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Montagmorgen, 8.30 Uhr an der ZHdK in der Zürcher Gessnerallee. Dozent Philipp Becker und ein Kollege warten auf die Neuen. 150 junge Leute haben sich um einen Platz beim Bachelor-Studiengang Schauspiel beworben. Nur 13 können jetzt ihren Traum verwirklichen.
Die SRF-Dokuserie «13 Schauspielschüler» begleitet sie dabei über die volle, drei Jahre dauernde Distanz – und gibt fast schon intime Einblicke in eine Welt, die mal von Zorn und Zweifel geprägt wird, dann aber auch voller Zufriedenheit und Zuversicht ist. Die Serie über diese Menschen, die Künstler werden wollen, ist selbst ein kleines Kunstwerk.
Warum? In fünf Episoden à 25 Minuten werden jeweils zwei Protagonisten aus dem Kurs in den Fokus genommen. Wenn diese uns nicht gerade von ihren Ängsten und Hoffnungen erzählen, filmen die Regisseure Karoline Wirth und Martin Schilt den Schul-Alltag, ohne zu kommentieren.
Dann wird bloss schriftlich eingeblendet, dass Marie zu spät zur ersten Stunde kommt, weil sie den Wecker überhört hat. Oder dass Annabelle zuvor Wirtschaft studiert hat. Oder dass Julian-Nico eigentlich Fussballprofi werden wollte.
Die Doku ist deshalb intim, weil sie selbst stets im Hintergrund bleibt und durch ihre leise Art unseren «13 Schauspielschülern» eine umso persönlichere Bühne bereiten kann. Sie lässt uns Zuschauer ganz nahe herankommen. So wie bei Silvio, einem der beiden Portätierten der ersten Folge. Der 19-Jährige aus Wetzikon macht gleich zu Beginn des Studiengangs eine enorme Wandlung durch.
«Es ist sowas wie eine Sucht. Ich weiss nicht, was es einen dazu bringt, auf die Bühne zu gehen. Ich glaube, es ist eine Obsession», sagt Silvio nach den ersten Unterrichtsstunden. Acht Wochen später hat der Schweizer 18 Kilo verloren. «Weil es einfach eine ganz andere Art von Unterricht ist», erklärt Silvio, der zuvor ein anderes Fach studiert hat. Dort habe er bloss gesessen und sei nicht gefordert worden – «fast schon phlegmatisch» sei das gewesen.
Jetzt sei er viel mehr in Bewegung, aber auch ernüchtert. «Ich habe mich dahingehend getäuscht, dass es nicht die ganze Zeit das grosses Fest ist», sagt er über das erste Semester. «Die einzigen Instrumente, die wir haben, sind unsere Körper, unsere Emotionen, unsere Stimmen», sinniert er an einer anderen Stelle. Das erste Fazit: «Ich glaube, dass man an dieser Schule einen beschleunigten Reifeprozess durchmacht, weil man sich auch intensiver mit sich selbst beschäftigt.» Das sieht der Zuschauer an Silvios persönlicher «Evolution» wunderbar deutlich.
Der zweite Protagonist der ersten Folge ist Julian-Nico. «Ich würde gerne ausprobieren, wie es ist, jemanden umzubringen, eine Handwerkerlehre zu machen und nach Indien zu gehen und Kampfmönch zu werden», sagt er zu seiner Motivation für das Studium. «Und das kann ich alles nur, wenn ich das auf der Bühne oder im Film kurz ausprobiere.»
Der 20-Jährige ist selbstbewusst, sich aber gleichzeitig seiner Grenzen bewusst. «Wir sind alle hier, weil wir Talent haben. Aber wenn mein Talent ausreichen würde, bräuchte ich die Schule nicht. Es kommt noch so viel mehr dazu als das kleine bisschen Talent.» Und wieder wird es persönlich: «Meine Oma sagt immer noch: ‹Mach doch mal was Richtiges! Und Schauspieler bringen sich doch auch alle um und nehmen Drogen!›»
Der Unterricht, den wir miterleben, ist spannend. Da sollen die Studenten einfach gehen. Dann zehn Prozent mehr Energie geben. «Bleiben Sie richtig stehen – als eine Aussage! Setzen Sie mit dem Stehenbleiben einen Punkt hinter einen Aussagesatz. Nehmen Sie einen Standpunkt ein», lautet dazu die Order des Dozenten. Für den unbedarften Zuschauer ist das auf bizarre Weise ungefähr, aber gleichzeitig anregend. Und es macht neugierig.
So wie die Namen der anderen Seminare. Am Mittwochnachmittag steht «Gruppen-Stimmbildung» auf dem Programm, am Donnerstagmorgen «Improvisation», wo sich die Studenten in gespielten Wutausbrüchen, Monologen und Hilferufen versuchen. Ein anderer Kurs nennt sich «Substanzen in Wort und Handlung», und Becker sagt dann famose Sachen wie:
Obwohl die Serie dokumentarisch ist, schafft sie so viel Nähe, dass schon nach der ersten Folge der Daily-Soap-Effekt entsteht: Du willst als Zuschauer unbedingt wissen, wie es mit diesen Charakteren weitergeht. Und ob sie ihren Traum verwirklichen, oder vielmehr: Ob der Traum ein Traum bleibt. «Ich habe immer gesagt: Es wird bestimmt nicht immer nur lustig. Ich habe es aber wohl nicht richtig geglaubt», sagt Silvio zum Ende der Auftaktfolge.
Diese Dokuserie ist ein Paradebeispiel für bestes Schweizer TV-Handwerk. Der einzige Wermutstropfen ist der späte Sendeplatz: Ab 13. Juli immer mittwochs um 22.25 Uhr auf SRF1. Hoffentlich hindert das nicht so viele daran, dabei zu sein. Die «13 Schauspielschüler» und die Macher der Doku hätten es verdient.