Billie Eilish ist in der Juni-Nummer der britischen «Vogue» (jetzt schon online) und zeigt darin wie immer sehr viel Haltung – und überraschenderweise auch so viel Haut wie noch nie. Sie entschied nämlich, dass sie sich in Lingerie fotografieren lassen wolle. Weil sie Lust darauf hatte. Sie ist jetzt 19, am 30. Juli erscheint ihr neues Album mit dem Titel «Happier Than Ever», für das sie sich die Haare blond färben liess, das erste Bild davon erzielte einen Like-Rekord auf Instagram.
Die erste Single des Albums heisst «Your Power». Und handelt von einem Mann, der Macht über eine jüngere Frau hat. Eine sehr viel jüngere Frau. Eine, die noch zur Schule geht, und die der Mann gebrochen hat. «Sie sagte, du wärst ein Held / Du hast deine Rolle gespielt / Aber du hast sie in einem Jahr ruiniert / Tu nicht so, als wäre es schwer gewesen», singt sie und das klingt so traurig wie ein im Herbstregen erlöschendes Feuer. Es sei ihr bisher wichtigster Song, sagt sie.
Billie Eilish selbst habe Übergriffiges erlebt, sagt sie, will aber nicht persönlich werden, es sei ein allgemeines Problem, sie kenne kein Mädchen und keine Frau, die nicht schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe. Aber auch Jungs. Und oft sei es für einen sehr jungen Menschen schwierig, eine missbräuchliche Beziehung überhaupt als solche zu erkennen: «Früher habe ich nicht verstanden, warum das Alter eine Rolle spielt. Und natürlich fühlt man sich so (erwachsen), wenn man jung ist, schliesslich ist man älter als jemals zuvor. Man hat das Gefühl, reif zu sein und alles zu wissen.» Und da entstehe dann eben ein Raum, in dem Jugendliche ausgenutzt werden können. Aber dass das so sei, würde man erst viel später begreifen.
Trotzdem gäbe es gerade an Mädchen diese verrückte Anforderung, schon sehr früh sehr reif zu wirken: «Von uns jungen Frauen wird erwartet, dass wir alles wissen und tun und uns wie jedermanns Mutter verhalten, wenn wir etwa 15 Jahre alt sind.» Aufgefallen sei ihr auch die Domestizierung wilder Mädchen in der Populärkultur, etwa im Fernsehen. Da werde aus dem «Hot Girl» durch die Liebe immer unweigerlich ein zahmes Weibchen, als würde ihre Persönlichkeit transplantiert.
Ihr eigener Körper sei für sie lange der Quell grösster Verunsicherung gewesen, doch jetzt habe sie Lust darauf, sich zu zeigen: «Mein Ding ist, dass ich tun kann, was ich will ... Es geht nur darum, was dir ein gutes Gefühl gibt. Wenn du dich operieren lassen willst, dann geh und lass dich operieren. Wenn du ein Kleid tragen willst, von dem jemand denkt, dass du darin zu fett aussiehst, fuck it – wenn du dich gut fühlst, siehst du gut aus.»
.@BillieEilish stars on the June 2021 cover of British Vogue. Photographed by Craig McDean and styled by Dena Giannini. Read the interview in full: https://t.co/PUkoqDFXtZ pic.twitter.com/dbPFImlC2I
— British Vogue (@BritishVogue) May 2, 2021
Eins ihrer Stil- und Körperbewusstseins-Vorbilder ist – da wäre man jetzt nicht unbedingt drauf gekommen, aber im Zusammenhang mit dem Lingerie-Shooting macht es Sinn – die zeigefreudige Rapperin Megan Thee Stallion.
Und auch denen, die sie jetzt für die «Vogue»-Bilder kritisieren werden, weiss sie etwas zu entgegnen: «Plötzlich bist du ein Heuchler, wenn du deine Haut zeigen willst, und du bist leicht zu haben und eine Schlampe und eine Hure. Wenn ich das bin, dann bin ich stolz darauf. Ich und alle Mädels sind Nutten, und scheiss drauf, weisst du? Drehen wir es um und fühlen uns dadurch ermächtigt. Deinen Körper zu zeigen und deine Haut zu zeigen – oder auch nicht – sollte dir keinen Respekt rauben.»
Und das Fazit? «Ich glaube wirklich, dass die Männer unterm Strich sehr schwach sind«, sagt Billie Eilish, «ich denke, es ist einfach so leicht für sie, die Kontrolle zu verlieren. ‹Du erwartest, dass ein Kerl dich nicht anfasst, wenn du dieses Kleid trägst?› Ernsthaft, bist du so schwach? Ach, komm schon! Geh masturbieren!»
(sme)