Es ist mal wieder grün, braun und madig. Mittendrin: Menschen. Unbekannte. Nein, halt, da ist die Natascha, Mutter der Ochsenknecht-Brut (Jimi Blue, Wilson Gonzalez, Cheyenne Savannah). Und da ist die Tatjana (Gsell), die mal im Knast sass, weil lang nicht klar war, ob sie die Ermordung ihres Gatten nun in Auftrag gegeben hatte oder nicht. Das Gericht kam zum Schluss: Hat sie nicht.
Aber weil sie so sehr unter den Verdächtigungen litt, dachte sie sich: Mach ich's doch wie die Schwerverbrecher in Filmen und leg ich mir einfach durch ein neues Gesicht ein neues Leben zu. Was beides irgendwie misslang. Sie ist immer noch unglücklich und sieht aus wie die Skizze eines sexistischen Game-Designers. Egal, Hauptsache, es gibt so tolle Sendungen wie «Ich bin ein Star – holt mich hier raus», die noch immer Verwendung für sie haben.
Wie Matthias Mangiapane ins Dschungelcamp kam, weiss ich nicht. Er ist halt irgendein singender «Mallorca-Auswanderer» und sogenannt schwul und schrill. Er verträgt sich nicht mit Jenny Frankhauser, deren Schicksal es ist, ausgerechnet die Halbschwester von Reality-Starblondine Daniela Katzenberger zu sein. Blöd! Denn Jenny hat nicht nur mit Matthias Krach, sondern auch mit Daniela, weshalb sie vor ihrer Reise ins Camp eine Stoffkatze wegschmiss, um zu beweisen, dass sie «auch ohne Katze» jemand sei. Ist sie natürlich nicht, aber die Gedanken und Hoffnungen sind bekanntlich frei.
Und hier, liebste Leserinnen und Leser im uns bekannten Universum, muss sie auch schon abbrechen, unsere Berichterstattung über die 12. Staffel des Dschungelcamps. Es gibt zu wenig zu berichten. Erstens kennt kein Schwein mehr die «Stars», die Arsenale deutscher C- bis Z-Prominenz scheinen ausgeschöpft. Zweitens, da beschwerte sich sogar Dschungelcamp-Produzent RTL höchstselbst, gehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach all den Jahren viel zu routiniert an die Challenges! Die ekeln sich gar nicht mehr so wirklich! Aber was soll man auch sagen?
Seien wir ehrlich: Das Reality-TV ist gerade im tiefsten Tief seiner Existenz. Über Folge 1 des brandneuen Formats «Get the F*ck out of My House» berichteten noch alle – also auch wir – und dann? Totenstille. Als hätten die hundert, die gemeinsam in ein Haus einzogen, um sich gegenseitig zwei Wochen lang durch ihre reine Existenz zu foltern, gar nie existiert.
Ein Blick in Folge 3 zeigt: Dieses Konzept ist ein massiver Rohrkrepierer. Zuviele Leute sind der Tod der Dramaturgie, es gibt keine Chance, dass sich böse oder gute Einzelcharaktere entwickeln könnten. Ebenso tödlich: Das Imagebewusstsein der Teilnehmenden.
Da lässt sich so schnell niemand gehen. Kommt dazu, dass alle Challenges (Bälle in Körbe werfen, Lebensmittel durch ihren Geruch erkennen), zu bieder sind. Wo sollen da beim Publikum so schöne Emotionen wie Ekel, Fremdscham, Schadenfreude hochkommen?
Oder täusch ich mich? War früher nicht alles peinlicher, lustiger, unvorhersehbarer? Sind die schuld, die mitmachen und – mental gründlich durchtrainiert – auf alles vorbereitet sind? Sind wir schuld, die wir uns schon lang an den simplen Konzepten satt gesehen haben? Ist es Zeit für etwas Neues? Bloss, wofür? Etwas mit nackt gibt's ebenfalls zuhauf. «Love Island», «Adam sucht Eva» ... Vielleicht was mit Tod?
Gibt's noch nicht? Gibt's schon lang. Die Niederländer, die ja alle televisionären Perversionen entwickeln, haben seit 2002 «Over Mijn Lijk» (Über meine Leiche) im Angebot. Aktuell läuft die siebte Staffel. Jeweils fünf todkranke Menschen zwischen 15 und 35 werden da begleitet, die Sterberate ist hoch, von den 30, die in den ersten sechs Staffeln gezeigt wurden, sind nur noch zwei am Leben.
Sie sind, wenn man so will, Gewinner in einer Sendung, in der es eigentlich nur Verlierer gibt. Trauerfeiern sind der Höhepunkt, gerne zeigt man die Toten in offenen Särgen, Kerzen flackern, Tränen fliessen, und die Quoten waren eine Weile superb, nahmen mit den Jahren aber ab, «Over Mijn Lijk» kam auf einen schlechteren Sendeplatz. Auch der Tod ist irgendwie schon vorbei. Schweden und Belgien haben «Over Mijn Lijk» dennoch adaptiert, für den Rest der Welt ist die Show zu krass. Danke, Rest der Welt.
Legen wir sie also allmählich zu Grabe. All die «Bachelors» und «Bacheloretten», all die Menschen, die unter kompetitiven Bedingungen zum gescripteten Zusammenleben gezwungen werden und schon lang nichts mehr Bemerkenswertes anstellen.
Am 8. Februar geht «Germany's Next Topmodel» in die 13. Staffel. Allein die Vorstellung ist Valium. Zum 13. Mal «Ich habe leider kein Foto für dich», zum 13. Mal Einzug in die Modelvilla, zum 13. Mal «international gefeierte Topfotografen» wie Rankin, die nichts anderes tun als, na ja, zu fotografieren. Und «Mädchen», die nichts anderes mehr sind und sein wollen als Rädchen in einem Businessmodell.