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Taylor Swift-Wahnsinn in Sydney – oder was Zürich im Juli erwartet

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Taylor Swift, Taylor Swift und Taylor Swift. Bild: keystone
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Der Taylor-Swift-Wahnsinn in Sydney – oder was Zürich im Sommer erwartet

Wie so zahlreiche Städte zuvor befindet sich das australische Sydney seit Tagen im Taylor-Swift-Ausnahmezustand. Ein Augenschein vor Ort.
27.02.2024, 11:3027.02.2024, 16:11
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Taylor Swift kommt, und – boom! – eine Stadt steht Kopf. Etwa so stellt man sich den Effekt, den die Sängerin mit ihrer Welttournee auf die Stationen hat, vor. Ein Zwischenhalt in Sydney im Rahmen meiner Nachtschicht für watson hat gezeigt: Es ist genau so, wie man sich das vorstellt. Und doch irgendwie anders.

Fünf Dinge, die Europa – und damit auch Zürich – ab dem Frühsommer erwarten. Dann nämlich macht Taylor Swift zum ersten Mal auf ihrer «The Eras Tour» Halt auf dem Alten Kontinent. Im Letzigrund tritt Swift am 9. und 10. Juli auf.

Unterkunftsmangel und Inflationsängste

«It's me, hi, I'm the problem, it's me» – so lautet der Refrain eines der grössten Taylor-Swift-Hits («Antihero»). Es war auch die Antwort auf meine Frage: Wieso ist Übernachten in Sydney eigentlich so verdammt teuer?

Das Problem ist Taylor Swift: Exakt während meiner Woche in Sydney gibt der grösste Popstar der heutigen Zeit vier (!) Konzerte. Für die erste Wochenhälfte musste darum die letzte Option, die es noch gab, herhalten: ein Flughafenhotelzimmer.

Logisch, irgendwo müssen ja die viermal über 80'000 Swifties, die jeden Abend ins Accor Stadium in Sydney strömen, auch übernachten. Aber nicht nur das: Sie werden auch essen, shoppen, den ÖV benutzen. In Aussicht darauf löste Taylor Swift in Australien, wo man diesbezüglich erst seit Kurzem wieder aufatmet, regelrecht wiederkehrende Inflationsängste aus. Im Bundesstaat New South Wales wird erwartet, dass Taylor Swift durch ihre Anwesenheit in Sydney etwa 136 Millionen australische Dollar (ca. 79 Millionen Schweizer Franken) an Mehreinnahmen generiert haben wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass Taylor Swift die offiziellen Inflationszahlen beeinflusst.

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Die Millionenstadt Sydney mit Blick auf den Business District von oben. Bild: imago

Der Taylor-Swift-Inflationseffekt werde allerdings in den meisten Fällen überschätzt, sagen immer mehr Analysten. Swifties würden ihr Geld, das sie in diesen Tagen ausgeben, einfach woanders vorher sparen. Und: Die 136 Millionen Dollar seien in etwa gleich viel, wie das Australian-Open-Tennisturnier in Melbourne jedes Jahr generiere, schrieb dazu eine Finanzanalystin – also kein Grund zur Sorge.

In Zürich dürfte die Inflation nicht das grösste Problem sein. Es ist eh schon alles teuer. Der Platz und die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten im vergleichsweise kleinen Zürich hingegen schon. Gemäss Medienberichten erlebt die 5,3-Millionen-Metropole Sydney gerade Rekordzahlen in der Hotellerie, ganze Hotels sind komplett ausgebucht. Und bei Airbnb sollen Buchungen von Unterkünften gecancelt worden sein – die später zu einem viel höheren Preis wieder aufgeschaltet wurden. Insgesamt waren die Airbnb-Preise bis zu 16-mal höher als normalerweise.

Swifties überall

Ob im Flugzeug, in der S-Bahn, im Birkenstock-Laden, in der Hotel-Lobby oder auf der Strasse: Taylor-Swift-Fans sind überall. Sie sind gut erkennbar am Swift-Hoodie oder -Shirt und sie strömen aus ganz Australien, aber auch Asien, insbesondere Indonesien, nach Sydney. Und aus dem «benachbarten» Neuseeland, wo Monate im Voraus für diese Woche bereits Extraflüge organisiert wurden.

Die Flugbegleiterinnen auf unserem Flug vom neuseeländischen Christchurch nach Sydney waren denn auch ganz verzückt, als sie die Swifties in den hintersten Reihen entdeckt hatten; es gab Polaroid-Fotos und viele gute Wünsche.

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Der allgegenwärtige «The Eras»-Pulli. Bild: keystone

Swifties – die Mitglieder der wohl grössten und stärksten Fangemeinde eines Popstars sind offenbar fast schon so berühmt wie ihr Idol selber.

Aber nicht nur das. Auch vor Taylor Swifts Songs gibt es kein Entkommen, sie werden überall gespielt: im Flugzeug, am Flughafen, im Birkenstock-Laden, aus den Handys in der S-Bahn, in der Hotel-Lobby. Kein Witz.

Taylor Swift taucht plötzlich irgendwo auf

Die 34-Jährige ist bekannt dafür, sich bisweilen so «normal wie möglich» verhalten zu wollen. Dazu gehört auch, dass sie mit ihrer Freundin und dem Vor-Act ihrer Konzerte, Sabrina Carpenter, zum Italiener essen geht. Ohne Voranmeldung, natürlich. Dass dies – wie vor ein paar Tagen in Sydney geschehen – den Laden vollkommen sprengt und Heerscharen von Swifties anzieht – geschenkt.

Auch Swift's Boyfriend, NFL-Superstar Travis Kelce, kam für zwei Tage nach Sydney. Die beiden gingen, wie ein normales Paar eben, in den zentral gelegenen Zoo. Das einzig Spezielle (neben der Tatsache, dass in dieser Zeit wohl niemand sonst in den Zoo durfte) war, dass Swift zweimal dort war. Das veranlasste die hiesigen Medien gleich zu einer langen Erörterung (oder: «investigation») rund um die Frage: Wieso geht der Superstar gleich zweimal in den gleichen Zoo – und dann erst in den nur zweitbesten in Sydney???

Taylor Swift Zoo in Sydney
Die ganz grosse Frage im «Sydney Morning Herald»: «Warum ging Taylor Swift zweimal in den zweitbesten Zoo in Sydney? Eine Investigation.»Bild: screenshot the sydney morning herald

Gut möglich also, dass Taylor Swift sehr gerne Tiere mag und sich einfach öfters in Zoos entspannt – und dass sie im Juli auch den Zoo Zürich «mieten» wird. Oder in einer Beiz diniert an der Limmat oder im Niederdorf. Mit einer Horde Swifties im Schlepptau.

Das Konzert bleibt nicht im Stadion

Nun gehört zu einem Augenschein eigentlich auch das Herzstück, ein Konzertbesuch. Aber an Tickets von Taylor Swift heranzukommen, konnte man vergessen. Die offiziellen Ticketpreise waren zwar nicht astronomisch – die Tickets kosteten hier zwischen 80 und ein paar Hundert Dollar (etwa 50 Franken aufwärts). Eine andere Frage ist hingegen die der Beschaffung und die Strapazen, die Swift-Fans bekanntlich auf sich nahmen, um schon nur in die Nähe eines Tickets zu kommen.

Ein Besuch des Konzertareals liegt hingegen gut drin. Und es stellt sich heraus: Bei Taylor-Swift-Konzerten ist vor dem Stadion fast so gut wie im Stadion.

So sieht das vor dem Stadion aus:

Video: watson/Lara Knuchel

Rund um das Accor Stadium ausserhalb von Sydney hat sich nämlich eine Art eigenes Festival gebildet. Junge Menschen – viele Mädchen, aber auch überraschend viele Jungs – stehen hinter einem Absperrband wie vor einer Bühne und singen lauthals mit. Eltern mit ihren Kindern und sogar ältere Paare sitzen am Boden, einige mit Picknick-Decke, andere mit Camping-Stühlen, und lauschen dem Konzert. (Sehen tut man selbstverständlich nichts.)

Taylor Swift in Sydney: Accor Stadium, Swifties
Nein, die Swifties sehen ihr Idol nicht. Nur die Stadion-Wand. Bild: watson/laurent hunziker

Australische Medien sprechen in den Tagen darauf von mehreren Tausend Menschen, die sich an jedem Konzertabend vor dem Stadion versammeln.

Viele tragen Glitzer und in Anlehnung an Swifts Country-Vergangenheit Cowboy-Stiefel und -Hüte, einige haben die Taschen mit Taylor-Swift-Fanartikeln gefüllt, und wirklich alle singen mit. Nicht nur das, sie kennen jeden der Songs Wort für Wort auswendig. Die Swifties liegen sich in den Armen, tauschen Freundschaftsbändeli aus (ein Swifties-Ritual) und schreien «Fuck the Patriarchy!», wenn es Taylor Swift im Stadion vormacht. Und wenn der Popstar singt: «he knelt to the ground and pulled out a ring», fallen Gruppen von Mädchen buchstäblich auf die Knie. Wird ein neues Lied angestimmt, gibt es meist ein Gekreische, und immer wieder fragen sich die Menschen: Hat sie die «Surprise Songs» schon gespielt?

44 Lieder gibt Taylor Swift innerhalb von fast dreieinhalb Stunden (!) zum Besten, in zehn verschiedenen Outfits, welche ihre zehn Alben – oder «Ären» – repräsentieren sollen. Hinzu kommen jeweils die zwei «Surprise Songs», ein akustisches Set, bei dem Swift selber Klavier oder Gitarre spielt.

Taylor Swift in Sydney, Accor Stadium
Längst nicht alle, die eines wollten, haben ein Ticket gekriegt – viele von ihnen haben es vor dem Stadion erneut versucht, siehe Plakat. Bild: watson/laurent hunziker

Die meisten Menschen vor dem Stadion konnten keine Tickets ergattern. Andere hatten hingegen schlicht noch nicht genug, sie sind erkennbar am leuchtenden Bändeli, das Konzertgängerinnen erhalten und das Teil der Swift-Choreo ist. So wie Felicity und ihre Tochter aus Canberra: Sie seien am Tag zuvor am Konzert gewesen, erzählt sie. Aber ihre Tochter wollte heute wiederkommen. Und wie war das Konzert? «Everything I wished for and more», sagt Felicity und muss sich gleich darauf entschuldigen – ihr Lieblingslied wird angestimmt.

Eine lila-rosa Wolke aus Liebe und Glückseligkeit

Es ist eine spezielle Stimmung, in die Sydney dieser Tage getaucht wird. Als Nicht-Fan ist es schwer nachvollziehbar, wie ein einziger Mensch einen so gigantischen Einfluss auf Millionen weltweit haben kann. (Die Frage nach dem Warum würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, dazu nur so viel: Dieser neuseeländische Journalist hat es versucht.)

Und gleichzeitig muss man feststellen: Es ist eine wunderbare Stimmung, die entsteht, wenn Frauen und Mädchen für ein paar Tage eine Stadt übernehmen. Egal, wen und wo man fragt, in Sydney ist man sich einig: Die Menschen sind so lieb zueinander. Alle sind happy, zufrieden und gehen rücksichtsvoll miteinander um.

Auf dem Gelände vor dem Accor Stadium geht die Geschichte eines Lokführers in Melbourne, wo Taylor Swift zuvor die drei grössten Auftritte ihrer Karriere hatte, herum. Der Mann fuhr die Fans vom Stadion zurück in die Stadt und soll die Zugfahrt seines Lebens gehabt haben, so gerührt sei er von der einmaligen Stimmung gewesen.

Taylor Swift Konzert: Travis Kelce Shirt vor dem Accor Stadium in Sydney, Februar 2024
Swift-Fans sind auch Travis-Kelce-Fans: das Jersey des Football-Spielers, der bei den Kansas City Chiefs spielt, war allgegenwärtig. Bild: watson/laurent hunziker

Das ist angesichts der schieren Masse an Menschen, die aufeinandertreffen, nicht selbstverständlich. Und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie anders die Stimmung wäre, wenn das hier zum Beispiel ein Fussballmatch wäre. Ansteckend, auf jeden Fall. Aber schon nur der Alkoholkonsum hätte definitiv nicht zur Folge, dass sich alle bedingungslos lieb haben.

Apropos: Alkohol ist hier Fehlanzeige, es herrscht striktes Alkoholverbot vor dem Stadion. Das härteste, was man kriegt, ist eine Cola-Zero. Aber selbst abgesehen davon erhält man den Eindruck, dass Alkohol auch dann kaum konsumiert würde, wenn er erlaubt wäre. Und etwas beschämt stellt man sich als Mensch der Generation Y, aufgewachsen mit Besäufnissen an Festivals, die Frage: Wie zur Hölle kann man sich fast vier Stunden, oder gar ganze Tage, so freudetaumelnd-enthusiastisch die Seele aus dem Leib singen – völlig nüchtern?

Swifties: Taylor Swift in Sydney, 24. Februar 2024
Die Absperrung ist gemäss einem anwesenden Polizisten nur da, damit man noch um das Stadion herumlaufen kann. Bild: watson/laurent hunziker

Und doch, inmitten der Mädchen, Frauen, Jungs, Eltern und Kleinkinder, die singen und tanzen, wird man plötzlich angesteckt mit einem wohligen Gefühl. Denn hier ist alles gut, die gesamte Menschheit, so scheint es, hat sich lieb, und die Welt ist in Ordnung und eine einzige Bühne für violette und rosarote Träume. Es fliessen buchstäblich die Tränen vor lauter Glückseligkeit, und völlig fremde Leute liegen sich in den Armen. Irgendwie komisch, irgendwie schön.

Also, Zürich, du musst keine Angst vor dem Taylor-Swift-Wahnsinn haben. Du kannst dich freuen.

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106 Kommentare
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TommyGun
27.02.2024 13:35registriert Oktober 2020
Meine Musik ists nicht, ich finde sie aber erträglich und immerhin selbst geschrieben. Ich gönne ihr den Erfolg. Ist doch schön wenn sich so viele Menschen friedlich - ganz ohne Alkohol und familienfreundlich - an ihrer Musik erfreuen, sich mit den Texten identifizieren können, mitsingen und mitfeiern. Aber wenn man hier die Kommentare liest, scheint es reichlich Leute zu geben die nix gönnen können. Man muss den Hype ja nicht mitmachen wenn man nicht will.
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Jep.
27.02.2024 12:07registriert Januar 2022
Ihr Freund flog rasch für 2 Tage nach Sydney... Ich finde ja ein verlängertes Wochenende nach NYC schon "weich", aber das hier sprengt den Rahmen meines Vokabulars.
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der/die Waldpropaganda
27.02.2024 12:57registriert September 2018
Der Fehler beginnt beim Vergleich eines Künstlers und einem Fussballspiel. Bei einem Fussballspiel sind immer zwei rivalisierende Gruppen vorhanden. Ich war noch an keinem Konzert, wo die Stimmung nicht gut war. Insbesondere Metal-Konzerte sind da nochmals eine Stufe höher anzusiedeln, gute Stimmung untereinander findet man immer. Was mich eher irritiert, ist die überschwängliche Beliebtheit von Taylor Swift, aber schon bei Justin Bieber wurde ich verdutzt zurückgelassen.
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