1500 Menschen haben nach Angaben der Organisatoren am Samstag in Bern am «Marsch fürs Läbe» teilgenommen, einer bewilligten Kundgebung gegen Abtreibung. Eine Gegendemonstration mobilisierte bis zu schätzungsweise 800 Personen. Sie verlief friedlich und endete um halb fünf Uhr vor der Reitschule.
Diese unbewilligte Gegendemonstration lief unter dem Titel «Marsch fürs Leben stoppen». Den Kundgebungsteilnehmern gelang es aber nicht, bis zum Bundesplatz vorzudringen, wo sich die Abtreibungsgegner versammelt hatten.
Gegendemo endet vor der Reitschule. Alles friedlich im schönen Bern! @watson_news pic.twitter.com/10TU64Gkmq
— Adrian Müller (@mueller_adrian) 15. September 2018
Die Polizei hatte den Bundesplatz mit Absperrgittern von allen Seiten her abgeriegelt. Zudem standen Dutzende von Polizisten in Vollmontur zum Eingreifen bereit.
Gegendemo nun direkt neben #marschfürsläbe . Noch toleriert dies die 👮🏽♀️ . Kommt es zur Konfrontation? @watson_news pic.twitter.com/FLVELjuMdZ
— Adrian Müller (@mueller_adrian) 15. September 2018
Die unbewilligte Demonstration wurde von der Polizei toleriert, wie ein watson-Reporter vor Ort feststellte. In Anspielung auf die Gesinnung der Abtreibungsgegner sangen sie lautstark: «Alle Kinder werden so wie wir! Alle Kinder, werden alle queer!» An der Spitze trugen sie ein Transparent mit der Aufschrift «Bern stellt sich queer» (schwul). Auf anderen Plakaten stand «My Body, my Choice».
Als die Gegendemonstranten nach einem Zug durch die Stadt zum Bundesplatz kamen, liessen sie es bei einem Pfeifkonzert aus Trillerpfeifen bewenden. Dann zogen sie ab. Es kam zu keinerlei Konfrontationen zwischen Demonstranten aus Berns linker Szene und christlich-konservativen Abtreibungsgegnern.
Unbewilligter aber derzeit friedlicher Demonstrationsumzug setzt sich in Bewegung. Wir beobachten im Sinne der Verhältnismässigkeit.
— Kantonspolizei Bern (@PoliceBern) 15. September 2018
Mit dem neunten «Marsch fürs Läbe» wollten die Organisatoren ein Thema an die Öffentlichkeit tragen, das ihnen zufolge heute noch ein Tabu ist: Dass Frauen nach einer Abtreibung in seelische und körperliche Not kämen. Deshalb berichteten zwei Frauen an der Kundgebung von ihren Erfahrungen.
An der Kundgebung lancierten die Organisatoren – unter ihnen die Schweizerische Evangelische Allianz und die EDU – auch eine Petition an den Bundesrat. Die Landesregierung soll sich anhand dieser Bittschrift ein «umfassendes, wissenschaftlich gestütztes Bild über die gesundheitlichen Folgen von Abtreibungen verschaffen». Der apostolische Nuntius in Bern, Erzbischof Thomas E. Gullicksen, richtete eine Grussbotschaft an die Teilnehmer.
Der apostolische Nuntius in Bern, Erzbischof Thomas E. Gullicksen, richtete eine Grussbotschaft an die Teilnehmer.
Bern im Belagerungszustand: Bundesplatz komplett abgeriegelt ++Polizei 👮🏽♀️ in der Innenstadt an jeder Ecke ++ Lage (noch) ruhig #marschfürsläbe #servicetweet @watson_news pic.twitter.com/Pc13HulIhW
— Adrian Müller (@mueller_adrian) September 15, 2018
Der Stadtberner Sicherheits- und Umweltdirektor Reto Nause zog nach dem Anlass eine positive Bilanz. Polizeieinsatz und -taktik seien aufgegangen. Die bewilligte Kundgebung habe wie geplant und ohne Zwischenfälle stattfinden können.
Die Berner Stadtregierung hatte der Kantonspolizei eigentlich den Auftrag gegeben, eine Gegendemonstration zu verhindern. Darauf angesprochen sagte Nause, die Gegendemo habe sich zuerst stadtauswärts bewegt.
Gegendemo marschiert durch Bern Richtung Längasse. Wie lange? #marschfürsläbe @watson_news pic.twitter.com/dR9kq0rZEp
— Adrian Müller (@mueller_adrian) 15. September 2018
In der Tat schlug der Demonstrationszug, vom Berner Bahnhofplatz ausgehend, zuerst den Weg ins Länggassquartier ein. Danach zog er aber via Inselspital zurück ins Stadtzentrum.
Da sich die Kundgebungsteilnehmer friedlich verhalten hätten, habe die Einsatzleitung den Zug toleriert, sagte Nause. Die Polizei habe damit den Beweis geliefert, dass sie in der Lage sei, angemessen zu reagieren und verhältnismässig vorzugehen.
Eingeladen haben mehrere christlich-konservative Organisationen, darunter die Schweizerische Evangelische Allianz und die EDU Schweiz. Gegner der Kundgebung werfen den Organisatoren vor, ein «frauenverachtendes und rückständiges Gesellschaftsbild» zu vertreten. Ebenso sorgte ein Demo-Aufruf der PNOS im Vorfeld für Wirbel.
Im «Namen Gottes» werde das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über den eigenen Körper verneint. Die Gegner haben eine Gegendemonstration angekündigt, welche die Polizei verhindern soll. Die Berner Stadtregierung hat der Polizei den entsprechenden Auftrag erteilt.
Im Kanton Bern bleiben deshalb am Samstag viele Wachen geschlossen, vor allem auf dem Land. Die Polizisten müssen in Bern Dienst leisten.
Vor zwei Jahren war die Ausgangslage in Bern identisch: Damals sicherten mehrere hundert Polizisten den «Marsch fürs Läbe» und verhinderten, dass der gegnerische Demonstrationszug bis zum Bundesplatz vordringen konnte. Es blieb weitgehend friedlich. (am/sda)