Die SVP Schweiz hat in vier Wochen einen neuen Parteichef. Die Delegiertenversammlung soll am 22. August in Brugg AG stattfinden – so zumindest der Plan. Die Partei kündigte auf ihrer Webseite an, dass es aufgrund der Corona-Pandemie «spezielle Auflagen» gebe. Ob und wie die Wahl stattfinden soll, ist aber zurzeit noch unklar.
Das ist nicht die einzige Unbekannte einen Monat vor der Wahl. Wer kandidieren wird, wurde von der Partei offiziell noch nicht kommuniziert. Seit Wochen arbeitet eine Findungskommission unter der Leitung des ehemaligen Fraktionschefs Caspar Baader.
Wann diese eine Liste oder eine Empfehlung abgeben wird, sagt Baader nicht: «Wir äussern uns weder zu Namen, noch zu Terminen. Die Mitglieder werden früh genug vor der Delegiertenversammlung informiert.»
Erste Namen sickerten bereits durch. Obwohl das politische «Sommerloch» herrscht, werden die Namen nicht öffentlich diskutiert. Angefragte Spitzenpolitikerinnen und -politiker äussern sich – wenn überhaupt – nur allgemein. Der St.Galler Nationalrat Mike Egger etwa betont, dass er «zufrieden» sei, dass seine Partei eine Kampfwahl erleben werde. «Unsere Mitglieder werden im Gegensatz zu den Grünen eine echte Auswahl haben», sagt Egger.
Diese «Auswahl» ist zurzeit für die breite Basis nicht öffentlich. Und ob es coronabedingt Hearings geben wird, in denen Parteimitglieder kritische Fragen an die Kandidatinnen und Kandidaten stellen können – auch das bleibt offen. Zeit für einen Blick auf diejenigen, die bereits eine Kandidatur angekündigt haben oder unter Parteileuten rege diskutiert werden.
Alfred Heer hat die politische Ochsentour gemacht und kennt die Stationen der grossen Politik. Er war Stadtpolitiker in Zürich, hat sieben Jahre die wichtigste Kantonalpartei der Schweiz präsidiert, sass und sitzt je 13 Jahre im Kantons- und Nationalrat. Heer hat seine Kandidatur im Januar öffentlich bekannt gegeben.
Was für ihn spricht: «Fredi» Heer, wie man ihn nennt, gilt als «Chrampfer», der sich in politische Dossiers einliest und auch wichtige Ämter übernimmt, die nicht immer mit vielen Auftritten verbunden sind. Er kennt die Mühen seiner Partei in urbanen Gegenden, weiss aber trotzdem, wie man sich rhetorisch und mit inhaltlichen Argumenten in Stadt und auf dem Land Respekt erschafft.
Was gegen ihn spricht: Heer vertritt seine Meinung auch dann, wenn sie sich gegen die Parteiline oder den ehemaligen Bundesrat Christoph Blocher richtet. Das mag bei der Gegenseite gut ankommen, es schaffte aber auch mehrmals Reibereien mit der Herrliberg-Front. Diesen Konflikt suchte er aber nicht immer. So liess er letztes Jahr bei der Ständeratskandidatur seinem Parteikollegen Roger Köppel den Vortritt.
Andreas Glarner sass 16 Jahre im aargauischen Grossen Rat und war dort zehn Jahre lang der Chef der SVP-Fraktion. Seine Ochsentour begann er 1998 als Gemeinderat von Oberwil-Lieli, wo er bis 2017 sass, zuletzt auch als Gemeindeammann. Glarner wurde dieses Jahr zum Präsidenten der SVP Aargau gewählt. Er sorgte wiederholt durch kontroverse Äusserungen für Aufsehen und Empörung.
Was für ihn spricht: Glarner ist ein scharfer Analytiker mit extremen Positionen, die er als Medienprofi regelmässig skandalisierend ausnutzen kann. Er weiss dadurch, sich und seine Partei ins Gespräch zu bringen. Die heftigen Reaktionen scheinen ihm nichts auszumachen, was ihn zu einem gefürchteten Diskussionsgegner macht. Indem er gegen die politische Korrektheit verstösst, macht er Minderheitspositionen im öffentlichen Meinungsstreit sichtbar und präsent.
Was gegen ihn spricht: Mehrere angefragte Parteileute nehmen ihn nicht ernst. Sie betrachten ihn als nützliche Figur und gar als Kommunikationsmittel, sehen ihn aber nicht als Präsident. Nach seinen zahlreichen Kontroversen wird er von politischen Gegnern kaum noch respektiert, parteiintern spricht man ihm die Fähigkeit ab, eine verantwortungsvolle Politik zu machen.
Lars Guggisberg wird erst seit kurzem von einzelnen Parteileuten ins Spiel gebracht. Unter Zusicherung der Anonymität hört man, seinen Namen müsse man sich merken. Ob er ein möglicher Kandidat der Findungskommission ist, ist unbekannt. Guggisberg war Gemeindepolitiker im Berner Mittelland, bevor er neun Jahre im Grossen Rat sass. Seit 2019 ist er im Nationalrat.
Was Lars Guggisberg zu einer möglichen Kandidatur sagt: Er schliesst sie nicht aus. Im watson-Gespräch erklärt er, dass er sich so etwas «im jetzigen Moment gut überlegen» müsse. Als Grund nennt er seine Familie: «Ich bin Vater von zwei Kindern. Ein solches Amt betrifft die Familie sehr.»
Was für ihn spricht: Guggisberg gilt als eloquenter Redner, der die ländliche Bevölkerung genauso kennt wie die städtische. Parteileute, die seinen Namen nennen, loben zudem sein vergleichbar junges Alter, womit er eine neue Generation der SVP-Politik repräsentiere.
Was gegen ihn spricht: Als Anwalt und Dozent mit anständiger, aber bestimmter Polit-Rhetorik hat er eine ähnliche Ausstrahlung wie der amtierende Parteipräsident Albert Rösti oder Hans-Ueli Vogt. Er vertritt damit einen bestimmten Politikertyp, der bislang mässig erfolgreich innerhalb der SVP war.
Vielleicht noch ein Zickli zur Seite stellen und fertig wäre das ideale Führergespann.