Land müssen sich viele mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei rund 7,5 Prozent – Tendenz steigend.
So könnte sich das Bevölkerungswachstum zur Zeitbombe entwickeln. Experten warnen vor steigender Gewaltbereitschaft und Unruhen, wenn die aufstrebenden Massen keine Hoffnung für die Zukunft sähen. Die Politik hat das Problem zwar längst erkannt, die allgegenwärtige Korruption und überbordende Bürokratie lähmen allerdings die geplanten Reformprogramme.