Der AHV-Steuerdeal steht. Der Ständerat hat am Montag die letzten Differenzen ausgeräumt. Damit ist die Steuervorlage 17 bereit für die Schlussabstimmung am Ende der Herbstsession.
Nichts deutet darauf hin, dass sie dann abstürzt. Nationalrat und Ständerat haben der Verknüpfung von Unternehmenssteuerreform und AHV-Finanzspritze mit grosser Mehrheit zugestimmt. Der Schulterschluss von SP, CVP und FDP hat sich bisher als solide erwiesen. Geschlossen Nein sagten nur die Grünliberalen. Bei der SVP und den Grünen, die ebenfalls gegen den AHV-Steuerdeal sind, gab es jeweils Abweichler.
Im Ständerat galt es zuletzt noch die Formulierung des Gemeindeartikels und die Einschränkung des Kapitaleinlageprinzips zu klären. Der Nationalrat hatte insbesondere beschlossen, dass dieses uneingeschränkt gelten soll für Firmen, die seit der Volksabstimmung über die Unternehmenssteuerreform II in die Schweiz gezogen sind. Diese fand im Februar 2008 statt.
Für den Ständerat war zunächst das Inkrafttreten Anfang 2011 massgeblich. In der Differenzbereinigung hat er nun jedoch nachgegeben. Das gleiche gilt für den Gemeindeartikel: Die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform auf die Gemeinden müssen nicht nur berücksichtigt, sondern abgegolten werden.
Die Schlussabstimmung ist nicht die letzte Hürde für die Steuervorlage. Die Jungen Grünen haben bereits das Referendum angekündigt, auch in der SP-Basis gibt es Unzufriedene. Gelingt es den Gegnern, rechtzeitig 50'000 Unterschriften zu sammeln, kommt das Geschäft voraussichtlich am 19. Mai 2019 vors Volk.
Die Chancen der Steuervorlage an der Urne sind aus heutiger Sicht schwer abzuschätzen. Der Abstimmungskampf gegen das Vorgängerprojekt, die Unternehmenssteuerreform III, hatte eine überraschende Dynamik. Zum Beispiel liessen einige kritische Aussagen von Ex-Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf die Zustimmung zur Vorlage einbrechen. Aus den Städten und Gemeinden kam unerwartet viel Widerstand.
Der Steuervorlage 17 könnte eine Allianz aus linken Steuersenkungs-Gegnern und rechter Opposition gegen die AHV-Finanzierung zum Verhängnis werden. Auf der anderen Seite werden die Befürworter die Reihen diesmal geschlossen halten. Zu viel steht für die Schweizer Wirtschaft auf dem Spiel.
Kern Steuervorlage ist die Abschaffung der international nicht mehr akzeptierten kantonalen Steuerprivilegien für Holdings und andere Spezialgesellschaften. Die EU hat der Schweiz dafür bis Ende 2018 Zeit gegeben. Kommt ein Referendum zu Stande, ist dieser Termin nicht einzuhalten.
Die EU-Finanzminister könnten die Schweiz im März 2019 von der grauen Beobachtungs-Liste auf die schwarze Liste der nicht kooperativen Steuergebiete verschieben. Es ist aber möglich, dass sie den Schritt bis nach der Referendumsabstimmung im Mai aufschieben.
Welche Sanktionen mit einem Platz auf der schwarzen Liste verbunden sind, ist nach wie vor unklar. Die Rechtsunsicherheit ist für die betroffenen Unternehmen aber ohnehin belastend. Immerhin weiss man in den Chefetagen seit heute, welches Steuerklima in der Schweiz in Zukunft herrschen könnte.
Zunächst planen fast alle Kantone eine Steuersenkung für Unternehmen. In Genf zum Beispiel soll der Gewinnsteuersatz um über 10 Prozentpunkte sinken. Nur Inner- und Ostschweizer Tiefsteuerkantone bleiben bei ihren Sätzen.
Zürich wird mit 18,19 Prozent voraussichtlich der Kanton mit den höchsten Steuern für Unternehmen sein. Er profitiert jedoch von einem massgeschneiderten Abzug auf überschüssigem Eigenkapital.
Auch andernorts profitieren Unternehmen von der Patentbox, in der Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten ermässigt besteuert werden. Kantone können mehr als den tatsächlichen Aufwand für Forschung und Entwicklung zum Steuerabzug zulassen, was einer Subvention gleichkommt. Hinzu kommen Erleichterungen bei der Kapitalsteuer oder bei der Aufdeckung stiller Reserven.
Hingegen zahlen Grossaktionäre auf Dividenden in Zukunft tendenziell mehr Einkommenssteuern. Beim Bund werden neu 70 statt wie bisher 60 Prozent der Dividenden besteuert. Bei den Kantonen beträgt die Belastung aktuell zwischen 35 und 70 Prozent. Künftig müssen es mindestens 50 Prozent sein, was ungefähr dem heutigen Durchschnitt entspricht.
Als weiteres Zugeständnis an die Linke, die im Februar 2017 die Unternehmenssteuerreform III zu Fall gebracht hatte, wird das Kapitaleinlageprinzip eingeschränkt. Dieses erlaubt den Unternehmen, Kapitaleinlagen in Milliardenhöhe steuerfrei an die Aktionäre auszuschütten. Börsenkotierte Unternehmen dürfen das in Zukunft nur noch in dem Umfang, in dem sie auch steuerbare Dividenden ausschütten.
Jene Statusgesellschaften, die ihre Steuerprivilegien verlieren, zahlen in Zukunft höhere Steuern. Die Verwaltung hat errechnet, dass das selbst für jene gilt, die die neuen Sonderregelungen voll ausnutzen. Für die bisher ordentlich besteuerten Unternehmen hingegen sinkt die Steuerlast. Die öffentliche Hand muss mit Steuerausfällen rechnen.
Den Bund kostet die Steuervorlage unter dem Strich rund 700 Millionen Franken. Setzen die Kantone ihre Pläne in die Tat um, verlieren sie gesamthaft rund 1.3 Milliarden Franken. Damit belaufen sich die Kosten insgesamt auf 2 Milliarden Franken. Als Ausgleich fliesst der gleiche Betrag in die AHV. Arbeitgeber und Arbeitnehmer steuern zusammen 1.2 Milliarden Franken bei, der Bund gut 800 Millionen Franken. (sda)