«Stell dir dein Wochenpensum individuell zusammen»: Mit diesem Slogan wirbt das Ostschweizer Elektrotechnikunternehmen Bichler + Partner AG auf seiner Webseite. Inhaber Oliver Lacher hat sich im April dafür entschieden, seinen über 70 Mitarbeitenden die Möglichkeit zur 4-Tage-Woche anzubieten.
«Uns war klar, dass wir handeln müssen», sagt Guido Landert, Leiter HR & Administration, auf Nachfrage von watson. «Der Fachkräftemangel hat sich auch in der Handwerksbranche zugespitzt, jüngere Mitarbeitende wünschen mehr Flexibilität und attraktivere Arbeitszeiten.»
Weil man weder aggressive Leute abwerben wolle und bereits jetzt faire Löhne zahle, habe man sich für die Flexibilisierung der Arbeitswoche entschieden, erklärt Landert.
Wer bei Bichler + Partner AG arbeitet, kann also ab Juli das wöchentliche Pensum von 40 Stunden an vier anstatt an fünf Tagen leisten. Der fixe Absenztag soll für ein halbes Jahr festgelegt werden. «Damit haben wir auch als Firma Planungssicherheit. Denn wir müssen natürlich schauen, dass die Absenztage gut verteilt sind und nicht alle gleichzeitig am Freitag zu Hause bleiben», sagt Landert.
Was aber, wenn wegen längeren Arbeitstagen Fehler gemacht werden, Unfälle passieren? «10-Stunden-Tage sind sicherlich nicht für alle im Betrieb geeignet», so Landert. Zudem seien Pausenzeiten Pflicht. Die 4-Tage-Woche bleibe aber auch nach Start im Juli bewusst freiwillig. Wer weiterhin festangestellt sei und fünf Tage arbeiten will, könne das auch tun.
Man sei aber der Meinung, dass dieses Tagespensum machbar sei, so HR-Leiter Landert. «Wir werden aber jeden individuellen Fall einzeln anschauen. Wenn wir merken, dass die 4-Tage-Woche für jemanden nicht geeignet ist, suchen wir eine andere Lösung.» Auch Teilzeitarbeit sei möglich.
Neben der Handwerksbranche stösst das 4-Tage-Modell auch in der Gastronomie und Hotellerie zunehmend auf Anklang. Denn auch diese Branchen kämpfen gegen den Fachkräftemangel.
Mitte März schrieb die «Berner Zeitung» bereits über den zweiten Berner Gasthof, der auf eine 4-Tage-Woche umstelle. Im Landgasthof Hirschen in Langnau, arbeiten neu alle Festangestellten in der Küche an vier, statt fünf Tagen. Der Lohn bleibt gleich, dafür arbeiten die Mitarbeitenden 10,5 Stunden pro Tag. In Winterthur setzt das Küchenteam des Parkhotels bereits seit vergangenem Dezember auf das Modell.
Und auch in Zürich starten die Mitarbeitenden der beiden 25hours Hotels ab 1. Mai mit dem 4-Tages-Modell. «Fast alle Angestellte haben sich für eine erst Testphase von drei Monaten angemeldet. Danach ziehen wir eine erste Bilanz und schauen, wie das Modell funktioniert hat», so Marketing Manager Dario Gysel auf Anfrage.
«Ich finde diese Entwicklung grossartig», sagt Arbeits- und Organisationspsychologin Rita Buchli. «Die Arbeitgeber müssen sich bewegen, um attraktiv zu bleiben. Wer stehen bleibt, verliert längerfristig Arbeitnehmende.»
Buchli betont aber, dass die 4-Tage-Woche nicht die einzige Möglichkeit sei. «Jede Arbeitnehmerin hat verschiedene Bedürfnisse. Einige finden es super, wenn sie drei Tage am Stück freihaben. Andere würden es vielleicht eher bevorzugen, wenn sie ihr Arbeitspensum auf sechs Tage verteilen könnten.»
Die Digitalisierung und das Home-Office böten weitere Möglichkeiten zur Flexibilisierung. «Die Zeiten, in denen man von Mitarbeitenden verlangen konnte, zu 100 Prozent von acht bis fünf anwesend zu sein, sind langsam aber sicher vorbei», sagt Buchli. Wichtig bleibe aber, dass man auch bei neuen Arbeitsformen und Angeboten die Mitarbeitenden einbeziehe und sich nach deren Bedürfnisse erkundige. «Und auch wer weiterhin fünf Tage die Woche arbeiten will, soll das auch tun dürfen», schliesst Buchli.
Wie viele Mitarbeitende bei der St.Galler Firma Bichler + Partner AG tatsächlich zur 4-Tage-Woche wechseln werden, kann HR-Leiter Landert noch nicht sagen. «Die Reaktionen bei der Mitarbeitenden-Information waren aber durchwegs positiv.»
Bis Ende Juni können die Angestellten nun ihr Interesse bei Landert anmelden. Danach geht es für ihn in die Planungsrunde. Ob er denn selbst auch zur 4-Tage-Woche wechseln werde? «Ich arbeite in einem Teilzeitpensum von 80-Prozent und werde auch dabei bleiben», so Landert schmunzelnd.
dies hinterfragt komischerweise bei der min. 50h-Woche der Ärzte niemand.
Aber ein erster Schritt in eine gute Richtung.