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Michael Moore will die Welt vor Hitler/ Trump retten

epa07033788 US producer Michael Moore arriving at the premiere of Briarcliff Entertainment's Fahrenheit 11/9 at Samuel Goldwyn Theater in Beverly Hills, California, USA 19 September 2018. The mov ...
Bild: EPA/EPA
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Michael Moore gegen Donald Trump – hat es der Filmemacher diesmal übertrieben?

Unterhaltung, Tränen, Ohnmacht, Revolution: Der Dokumentarfilmer gibt in «Fahrenheit 11/9» wie immer alles. Aber ist es jetzt zu viel?
10.10.2018, 17:2811.10.2018, 13:42
Simone Meier
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Michael Moore hat jetzt die Schuldigen gefunden. Sie sind weiblich. Und weil er diese Idee offenbar enorm sexy findet, eröffnet er seinen letzten und seinen aktuellen Film auch gleich damit. In «TrumpLand» von 2016 war Beyoncé schuld an Trumps Erfolg als Präsidentschaftskandidat. Weil sie in der Halbzeit des Wahljahres-Superbowls mit ihren «shit-kicking» Stiefeln und ihrem feministischen Schlachtgesang den heiligsten Rasen Amerikas versaut habe. Exakt da habe der hässige weisse Mann begriffen, dass es nun um alles geht. Hat geklappt.

Jetzt, in «Fahrenheit 11/9» ist Gwen Stefanie schuld. Weil Trump irgendwann herausgefunden habe, dass sie bei «The Voice» mehr verdiene als er bei «The Apprentice». Exakt da habe er als hässiger weisser Mann begriffen, dass er nun seinen eigenen Show-Wert ins Unermessliche steigern und einfach mal behaupten müsse, der nächste Präsident werden zu können. Hat geklappt.

Der Trailer

Ein typischer rhetorischer Stunt à la Michael Moore. Wild, plakativ, populistisch, lustig. Hauptsache Unterhaltung, Hauptsache These, Hauptsache Emotion. Moore, der kraft- und saftstrotzende Haudegen unter den Dokumentarfilmern, ist da bei allen politischen Differenzen Trump nicht ganz unähnlich. Er verschweigt auch nicht, dass Trump und seine Entourage ihn deshalb früher durchaus cool fanden.

Steve Bannon, Kellyanne Conway, Jared Kushner und Trump selbst – allesamt machen sie Werbung für seine Filme, plauschen, essen und trinken mit ihm. Sind für ihn genauso Multiplikatoren wie es die Medien für Trump sind.

Fahrenheit 11/9 Michael Moore
Michael Moore verabreicht dem Garten des Gouverneurs von Michigan eine Giftwasserspritze.Bild: Elite film

Alle sind Amerika. Trump, Moore, die Medien. Mitverantwortlich für Amerikas Traum. Seinen Alptraum. Wie konnte es kommen, dass es zu Trump kommen konnte, fragt Moore und fragt das Richtige. Bloss mit der Antwort verzettelt er sich unendlich. Denn jetzt wird alles herbeigezogen, was in irgendeiner Beziehung zum Versagen des konservativen Amerikas steht, darunter die Wasserkatastrophe von Flint oder die Schiesserei an der Parkland High School.

Und Michael Moore tut, was er seit jeher tut: Er, der eben noch mit Kellyanne flirtete, geht zu den Opfern des Systems. Den schwarzen Familien von Flint, den Überlebenden der Schiesserei, setzt sich dazu, hört zu, wird unweigerlich von der Augennässe der aufrichtigen Betroffenheit überfallen, muss schlucken und auch einfach mal nur schweigen.

FILE - In this March 24, 2018, file photo, Cuban-American and Parkland activist Emma Gonzalez, a survivor of the mass shooting at Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, Fla., stands silentl ...
Die Parkland-Überlebende Emma Gonzalez gedenkt der Toten.Bild: AP/AP

Es folgt, auch dies seit jeher, der nächste Schritt in der bewährten dramaturgischen Erregungskurve seiner Filme: Er protestiert im Namen der Schwachen bei den Mächtigen. Geht mit einem Glas Flint-Wasser zu einem Mitarbeiter des Gouerneurs von Michigan und bittet diesen, es zu trinken. Fährt mit einem Tankwagen voller Wasser vor die Villa des Gouverneurs und spritzt dessen Rasen. Demonstriert damit wirkungsvoll, aber ohne irgendeine Konsequenz die Ohnmacht derer, mit denen er sich solidarisiert.

Doch Moore wäre nicht er, wenn sich aus der aschgrauen Ohnmacht nicht schillernd wie Phoenix Hoffnung und Protest erheben würden: Moore demonstriert mit den streikenden Lehrerinnen und Lehrern von West Virginia, zeigt Emma Gonzalez bei ihrer mitreissenden Rede über die Toten von Parkland, trifft die neuen jungen Gallionsfiguren der Demokraten.

Alexandria Ocasio-Cortez, the winner of a Democratic Congressional primary in New York, reacts to a passerby, Wednesday, June 27, 2018, in New York. Ocasio-Cortez, 28, upset U.S. Rep. Joe Crowley in T ...
Die 28-jährige Alexandria Ocasio-Cortez ist eins der neuen Erfolgsgesichter der Demokraten.Bild: AP/AP

Er vollzieht auf dem Höhepunkt der Emotionalität und Aufwiegelung, die sich aus seinem satten Agitprop unweigerlich ergibt, den Koitus zwischen Trump und Hitler: Unterlegt den gestikulierenden Hitler mit Trumps Worten. Sagt, dass das Böse ein sich langsam vorwärts bewegender Organismus sei, dem jetzt durch die Kraft des kollektiven Aktivismus' Einhalt geboten werden müsse.

Die Energie, die er dafür aufbringt, die Rhetorik, die Masse der Argumente gehören gewiss zum Bewegtesten, Hässigsten, was er seit Längerem geschaffen hat. Und es ist schier unmöglich, sich seiner dreisten Emotionsdramaturgie zu entziehen. Er weiss schon sehr genau, was er tut. Und vielleicht ist das gelegentliche Abgleiten in gröbere Konfusionen ja nichts anderes als die sehr populistische Aneignung und Zurschaustellung von Trumps eigener präsidialer Verwirrungsstrategie.

«Fahrenheit 11/9» läuft jetzt im Kino.

Viele kleine Schweizer Gewässer gleichen Giftcocktails

Video: srf/SDA SRF

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Neu-Delhi ist Gastgeberstadt des diesjährigen UNO-Umwelt-Tags am 5. Juni 2018 zum Thema Plastikmüll. Die folgenden Bilder sind alle heute entstanden und zeigen das Plastik-Desaster in Indien.
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Statler
10.10.2018 17:45registriert März 2014
Man darf nie vergessen, dass Moore seine Filme vor allem für Amerikaner macht. Daher die Tonalität, die Übertreibungen und der (z.T. schier unerträgliche) Pathos.

Über einen seiner früheren Filme hatte ein WOZ-Journi einst geschrieben, der Film hätte ihn überhaupt nicht abgeholt. Sein Fehler war, dass er nicht merkte, dass er auch gar nicht abgeholt werden musste, sondern eben die Amis.

Moore spielt eigentlich sehr virtuos auf dieser Orgel. Ob er damit auch die Leute erreicht, die Trump nicht mehr wählen sollten, sei dahingestellt.

Noch ein OT-Filmtipp zum Thema Amerika (nicht von Moore):
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El Vals del Obrero
10.10.2018 18:17registriert Mai 2016
*Hoffentlich* hat er übertrieben ...
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Clife
10.10.2018 20:44registriert Juni 2018
Also dass Personen wie Beyoncé, Kardashians oder Nicki Minaj schuld daran haben, viele Frauen in den Abgrund zu bringen, ist sehr wohl wahr. Hat aber nicht wirklich was mit Trump zu tun. ABER der Gerechtigkeit halber sage ich auch, dass Menschen wie Ronaldo, Messi oder Neymar Männern als Vorbild dienen und diese mehr auf (Hobby-)Fussball setzen als auf Karriere oder Politik.
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