Mit sanften Tönen wurde das gut gestimmte Publikum im Dachgeschoss der Pflegi Muri in die Welt von Jochen Rueckert eingeführt. Der Leader und Komponist sass am Schlagzeug und spielte allein, nur mit zwei Besen in seinen Händen, einen angenehmen Swing. Doch dies war nur der Einstieg in ein facettenreiches Konzert. Lage Lund (Gitarre), Joe Martin (Bass) und MarkTurner (Tenor-Saxophon), allesamt grosse Namen der New Yorker Jazzszene, verzauberten das jazzhungrige Publikum und setzten die Kompositionen von Rueckert so gut und einzigartig um, wie das nur wenige beherrschen dürften.
Das anfangs eher ruhige, fast schon simple Konzert ging in immer schnellere und kompliziertere Teile über und der Zuhörer wurde in einen Strom von musikalischer Genialität gezogen. Mit Titeln wie «Corey and Trevor» oder «The Alarmists», was übersetzt so viel wie «Die Schwarzseher» bedeutet, gab der Schlagzeuger Jochen Rueckert einenEinblick in seine Gedankenwelt.
Jochen Rueckert war noch nicht einmal 20 Jahre alt, als er sich dazu entschied, von Köln nach New York auszuwandern. Die Perspektive in den USA sei für ihn als Musiker besser als in Deutschland. Bereut hat der Familienvater seinen Schritt bis heute nicht, was auch nicht wundert, da sich Rueckert perfekt in der New Yorker Szene etabliert hat. Zwischen den kleinen Atempausen erzählt Rueckert den Zuhörern auf Deutsch etwas zu seinen Gedanken, die er sich zu den jeweiligen Songs gemacht hat. Die Songs haben eigentlich immer eine Aussage, die einem irgendwie bleibt.
Im Lied «That’s not me» (Das bin nicht ich) versetzt er Trump einen kleinen Seitenhieb. Das Lied versetzt einen in einen tranceartigen Zustand, genau wie sich Jochen seit den US-amerikanischen Wahlen 2016 fühlt. Er stellt ein wenig sarkastisch fest: «Auch der Drogenkonsum hat seit den Wahlen 2016 zugenommen.» Rueckert ist bekannt für seinen fast schon trockenen Galgenhumor und wird im Netz für seine ironischen Posts gefeiert. Die Titel seiner Kompositionen geben den fast schon improvisierten Teilendes Stücks einen Rahmen.
Die Band darf man aber keinesfalls in den Hintergrund rücken. Das, was Rueckert so gut geschrieben hat, klingt nur so gut, weil es von vier unfassbar guten und talentierten Musikern umgesetzt wird. Die Band synergierte in allen Belangen und man realisierte, wie eingespielt die Gruppe ist, denn jeder noch so kleine Ton oder Schlag passte. Rueckert zeigte, dass man gut Schlagzeuger sowie Bandleader sein kann und leitete das Quartett und das Publikum durch den Abend. Er stand mehrere Male auf und bedankte sich durch Aufzählen der Namen sowie mit den vielen Soli auf zwei verschiedene Arten bei seinen Bandmitgliedern.
Lage Lund spielte auch die schwierigsten Teile souverän, glänzte in seinen Soli, bewegte sich zu seinem Gitarrenspiel jedoch nur wenig und erinnerte durch sein ruhiges Auftreten und seinen Anzug ein wenig an seine europäische Herkunft, die auch Rueckert trotz der langen Zeit in den USA durchscheinen liess. Das Quartett reist auch oftmals mit dem Zug durch Europa, was anderen, amerikanischen Musikern fast undenkbar scheint. Der stille Held war Joe Martin, der die ganze Musik mit seinem Bassspiel untermalte.
Der Mann, den man wohl als den Star des Abends bezeichnen könnte, war Mark Turner. Was der Saxophonist an diesem Abend gespielt hat, war schlicht unglaublich. Seine Finger bewegten sich so schnell, als gehörten sie einem Roboter. Die Soli, die sich Turner und Lund gegenseitig zuspielten, schienen einem Kampf zu gleichen, wer denn jetzt noch besser sei. Da das Saxophon oft auch die Melodie des Songs wiedergab, war Turners Spiel unglaublich wichtig. Und wie auch ein deutscher Herr aus dem Publikum bemerkte, gehört Turner einfach zu den Besten der Welt.