Die grosse Rückkehr ins Büro nimmt Fahrt auf. Viele Betriebe verschärfen ihre Homeoffice-Regelungen und bitten ihre Arbeitnehmenden zurück an den angedachten Arbeitsplatz, wie wir berichteten. Doch was, wenn die Belegschaft die neuen Vorgaben nicht einhält? Dem ist offenbar so, und darum wird vermehrt durchgegriffen.
Der Technologie-Konzern Google will laut US-Medien neu die Präsenzzeiten überwachen. Es wird demnach kontrolliert, wann und wie lange Mitarbeitende mit ihren Badges eingecheckt waren. Bei Verstössen gegen die Vorgaben würden Mitarbeitende damit konfrontiert. Auch werden die Anwesenheitszeiten in die Leistungsbeurteilung einbezogen.
Die Mitarbeitenden sollen mindestens drei Tage die Woche im Büro verbringen. Das gilt auch in der Schweiz. Ein Sprecher von Google Schweiz sagt, das Modell habe sich bewährt. «Wir möchten, dass Google-Mitarbeitende persönlich miteinander in Kontakt treten und zusammenarbeiten. Daher sind Ausnahmen zu dieser Regelung eingeschränkt.»
Noch weiter geht eine grosse amerikanische Wirtschaftskanzlei, wie das «Wall Street Journal» berichtete: Mitarbeitende, die sich nicht an die Mindestvorgabe halten, werden mit Bonuskürzungen rechnen müssen. Die Massnahme ist die nächste Eskalationsstufe in einem Konflikt, der in angelsächsischen Medien mit einiger Übertreibung auch schon so genannt wurde: «Krieg um die Rückkehr ins Büro».
Könnten Schweizer Arbeitgeber auch zu Lohnkürzungen greifen, falls es ihnen mit der Rückkehr ins Büro nicht schnell genug geht?
Das ist grundsätzlich möglich, denn ein allgemeiner Anspruch auf Homeoffice besteht nicht. Sofern vertraglich nicht vereinbart wurde, dass ein Teil der Arbeit im Homeoffice geleistet werden kann, gilt grundsätzlich der Betrieb als Arbeitsort, sagt die HSG-Professorin Isabelle Wildhaber. Bleiben die Arbeitnehmenden trotz gegenteiliger Aufforderung dem Büro fern, verletzen sie ihre vertraglichen Pflichten.
«Der Arbeitgeberin stehen deshalb sämtliche arbeitsrechtliche Instrumente zur Verfügung, die bestehen, wenn Arbeitnehmende ihre Pflichten nicht erfüllen», so die Arbeitsrechtlerin. Darunter fallen gemäss Wildhaber eine Verwarnung, eine Kündigung sowie die Einstellung der Lohnzahlung. Wer sich der Rückkehr ins Büro also widersetzt, ohne einen Arbeitsvertrag mit Homeofficevereinbarung zu haben, riskiert Lohnkürzungen und sogar die Kündigung.
In den USA sind Unternehmen, bei denen es harzt mit der Rückkehr ins Büro, keine Ausnahme. Es ist vielmehr Normalzustand, dass Bürogebäude bloss zur Hälfte ausgelastet sind oder noch weniger. Das gilt für solche Megastädte wie New York, Chicago oder San Francisco. In Europa sieht es für die Städte etwas besser aus. Gemäss Zahlen des Immobilienberaters JLL sind dort die Büros zu ungefähr drei Viertel ausgelastet.
Auch in der Schweiz sind sich Arbeitgeber und Mitarbeitende in der Homeoffice-Frage nicht einig, wie Daniel Stocker von JLL Schweiz kürzlich zu CH Media sagte. Es gebe viele Arbeitgebende, die sich nicht trauen würden, ihre Erwartungen allzu forsch einzufordern: «Sie haben Angst vor Kündigungen.»
Homeoffice ja oder nein; und wenn ja, wie viel davon - zu diesen Fragen gibt es eine Fülle an Forschung. So kann Homeoffice zum beruflichen Nachteil werden, selbst wenn Arbeitnehmende nicht mit Lohnkürzungen rechnen müssen, wie eine Studie der Harvard-Universität zeigt.
Gemäss den Autorinnen erhalten Mitarbeitende im Büro 17 Prozent mehr Feedback als jene im Homeoffice. Die Studie untersuchte Softwareentwickler und Softwareentwicklerinnen und somit Personen, die mit den digitalen Arbeitsweisen sehr vertraut sind. Gut möglich, dass die Heimarbeit in anderen Branchen noch ein grösserer Nachteil ist.
Im Mai veröffentlichte die US-Gesundheitsbehörde einen Bericht, wonach die USA unter einer «Einsamkeitsepidemie» leiden würden. Soziale Isolation verursache einen Schaden, der vergleichbar sei mit den Folgen schweren Rauchens, konkret von 15 Zigaretten pro Tag. Der Bericht verlangt nach einer «nationalen Strategie», bei welcher auch die Frage von Präsenzzeiten mit einbezogen werden solle.
Scott Galloway, Professor an der New York University Stern School of Business, sagte in einem Interview mit der «Financial Times», insbesondre für junge Menschen seien die Kontakte für die psychische Gesundheit entscheidend.
Dennoch scheinen Arbeitnehmende das Homeoffice zu schätzen. Mitarbeitende, die ausschliesslich im Homeoffice arbeiten, zeigen eine grössere Bereitschaft, ein niedrigeres Gehalt zu akzeptieren. Zu diesem Schluss kommt eine Befragung aus den USA.
55 Prozent der stets im Homeoffice Arbeitenden würden Lohneinbussen zugunsten der Heimarbeit akzeptieren. Bei denen, die teilweise von zuhause aus arbeiten, bevorzugen noch 38 Prozent einen tieferen Lohn gegenüber einer vollständigen Rückkehr ins Büro. (aargauerzeitung.ch)
Wenn die Leute wirklich unter Einsamkeit leiden, würden sie ja eher freiwillig ins Büro fahren. Ich habe persönlich jede Minute HO als sehr positiv empfunden, auch lange vor Covid. Das Geplappere im Büro war nie etwas für mich, es hat mir eher geschadet als genutzt. 😉
Chefs, die ihre MA ins Büro zwingen...hmm..die sind nicht wirklich motivierend.